Was ist Luxus: Geld oder Zeit?

Was gehört eigentlich zu einem guten Leben? Ein schöner Wohnort? Vielleicht sogar eine eigene Wohnung? Oder gleich das Haus mit Garten? Freistehend oder Reihenhaus? Urlaub? Und wenn ja: Holland oder Bali? Nordsee oder Côte d’Azur? Luxus? Geld? Konsum? Und wie sollen wir uns das eigentlich alles leisten? Der Mann und ich, wir sind da realistisch. Und träumen vor allem von einer Sache: Zeit! Mehr Zeit für uns als Familie, für uns als Paar und vor allem: für unsere Kinder.

Angestoßen wurden meine Gedanken heute von einem Text auf dem Blog 2KindChaos. Dort schreibt Frida über ihr Dilemma, dass ihre Familie mit dem derzeitigen Gehalt sogar Probleme hat, vernünftigen Wohnraum zu finden. Und wie könnte die Lösung aussehen? Noch mehr arbeiten, um dann aber im Umkehrschluss weniger Zeit für die Familie zu haben? Frida fasst zusammen:

Man ist als Normalverdiener entweder gezwungen, Vollzeit zu arbeiten und die Kinder outzusourcen, oder man lebt an der Armutsgrenze.

Aus der negativen Wortwahl „outsourcen“ liest man schon ganz gut raus, worum es Frida geht: Irgendwie kann das doch nicht die Lösung sein! Nun ist es nicht immer so dramatisch, dass Familien sich nur mit zwei Vollzeitgehältern überhaupt eine ordentliche Mietwohnung leisten können. Denn wie in meiner Einleitung beschrieben, geht es oft auch „nur“ um eine Sinnfrage: Was müssen, was wollen wir uns alles leisten, um uns wohl in unserem Leben zu fühlen?

Ich möchte das Ganze daher mal von einer anderen Seite her betrachten und mich fragen: Wo liegen eigentlich die Prioritäten von Familien, in denen es nicht darum geht, ob die Miete bezahlt werden kann? Wie gewichten wir Dinge wie Status, Luxus und eben auch Zeit, wenn es ganz grundsätzlich am Geld nicht mangelt?

Was bedeutet eigentlich „Luxus“ für uns?

Der Mann und ich, wir haben zum Beispiel das Glück, angemessen zu verdienen. Obwohl wir es uns im Moment leisten (müssen), dass ich verhältnismäßig wenig arbeite (vor allem wegen der unzureichenden Betreuungszeiten fürs Hübchen), nagen wir nicht am Hungertuch. Und leben auf der anderen Seite auch nicht in Saus und Braus. Schöner Wohnraum in einem angenehmen Stadtviertel hat für uns Priorität, Fernreisen oder der Konsum von Luxusartikeln zum Beispiel weniger.

Mein Ziel ist es langfristig ganz sicher, wieder mehr zu arbeiten. Für uns ist aber ganz klar: Das Ziel „mehr arbeiten“ hat keinesfalls den alleinigen Zweck „mehr Geld“. Im Gegenteil träumen wir davon, Arbeits- und Freizeiten in Zukunft gleichberechtigter aufteilen zu können. Würde ich mehr arbeiten und mehr Geld verdienen, könnte der Mann dafür zum Beispiel weniger arbeiten und weniger verdienen.

Mehr Zeit!

Die Elternzeit ermöglicht uns bald dankenswerterweise einen ersten Testlauf: Nach zwei Monaten gemeinsamer Elternzeit wird der Mann wieder arbeiten, denn sonst würde es für uns wahrlich finanziell knapp. Dank Elterngeld Plus gönnt der Mann sich jedoch für das restliche erste Lebensjahr des Babys eine Vier-Tage-Woche. Und ganz ehrlich: Wir können uns sehr gut vorstellen, dass wir uns nach dem einen Jahr so sehr an diesen Luxus gewöhnt haben, dass wir nach Möglichkeiten suchen werden, das langfristig beizubehalten.

