Nur mit meiner Hebamme! – Plädoyer für eine sichere Geburtshilfe

Heute ist Welthebammentag. Und leider ist das kein Grund zum Feiern. Stattdessen wird der heutige 5. Mai bei uns in Deutschland zu Recht bundesweit zum Anlass genommen, um gegen die aktuelle Lage in der Geburtshilfe und Versorgung von Schwangeren, jungen Müttern und ihren Kindern zu protestieren. Denn es sieht nicht gut aus. Immer mehr Hebammen geben ihren Beruf auf – unfreiwillig. Und immer mehr Frauen sind gezwungen, ohne Hebammenbegleitung durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (die oftmals schwierigen Wochen direkt nach einer Geburt) zu gehen.

Die Gründe für den Hebammenmangel sind in erster Linie die stetig steigenden Haftpflichtversicherungen für freiberuflich arbeitende Hebammen. Hebammen, die Geburtshilfe leisten, jedoch nicht fest in Kliniken angestellt werden, sollen ab dem Sommer bereits über 6000 Euro jährlich allein für ihre Versicherung zahlen. Für viele Hebammen lohnt sich ihr Beruf dadurch schlicht nicht mehr – insbesondere dann nicht, wenn sie nur in Teilzeit oder in einer Dreiviertelstelle arbeiten.

Ohne freiberufliche Hebammen ist eine 1:1-Betreuung während der Geburt jedoch so gut wie unmöglich, denn eine 100-prozentige Sicherheit, eine lückenlose Geburtsbegleitung durch eine Fachkraft zu haben, hat eine Frau nur, wenn sie ihre „eigene“ Hebamme zur Geburt mitbringt (oder sie zum Beispiel für eine außerklinische Geburt Zuhause empfängt). Eine sogenannte Beleghebamme zu finden, ist mittlerweile fast reines Glücksspiel – dafür muss man sich am besten schon vor der geplanten Schwangerschaft darum bemühen und in der richtigen Stadt wohnen. In vielen Regionen Deutschlands, vor allem in den ländlichen, gibt es kaum mehr Hebammen, die die Strapazen für so wenig Geld auf sich nehmen.

Beleghebammen sind fast ausgestorben

Denn eine Beleghebamme steht auf Abruf und ist Tag und Nacht bereit, zu der werdenden Mutter zu fahren und ihr mit all ihrem Wissen und auch der emotionalen Unterstützung während der Geburt professionell zu helfen und beizustehen. Die Hebamme ist die Expertin für den Geburtsprozess, der von sich aus zunächst mal völlig natürlich und unter heutigen Bedingungen extrem risikoarm ist. Oder um es mit dem Gynäkologen Alfred Rockenschaub zu sagen:

„Die Hebammengeburtshilfe geht vom Aspekt der Assistenz für eine besondere weibliche Leistung aus, die Geburtsmedizin vom Aspekt der Korrektur von weiblicher Unzulänglichkeit.“ (Rockenschaub: Gebären ohne Aberglauben, S. 151)

Ohne freiberufliche Hebammen, die die Zeit mitbringen, sich einer gebärenden Frau ohne Unterbrechung zu widmen, sehen wir Frauen uns der Geburtsmedizin schutzlos ausgeliefert. Natürlich gibt es auch in Krankenhäusern Hebammen und bestimmt wollen die meisten von ihnen eigentlich mit viel mehr Zeit, Respekt und Sensibilität mit den gebärenden Frauen umgehen. Der Klinikalltag zwingt sie jedoch dazu, viele Regeln einzuhalten, die einem natürlichen Geburtsprozess im Wege stehen. Hebamme und Bloggerin Anja schreibt über die Problematik im deutschen Klinikalltag sehr eindrücklich in ihrem Blog und die zahlreichen Kommentare bestätigen ihre Erfahrungen und sollten besser nur mit sehr starken Nerven gelesen werden. Denn die Geburtsmedizin geht nicht gerade zimperlich mit den weiblichen Körpern um.

Ich will eine „eigene“ Hebamme haben!

Natürlich ist es hier angebracht, zu fordern: Aber dann müssen wir das Problem an der Wurzel packen! Dann müssen wir schon in den Kliniken anfangen und dort für bessere Bedingungen sorgen! Dann darf nicht die Wirtschaftlichkeit der Klinik im Vordergrund stehen, sondern endlich wieder die Frau und ihr Kind! Ja, unbedingt müssen wir irgendwann dahin kommen! Aber so lange dies nur ein frommer Wunsch ist, möchte ich bitte unbedingt auch beim nächsten Kind die Möglichkeit haben, eine „eigene“ Hebamme für meine persönliche Geburt zu haben, die sich nur, aber auch nur um mich und mein Baby kümmert.

