Wie ich meinem Sohn einmal keine pinken Schuhe kaufte

Das Hübchen hat ein Paar neue Schuhe. Schön kuschelig mit echter Wolle gefüttert, sollen sie ihn durch den nasskalten Ruhrgebiets-Winter tragen. Die Schuhe sind hübsch, wasserdicht und haben eine Barfuß-Sohle, erfüllen also alle von mir an ordentliche Winterschuhe gestellten Bedingungen. Und trotzdem geht es mir immer ein bisschen schlecht, wenn ich die Schuhe anschaue. Denn: Sie sind braun. 

Das Hübchen ist ja jetzt schon drei Jahre alt (und das finde ich immer noch ein bisschen verrückt) und damit selbstverständlich in einem Alter, in dem er sich seine Kleidung gerne selbst aussucht. Am liebsten würde er täglich seine Fuchs-Jogginghose anziehen (die habe ich euch übrigens hier mal vorgestellt) und manchmal braucht es große Überredungskünste, ihn von Jeans zu überzeugen. Ich komme schließlich aus einem ordentlichen Elternhaus und habe von meiner Mama gelernt: Mit Jogginghose geht hier keiner vor die Tür! Und dieses eiserne (und einzige) Gesetz zur Kleiderordnung wird auch in meiner Familie gefälligst eingehalten – komme, was wolle!

Ansonsten darf das Hübchen aber gerne mitbestimmen, was es so tragen will. Also frage ich ihn gerade vor teureren Anschaffungen (zu denen Schuhe ja gehören, ihr kennt die vierteljährliche Ernüchterung) nach seiner Meinung. Ich zeige dem Hübchen also neulich das Schuhmodell, auf das meine Wahl bereits gefallen ist: Schlicht, braun, ergonomisch und warm gefüttert. Dem Hübchen gefällt’s. Ich bin erleichtert. Aber dann entdeckt er das kleine Bild unter der Schuhbeschreibung – da, wo man andere Farbvarianten anklicken kann. „Ich will die pinken!“, ruft das Hübchen.

Denn klar, die hübschen Winterschuhe gibt es in einer Jungs- und einer Mädchenvariante, wie mittlerweile fast alles. Die pinke Variante ist eigentlich noch relativ schlicht: In dunklem Pink und ohne Glitzer und Blingbling. Eigentlich gefallen die mir auch. Gleichzeitig habe ich mich im Kopf aber schon auf das braune Modell festgelegt: Passt zu allem, sieht schlichter aus – und auch: bietet keine Angriffsfläche für Spott.

Angst vor Spott

Denn der wahre Grund, warum ich meinem Sohn keine pinken Schuhe kaufen will, ist: Ich habe Angst, dass er in der Kita von den älteren Jungs für seine pinken Schuhe ausgelacht wird. Und dass er sie dann nicht mehr anziehen will. Und dass wir in der Folge 75 Euro in den Wind geschossen haben, für ein paar Schuhe, die das Hübchen zwar unbedingt haben wollte, für die er sich bald darauf aber schon schämen könnte.

„Weißt du“, erkläre ich dem Mann später, „wenn das Hübchen noch in die kleine Tagesmuttergruppe gehen würde, mit den anderen kleinen Kinder in seinem Alter, ich hätte ihm sofort die pinken Schuhe gekauft. Aber jetzt, in der großen Kindergruppe, mit den älteren Kindern, wo die männliche Hälfte andauernd „Feuerwehrmann Sam“ singt und die weibliche Hälfte sich als Prinzessinnen verkleidet – das ist mir einfach zu heikel.“ Der Mann stimmt zu. Er möchte nicht, dass ich ein schlechtes Gewissen habe. Und er möchte auch nicht 75€ für Spott-Schuhe ausgeben.

Aber in Wahrheit fühlen wir uns beide schlecht. Wir geben uns die größte Mühe, unseren Sohn geschlechterneutral zu erziehen. Wir bestärken ihn in allen Spielen, egal ob mit Autos oder Puppen. Bei seiner Tagesmutter hatte er ein Lieblingskostüm: ein orangenes Prinzessinnenkleid, in dem er ganz entzückend aussah! Gleichzeitig ist er oft ein „richtiger Jung“, wie meine Oma gesagt hätte: spielt gerne Fußball (hoffnungsvoller Linksfuß!), liebt Baustellen, tobt viel und wild. Und das darf er auch. Wir wollen ihn einfach so sein lassen, wie er ist.

Ich will nicht Teil des Wahnsinns sein!

Und dazu würde eigentlich auch gehören, seine Lieblingsfarben zu akzeptieren. Und die sind nun mal pink und grün. In Grün gab es die Schuhe nicht, dann sollte es eben pink sein. Durch meinen Einfluss wurden es am Ende aber doch die braunen. Als das Päckchen kam, leuchteten Hübchens Augen hoffnungsfroh. „Deine neuen Schuhe!“, rief ich. Und das Hübchen: „Die pinken?!“. Mir wurde ganz schlecht. Zum Glück ist das Kind nicht nachtragend und mag seine neuen Schuhe auch in braun.