Denn ja, Luxus bedeutet für uns in erster Linie: Mehr Zeit! Und damit meinen wir eben nicht mehr Mutter-Kind-Zeit gemäß dem alten Alleinverdiener- und Rollenmodell „Er Vollzeit, Sie Hausfrau“. Wem das gefällt – von mir aus. Ich würde schlicht verrückt werden. Der Mann ist eh die bessere Hausfrau – und meistens auch der geduldigere und langmütigere Elternpart.

Es gibt sie noch: Die Wochenend-Papas

Wie verbreitet das Alleinverdiener-Modell jedoch nach wie vor ist, erfahre ich zufällig manchmal durch meinen Job. Da arbeite ich nämlich oft mit mittelständischen Unternehmen zusammen. Meine Ansprechpartner sind – Überraschung! – meistens Männer. Manager, Bereichsleiter oder Geschäftsführer, die mir fast immer sympathisch sind. Bodenständiger Mittelstand eben.

Wie das so ist, erfährt man am Rande auch ein bisschen was Privates übereinander. Und ich bin immer wieder überrascht, wie viele dieser beruflich erfolgreichen und gut verdienenden Männer im besten Alter für ihre Jobs lange Pendelstrecken auf sich nehmen – manchmal sogar Wochenendpendelei. Papa hier, die Familie dort. Dieses Modell scheint nach wie vor gar nicht so selten.

Ich sehe, dass diese Männer in ihren Berufen aufgehen. Aber ich vermute auch, dass da Familien wenig Zeit miteinander verbringen. Dass da Kinder mit Feierabend- und Wochenendpapis aufwachsen. Und ich frage mich: Wofür? Für ein tolles Manager-Gehalt? Für vier Mal im Jahr Urlaub? Einen schicken Audi? Für ein hübsches Stadthaus und ein Ferienhaus auf dem Land? Vielleicht verschätze ich mich auch und die Gehälter erlauben gar nicht derart große Sprünge. Trotzdem denke ich am Ende immer: Nee! Das wäre es mir nicht wert!

Wiegen Geld und Status die fehlende Zeit auf?

Wenn es wie in Fridas Beispiel tatsächlich darum geht, überhaupt die Miete bezahlen zu können – klar! Dann ist es keine Frage von Wollen, dann ist das viele Arbeiten und das wenige Die-Familie-sehen leider, leider ein Zwang (für den ich mir im Übrigen auch von Seiten der Politik ein paar mehr Lösungsansätze wünsche, aber das ist ein anderes Thema). Wenn es aber irgendwann nur noch um ein „mehr“ an Geld geht, dann reichen meine intellektuellen Fähigkeiten wohl einfach nicht aus, um die Beweggründe zu verstehen.

Natürlich kann ich mir gut vorstellen, dass man in so einen fordernden Arbeitsalltag auch gerne mal rein rutscht. Manager oder Geschäftsführer wird man ja eher nicht „einfach so“, sondern weil man in 50-,  60- oder 70-Stunden-Wochen sehr viel Zeit investiert hat. Zeit, die nicht weniger wird, nur weil man jetzt Kinder hat. Die Idealistin in mir sagt aber auch: Wie großartig wäre es denn, wenn all diese beruflich erfolgreichen Männer mit der Geburt ihrer Kinder beim Unternehmen mehr Freizeit einfordern würden? Wenn sich vielleicht sogar zwei Arbeitskräfte im Team eine wichtige Stelle teilen könnten?

Leider sehe ich nach wie vor viele Familien, in denen es den Vätern kaum etwas auszumachen scheint, kein sehr aktiver Part des Familienlebens zu sein. Und ich komme nicht umhin, mich dann immer wieder zu fragen: Spielen Geld und Status da wirklich eine wichtigere Rolle als Zeit mit der Familie?

Dann eben keine Eigentumswohnung!

Ich bin ziemlich froh, dass ich da mit dem Mann nicht diskutieren muss. Gemeinsame Zeit steht für uns beide an erster Stelle. Und wir wissen unser Glück durchaus zu schätzen, dass wir uns diese Zeit auch finanziell leisten können. Vielleicht werden wir nie unsere eigene Wohnung bewohnen – oder wenn, dann wird diese eher klein ausfallen. Sehr wahrscheinlich werden wir auch in den nächsten zehn Jahren nicht nach New York fliegen, sondern günstigen Urlaub innerhalb Europas machen. Und ganz sicher werden wir auch weiterhin ein sehr konsumbewusstes Leben führen und unser Geld nicht für Schnickschnack ausgeben.