Ohne freiberufliche Hebammen laufen wir in eine Zukunft, in der viel zu viele Frauen in völlig unterbesetzten Kreißsälen ihre Kinder quasi allein zur Welt bringen, sich dabei jedoch trotzdem an strenge medizinische Vorgaben halten müssen. Denn wer sollte auch die Kontrolle darüber haben, ob eine 3-stündige Pressphase noch in Ordnung ist, weil es Mutter und Kind gut dabei geht, wenn die diensthabende Hebamme keine drei Stunden Zeit hat, sich eben nur dieser einen gebärenden Frau zu widmen? Sichere Geburten kann es nur mit lückenloser Betreuung geben!

Bei guter Hebammenbetreuung ist der Geburtsort zweitrangig

Und an welchem Ort diese 1:1-Betreuung stattfindet, ist dann auch im Grunde völlig egal – Studien belegen, dass außerklinische Geburten keinesfalls risikoreicher sind als Geburten in Krankenhäusern (z.B. die von 2011, die sogar der Krankenkassenverband mitinitiiert hat). Völlig klar, dass eine gute Hebamme, die die gebärende Frau die ganze Zeit beobachtet und begleitet, Risiken abzuschätzen weiß und mit ihr ins Krankenhaus fährt, sollte dies notwendig sein. Denn die Medizin hat natürlich ihre Daseinsberechtigung und es ist ein Segen, dass im Notfall ein Kaiserschnitt Leben retten kann.

Ich möchte jedoch, das dies tatsächlich nur im Notfall passiert. Und nicht, weil mein Körper sich nicht in ein Schema pressen lässt, das Krankenhäuser gerne eingehalten wissen wollen. Nur weil meine Plazenta nach 30 Minuten nicht geboren ist, heißt das nicht, dass ich demnächst verblute. Nur weil mein Baby nach 60 Minuten Pressphase noch nicht geboren ist, heißt das nicht, dass es feststeckt. Jede Frau ist anders, jeder Körper ist anders. Das hier funktioniert leider nicht nach Schema F!

Die Medizin will Frauen ein ein Schema pressen

Umso schlimmer, dass der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen nun die Spielregeln für außerklinische Geburten strenger fassen will. Angedacht ist wohl, dass eine Überschreitung des errechneten Geburtstermins um nur einen Tag eine Kostenübernahme für die Hebamme durch die Krankenkassen ausschließt. Wissenschaftlich gesehen ist das schlicht Unfug, denn eine völlig normale Schwangerschaft endet meist zwischen der 38. und der 42. Woche, damit sind auch alle Kinder, die bis zu 14 Tage nach dem errechneten Termin geboren werden sogar für Ärzte zunächst mal überhaupt keine „Risikopatienten“, sondern einfach völlig normal.

Frauen sollen sich also gefälligst in einen ordentlichen Rahmen pressen lassen. Sie sollen sich den strengen Regeln unterordnen, die Ärzte und Krankenkassen für sie erfinden. Man muss keine Feministin sein, um das nicht gut zu finden. Denn mit einer sicheren, natürlichen Geburt hat so ein strenger Regelkatalog nichts mehr zu tun. Weil die sicherste Geburt immer noch die ist, bei der eine Frau auf die Gebärfähigkeiten ihres eigenen Körpers vertrauen darf und dabei auf professionelle Unterstützung durch eine Expertin für Geburtshilfe setzen kann. Weil jede Frau anders ist. Weil Geburten Zeit und Ruhe brauchen. Ohne 1:1-Betreuung durch eine Hebamme wird eine Geburt zu einem Risiko, das völlig vermeidbar wäre.

Es muss endlich eine dauerhafte Versicherungslösung geben. Hebammenhilfe muss gewährleistet werden – und zwar unabhängig vom Geburtsort. Und deswegen müssen wir weiterhin unsere Forderungen stellen und Politiker und Krankenkassen so lange zusetzen, bis sie uns endlich hören. Ein guter Anfang ist es, diese Petition zu unterschreiben und sich dem Elternprotest anzuschließen. Ich habe keine Lust, dass andere darüber bestimmen, wie und wo ich mein eigenes Baby zu gebären habe. Ihr etwa?

Ein Kommentar zu „Nur mit meiner Hebamme! – Plädoyer für eine sichere Geburtshilfe

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