Verabredungs-Managerin

Ich glaube, es ist so weit: Ich brauche ein Coaching! Themenfeld: Verabredungsmanagement. Solltet ihr euch nachmittags auf dem Kita-Hof mal nicht ganz sicher sein, welches mein Kind ist – ihr erkennt es daran, dass es mich hüpfend am Ärmel zieht und Dinge ruft wie: „Gisbert* und ich wollen uns mal wieder verabreden! – Mama, darf ich mal wieder mit zu Lothar? – Thorben war schon so lange nicht mehr bei mir!“. Und mich erkennt ihr daran, dass ich entschuldigende Phrasen murmle wie „Hm ja, da muss ich erst mit Gisberts Mutter sprechen“, „Aber warst du nicht letztens erst bei Lothar?“ und „Dann lad ihn doch einfach mal ein“.

Ich bin nämlich der Prototyp einer Mutter, die im Verabredungsmanagement ihrer Kinder so richtig stark abloosed. Und damit meine ich: So richtig stark! Zu meiner Verteidigung möchte ich anbringen, dass ich ja mein eigenes Verbabredungsmanagement schon nicht auf die Reihe bekomme. Ich besitze Freund*innen, mit denen habe ich so ca. einmal im Jahr Kontakt. Mein einziges Glück ist bisher, dass diese Freund*innen zu der Sorte „echt“ gehören und wir uns, so selten wir uns auch sehen, trotzdem jedes Mal gleich wieder so gut verstehen, als wäre es erst gestern gewesen.

Das Blöde ist ja aber: Meine Freundschaften kann ich nur sehr schlecht mit den Freundschaften meines fünfjährigen Sohnes vergleichen. Denn meine Freundschaften bestehen teils schon ungefähr fünf mal so lange wie mein Sohn überhaupt alt ist. Wenn der sich nur einmal pro Jahr mit einem Freund verabreden würde, dann fragt er ihn beim fünften Treffen, seit wann er eigentlich Vollbart trägt!

Versucht es bloß nicht über What’s App!

Na gut, ganz so schlimm ist es vielleicht nicht. Aber trotzdem: Irgendwie muss ich es doch ermöglichen, dass mein armes Kind nicht völlig vereinsamt. Mein größtes Problem sind vielleicht diese ganzen What’s App Nachrichten. Wisst ihr, ihr könnt mir echt gerne welche schreiben. Das heißt dann allerdings nicht, dass ich sie auch lese. Geschweige denn darauf antworte.

Vielleicht lese ich sie auch, aber antworte dann trotzdem nicht. Weil mir sowieso immer was dazwischen kommt. Wenn mich Gisberts Mama also am Montag anschreibt, ob die Jungs sich nicht für Mittwoch verabreden wollen, denke ich sehr wahrscheinlich erst am Freitag daran, ihr zu antworten. Meistens tue ich dann einfach so, als sei erst der darauffolgende Mittwoch gemeint und oft, also naja manchmal, fällt das nicht mal auf.

Noch schlimmer als Einzelnachrichten sind solche Gruppen. Die stehen nämlich eh immer alle auf stumm und wenn ich dann einmal im Monat all meinen Mut zusammennehme, um hineinzuschauen, wird mir immer sofort ganz schwindelig ob der Masse an Nachrichten und ich muss das Handy ganz schnell wieder aus machen. Nachrichten wie „Hey, das Wetter ist schön. Wer kommt spontan mit in den Park?“ lese ich demzufolge einfach überhaupt nicht. Und mein armes Kind ist das einzige, das nachmittags wieder nur mit Mama und Schwester rumhängen muss, ganz egal bei welchem Wetter.

Ich bin so analog unterwegs, ich kann es selbst nicht fassen

Wenn ich jetzt so ausführlich drüber nachdenke, kommt mir ein echt richtig fieser Gedanke: Hinter meiner ganzen hippen Bloggerinnen-Influencer-Online-Spezi-Fassade bin ich nämlich offenbar so unglaublich analog und altmodisch unterwegs, dass ich es selbst nicht fassen kann. Denn wisst ihr, was bei mir am allerbesten wirkt? Ein Anruf! Am besten noch auf dem Festnetz. Wenn bei uns das Festnetz klingelt, wissen wir immer sofort, wer dran ist. Also, mit einer 50/50-Chance. Denn auf dem Festnetz rufen uns wahlweise meine Eltern an oder unsere treuen Freunde Biggi und Stefan.