Aber mir bleibt das schlechte Gewissen, dass ich eine Mutter bin, die ich niemals sein wollte. Eine, die mitmacht in dem Gender-Wahnsinn. Die dafür sorgt, dass ihr Sohn bloß nicht auffällt, sondern sich unsichtbar in die Masse an blau-grau-braun gekleideten kleinen Jungs einfügt, die mit Baggern spielen und Feuerwehrmänner bewundern.

Klar hätte es sein können, dass andere Kinder sich über das Hübchen in pinken Schuhen lustig machen. Aber dann hätten wir als Eltern unseren Sohn darin bestärken können, das zu tragen, was ihm gefällt und auf die engstirnige Haltung der anderen zu pfeifen. Das ist vielleicht etwas komplex für einen Dreijährigen, aber die Grundeinstellung einer bestärkenden Haltung können auch kleine Kinder schon sehr gut verstehen, oder nicht?

Für mich steht jetzt also fest: Wenn das Hübchen mal wieder pinke Schuhe haben will (oder lila Pullover oder rosa Hosen), soll er sie bekommen. Nur blinkende Schuhe, die stehen wirklich und endgültig auf der Never-ever-Liste! Zusammen mit den Jogginghosen außerhalb der eigenen vier Wände. Weil so ein bisschen Erziehung muss schon sein. Und guter Geschmack ist schließlich nicht angeboren.

5 Kommentare zu „Wie ich meinem Sohn einmal keine pinken Schuhe kaufte

  1. Tine

    Ein schöner Text – ich weiß gar nicht wie ich reagieren würde (mein Sohn ist noch zu klein, fängt gerade erst mit dem Sprechen an). Ich mag dieses Gender Ding auch nicht, verstehe aber was du meinst. Also ich weiß nur noch, dass z.B. mein großer Bruder immer aud die Frisuren meiner großen Schwester neidisch war und tagelang dann mit Zöpfchen in den Kindergarten gegangen ist. Ich glaube, wenn die Reaktionen so schlimm gewesen wären, dann hätte er es nur einmal gemacht. Er ist auch ab und an, so meine ich, in Kleid zum Kindergarten. Ich finde es nicht schlimm, aber verstehe wie gesagt was ihr meint. 75 Euro sind eine Menge Geld, wenn er sie nachher nicht mehr tragen mag. Aber unsere Aufgabe ist es ja auch, dass wir unsere Kinder zu selbstbewussten kleinen Menschen erziehen. Echt schwierig…

  2. Doreen

    Und mal wieder ein Thema, was auch hier beschäftigt. Unser großer Kleiner I. LIEBT pink, und er hat: eine pinke Zahnbürste (liebt er, mit Anna und Elsa Motiv 😉 eine pinke Jacke (mag er nicht so doll), pinke Schuhe (DER Hit schlechthin). Er wird darauf angesprochen, nimmt es ganz locker.
    Er zieht weiterhin keine Jeans an und bisher sind wir mit 2 Hosen durch den Herbst/ Winter gekommen, beide Wollwalk braun und orange mit fetzigen Aufnähern 😉 (Zu Weihnachten bekommt er die 2. Wollwalkhose, geht bis Gr 126).
    Alles wird gut

  3. Dumme Rosahellblauscheiße. Aber ein schlechtes Gewissen zu haben, weil man seinem Sohn keine pinken Schuhe gekauft hat oder – andersherum – weil man der Tochter einen Puppenherd geschenkt hat (hab ich anderenorts gelesen) kann es ja irgendwie auch nicht sein. Bin gespannt, wann Du dann die erste pinkfarbene Hose für Hübchen kaufst! Erwarte Berichterstattung!

  4. Doreen

    Da musste ich noch mal an deinen Text denken…

    Kindersprache von Groß I. 3 Jahre und 3 Monate über baby N 6 Monate

    Baby N sieht aus wie ein Mädchen. Ich: Warum? Er: Na weil er so einen Mädchenpulli anhat. Ich: Hm? Er: Na der ist rosa. Ich: Und? Er: Na Mädchen mögen rosa und pink. Ich: Du doch auch=? Er: Ja das stimmt. Ich (wissend, dass solche Sprüche eigentlich immer von Erwachsenen oder aus dme Kiga kommen und er vorallem in Nachplappern glänzt): Wer sagt sowas immer? Er: Stefanie (anderer Erwachsene, die hier mit uns wohnt und vor allem durch traditionelle Werte besticht :-)) Ich: Aha

    :knicks:

  5. Kann ich gut nachvollziehen. Ich würde meinem Sohn auch keine pinken Schuhe kaufen aus Angst er könnte damit verspottet werden. Als Elternteil möchte man schließlich verantwortungsbewusst handeln und sein Kind schützen. Da muss man dann eben auch nein sagen, wenn es das beste für den Sohn ist.

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