Aber wenn wir dafür als Familie enger zusammenleben und insgesamt mehr Zeit miteinander verbringen verbringen können, fällt uns das zum Glück nicht schwer.

8 Kommentare zu „Was ist Luxus: Geld oder Zeit?

  1. Nora

    Mein Mann ist auch einer der oft so geschmähten Wochenendpapis. Heißt, er arbeitet und lebt von Montag bis Donnerstag in einer anderen Stadt. Aber: Anders als manche andere Väter widmet er seine freie Zeit fast ausschließlich der Familie. Was unter der Woche manchmal an Entlastung fehlt, wird am Wochenende wieder wettgemacht. Und wenn Not am Mann ist, kann er es fast immer einrichten, mich „außer der Reihe“ zuhause zu unterstützen. Das ist mehr, als ich in anderen Familien beobachte. Da ist der Papa zwar um fünf zuhause, aber dann trotzdem anderweitig beschäftigt. Oder er arbeitet vor Ort, aber kommt erst heim, wenn die Kinder schlafen. Und ja, wir machen teure Urlaube und haben ein Haus, wir gehen gerne auswärts essen und haben zwei Autos. Ob es „das wert ist“, vermag ich nicht zu beantworten. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir unser Leben mit all seinen Annehmlichkeiten trotz der Einschränkungen genießen. Und ein glückliches Kind haben. Und darauf kommt es doch an, oder? Ich finde es manchmal ein bisschen schade, wie abfällig und wertend über Familien bzw. Väter gesprochen wird, die nicht 50% der Kinderbetreuung bzw. Versorgung übernehmen. Das macht diese Familien und Väter nicht automatisch schlechter.

    • Liebe Nora, danke für deinen Kommentar, der mal die andere Perspektive zeigt. Ich finde es ganz super, dass du dich hier zu Wort meldest, weil natürlich ist jede Familie anders und empfindet andere Modelle als passend.

      Ich habe im Text versucht, unsere eigene Perspektive darzulegen und möglichst nicht abwertend der anderen Seite gegenüber rüberzukommen. Aber das ist sicherlich ein schmaler Grad. ?

      Es stimmt in der Tat, dass es mir persönlich schwer fällt, Wochenendpapa-Modelle zu verstehen. Denn wie geschrieben würde uns das einfach nicht reichen. Aber Menschen sind ja zum Glück verschieden und was für den einen ein Alptraum ist, kann für den anderen wunderbar funktionieren.

      • Nora

        Danke für dein Feedback, liebe Sophie. Ja, so sehe ich es auch. Familien funktionieren einfach unterschiedlich. Für mich ist es beispielsweise nicht vorstellbar, mein Kind ganztägig fremdbetreuen zu lassen. Da habe ich Probleme, eine solche Entscheidung zu verstehen und mir würde es wiederum nicht reichen, nur wenige Stunden am Tag mit meinem Kind zu verbringen. Wir haben einen 35 Stunden-Platz, ich arbeite jeden Tag fünf Stunden und für uns ist das genau richtig so. Unterm Strich hat unsere Tochter wahrscheinlich mehr „Eltern bzw. Mama-Zeit“ als manche Kinder, deren Papa zwar abends da ist, die aber ganztägig in der Kita betreut werden. Natürlich weiß ich, dass es eine privilegierte Situation ist, das so handhaben zu können. Und für so manche Frau mag das auch unemanzipiert klingen, aber für mich geht es in Ordnung. Ich habe auch in Teilzeit das Gefühl, dass ich mein Studium nicht nur aus Spaß an der Freude absolviert habe und dass ich meine Fähigkeiten einsetze, um etwas zum Familieneinkommen beizusteuern. Aber das ist jetzt wieder ein anderes Thema 😉 Alles Gute für dich und liebe Grüße aus MH nach E 🙂