Die einen sind um die 60, die anderen Mitte 30. Und trotzdem eint sie eine Gemeinsamkeit: Sie sind die analogsten Menschen, die wir kennen! Diese beiden Paare greifen auch im Jahr 2019 noch am liebsten zum Festnetztelefon. Und ich stelle hiermit offiziell fest: Ich liebe das! Denn wenn das Festnetztelefon klingelt, erschrecke ich mich jedes Mal so sehr, dass ich mit einer annähernd 100-prozentigen Wahrscheinlichkeit rangehe. Und wenn man dann schon mal dran ist, kann man sich auch direkt verabreden. Verbindlich. Zu einem festen Termin. Mit einer festen Uhrzeit.

Ich bin ein Kind meiner Sozialisation

Verabredungen übers Festnetztelefon sind so unglaublich 90iger – und es ist mir mit einem Mal völlig klar, dass ich ein Kind meiner Sozialisierung bin. Völlig logisch ist dann plötzlich auch, dass die zweite Sache, die ganz sicher bei mir wirkt, die Überrumpelungstaktik im Live-Format ist. Wenn Lothars Mutter mich auf dem Kita-Hof klipp und klar fragt: „Morgen, 14 Uhr, soll ich das Hübchen mitnehmen?“, kann ich sofort „Alles klar Ma’m!“ rufen und alles ist klar. Das ist dann so ähnlich wie 1995, als meine Freundinnen Anna und Janne an der Haustür unseres mittleren Reihenhauses klingelten und fragten: „Darf die Sophie rauskommen, spielen?“.

Vielleicht brauche ich also gar kein Coaching im Verabredungsmanagement. Sondern eher ein Coaching für moderne Kommunikationsformen. Oder ihr ruft mich ab sofort einfach alle nur noch übers Festnetz an. Und solange das nicht sicher klappt, überlasse ich dem Liebsten die Organisation sämtlicher „Playdates“ unserer Kinder. Der hortet auf seinem iphone nämlich sowieso sämtliche erhältliche Messenger-Arten. Und irgendwofür muss das ja gut sein.

* Alle Namen, außer meinem eigenen, wurden für diesen Artikel verfremdet.

4 Kommentare zu „Verabredungs-Managerin

  1. mimi

    Großartig, mir geht es ganz genau so! Ich habe zudem noch ein Handy und kein Smartphone, also wirklich ein Telefon, das What’s App-Unfähig ist, und wupp, habe ich wirklich nur mit den Freundinnen regelmäßige Kinderplaydates, die mich altmodisch per SMS anschreiben. Habe auch ein schlechtes Gewissen deshalb, die Kinder fragen auch ab und zu kann ich mal zu xyz, aber viel weniger, als ich das erwartet hätte. Und dann denk ich mir pfff, die Zeit, in der sie sich selbst verabreden können, kommt schnell genug, bis dahin passt es (hoffentlich) auch so…

    • Ja, auf die Zeit warte ich auch schon sehnsüchtig. ? Deswegen ist es uns auch wichtig, dass das Hübchen auf die Schule hier im Stadtteil gehen kann. Dann wohnen seine Freunde hoffentlich alle um die Ecke und sie können sich selbstständig besuchen. Ich sag dann nur noch: „Komm nach Hause wenn die Laternen angehen“. ?

      • Mimi

        Das hoffe ich auch, dass das Mal so wird! Und ich denk mir, dass die Kinder (zumindest bei mir) ja eh bis 2 bzw halb 3 mit Freunden in Schule/Kuga/Krippe sind, da ist die Zeit am Nachmittag eh kurz und viele Freunde bleiben länger in Betreuung, die fallen für Treffen eh weg…wir werden erst wissen, ob ihnen unsere Verabredungsinkompetenz geschadet hat, wenn sie uns mit ü20 dann Vorwürfe machen…

  2. Susanne

    Oh ich bin auch so schlecht im Verabreden! Das ist wohl auch der Grund, warum wir, solange die Kinder klein, sind wohl nicht umziehen werden. Viele Kinder im gleichen Alter wohnen auf der selben Straße und das ist auch noch eine Sackgasse (also wenig bis gar kein Autoverkehr). Im Sommer heißt das: Tür auf und raus, irgendwer ist bestimmt schon da oder kommt dann bald nach. Und das klappt sogar schon jetzt, mit nichtmal zwei. 🙂

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