    • Der springende Punkt ist doch nicht was andere Väter machen. Ob sie nur 20 Stunden arbeit, 60 Stunden in der Woche oder Montag bis Freitag in einer anderen Stadt leben. Der Punkt ist, dass die Familie glücklich und zufireden sein muss, egal wie die Situation ist. Wenn die freie Zeit für die Kinder genutzt wird, ist das in meinen Augen Ideal und völlig egal, wie viel gearbeitet wird.
      LG
      Leo Berg

  2. Käthe

    Hier fühle ich mich doch geradezu aufgefordert, etwas beizutragen, da Duj a, so wie ich das verstanden habe, wirklich gerne wissen willst, welche Gründe zu den oben beschriebenen Modellen – sprich: lange Arbeitszeiten der Männer mit entsprechend wenig Zeit für die Familie – führen. Bei uns ist es auch so. Nicht, weil wir eine bestimmte Summe Geld haben wollen, sondern weil man Mann Steueranwalt ist und in einer dieser Großkanzleien arbeitet, bei dem eine 50-Stunden-Woche normal ist und erwartet wird, und in der eben nicht so viele Mitarbeiter eingestellt werden, dass sie 40 Stunden oder weniger arbeiten können. Das ist da das Modell – auch wenn mich das frustriert und ich es in der Sache nicht nachvollziehen kann. Ein Einzelner kann es halt auch nicht ändern. Als Alternative bliebe nur der Wechsel in einen völlig anderen Beruf. Das aber möchte mein Mann nicht, da ihm dieser Beruf viel Spaß macht und er seine mit viel Zeit und Lernerei erworbenen Zusatzqualifikationen nur dort voll einsetzen kann. Ich habe mich damit abgefunden, ich kann ihm ja nicht vorschreiben, welchen Beruf er ergreifen soll. Und DIESEN Beruf – nämlich Steueranwalt – gibt es eben nur in der Variante mit den vielen Stunden. Auch wenn ich es sehr bedaure.

    • Danke für die Einsicht in euer Leben! Mich macht es irgendwie traurig, dass es tatsächlich nach wie vor solche Berufe gibt „in denen das halt so ist“. Ich kann es total nachvollziehen, dass dein Mann den von ihm erlernten Beruf natürlich nicht aufgeben will, vor allem wenn er ihm auch noch so viel Freude macht. Für mich ist es einfach ein Fehler im System! Es MUSS doch einfach möglich sein, einen solchen Beruf mit weniger Zeiteinsatz auszuüben! Aber da bräuchte es wohl sehr viel Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn der gesamten Kanzlei, innovative Geschäftsführer mit ein bisschen Mut und und und… Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Männer und Väter es irgendwann schaffen, gemeinschaftlich dafür zu kämpfen, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Und wer weiß, vielleicht gehört dein Mann ja dann zu vorderster Front? 😉

      • Käthe

        Ja, diese Systemveränderung wünsche ich mir auch. Ich weiß allerdings nur von einer „High End“/Großkanzlei, wo die Anwälte auch in Teilzeit arbeiten können. Wobei das dann wahrscheinlich nicht diejenigen sin, die Partner werden – so genau weiß ich das aber nicht. Mein Mann hat beim ersten Kind zwei Monate Elternzeit genommen, und damit war er der erste, der das in der Kanzlei gemacht hat. Das war 2011, seitdem haben es, glaube ich, einige wenige auch gemacht. Fazit bis hierher also: wenn es überhaupt Fortschritt gibt, dann ist er sehr, sehr langsam.

  3. Käthe

    P.S.: Um noch das volle Bild zu beschreiben: Ich arbeite in Teilzeit und bin damit auch zufrieden, da ich ja auch ein paar Stunden am Tag mit meinen noch recht kleinen Kindern verbringen will. Und eben will – ich träume nicht von einer Vollzeitstelle, auch wenn ich schon hoffe, dass ich in ein paar Jahren meine Stundenzahl (derzeit 27) etwas erhöhen kann. Natürlich wäre mein Leben weniger stressig, wenn ich mir die Organisation des Alltags und die Kinderbetreuung mehr mit meinem Mann teilen würde – das fände ich sehr schön. Nur würde ich auch, wenn das möglich wäre, nicht vollzeit arbeiten wollen. Glücklicherweise habe ich einen Arbeitgeber, bei dem das alles möglich ist.

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