Und das nächste Kind per Alleingeburt…?

Ich weiß nicht mehr weiter. Eigentlich hatten der Mann und ich gerade angefangen, darüber nachzudenken, wann wir uns ein zweites Kind wünschen. Im nächsten oder besser im übernächsten Jahr? In welchem Monat? Was wird es wohl werden? Wir hatten Pläne geschmiedet, langfristig gedacht, sogar schon unsere Vorfreude genossen. Jetzt aber mischt sich in unsere frohen Gedanken eine stumpfe Angst: Die Angst, beim nächsten Kind nicht mehr entscheiden zu können, wo es zur Welt kommen soll.

Der Mann und ich, wir haben die problematische Lage in der Hebammenversorgung in den letzten Jahren beobachtet und uns gesorgt. Ich habe begonnen, mich im Elternprotest zu engagieren, um auch aktiv für mein Recht zu kämpfen, während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit sicher durch eine Hebamme versorgt zu werden. Für uns als Familie haben wir sogar finanziell vorgesorgt und zahlen monatlich auf ein Sparkonto ein, weil wir schon seit langem befürchten, dass Hausgeburten bald ein privater Luxus werden und die Krankenkassen die Kosten nicht mehr übernehmen. Was jetzt passiert ist, ist aber noch viel schlimmer:

Zwangsuntersuchung 3 Tage nach Geburtstermin

Eine Schiedsstelle hat nun entschieden, dass schwangere Frauen, die ihr Kind mit einer Hebamme Zuhause bekommen wollen, sich bei dreitägiger Überschreitung des errechneten Geburtstermins (ET+3) zwangsuntersuchen lassen müssen. Ein Arzt muss dann nämlich einer außerklinischen Geburt zustimmen. Tut er das nicht, ist die Frau gezwungen, in der Klinik zu gebären.

Es geht nämlich nicht mehr allein um die Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Die Hebamme privat zu bezahlen, hilft nichts, denn: Betreut die Hebamme trotz „Nein“ des Arztes die Frau während einer Hausgeburt, droht ihr der Ausschluss aus dem Krankenkassenvertrag sowie eine hohe Vertragsstrafe. Logisch, dass Hebammen unter diesen Umständen keine Hausgeburten mehr begleiten können.

Perfide neue Regelung

Die Perfidität dieser neuen Regelung entsetzt mich. Ärzte werden bei der Zwangsuntersuchung nach ET+3 mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit keine Zustimmung zur Hausgeburt geben, weil sie selbst Klagen fürchten müssen, sollte bei der entsprechenden Geburt etwas schief gehen. Dem Arzt wird dann eine Mitschuld gegeben – er hätte ja auch „Nein“ sagen können.

Als aufgeklärte Frau weiß ich zwar, dass ET+3 keine Gefahr darstellt, da eine normal verlaufende Schwangerschaft bis mindestens ET+14 allgemein völlig im natürlichen Rahmen liegt. Wenn ich das vorsorgliche „Nein“ des Arztes aber ignoriere, stehe ich plötzlich ganz allein da. Denn meine Hebamme kann mich dann nicht mehr betreuen. Mit dem „Nein“ des Arztes wird ihr von den Kassen nun im Grunde verboten, mich zu betreuen.

Klinik oder Alleingeburt?

Das ärztliche „Nein“ soll mich dann also in die Klinik zwingen. Und ich stehe nun vor der verzweifelten Frage, was ich beim nächsten Kind tun soll: Mich in die Klinik zwingen lassen oder ohne Hebamme allein Zuhause gebären? Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird auch mein zweites Kind erst einige Tage nach ET geboren werden. Und auch wenn mein Kind früher auf die Welt will, werde ich vermutlich gar keine Hausgeburtshebamme mehr finden, weil mit der neuen Regelung die noch verbliebenen Hebammen die außerklinische Geburtshilfe völlig aufgeben werden, was ihnen keiner verdenken kann.

Denn wo bleibt die Planungssicherheit, wenn die Hebamme nie weiß, welche Kinder vor ET+3 kommen und welche nicht? Welche Geburten wird sie begleiten dürfen und welche nicht? Dieser Zustand ist für die Hebammen völlig unzumutbar, gerade auch finanziell. Das Ergebnis ist: Frauen, die sich eine Hausgeburt wünschen, stehen bald völlig allein da. Und viele werden sich mit Sicherheit dieselbe Frage stellen, die ich mir stelle: Riskiere ich eine womöglich unglückliche Klinikgeburt? Oder riskiere ich lieber eine unbegleitete Alleingeburt?

Was tun bei schnellen Geburten?

Bei mir spricht vieles für zweiteres. Die Geburt meines Sohnes fand ungeplanterweise Zuhause statt, da die Wehen von 0 auf 100 gingen und ich in Höchstgeschwindigkeit in die sogenannte Übergangsphase rutschte, an die sich die Presswehen anschlossen. Meine Beleghebamme kam zum Glück zu mir nach Hause und begleitete mich gemeinsam mit einer Kollegin durch die durchaus anstrengenden drei Stunden, in denen ich meinem Baby auf die Welt half.

Die sogenannte Austreibungsphase mit Presswehen dauerte in meinem Fall also ganze drei Stunden, wobei ich mich jedoch gut fühlte, der in regelmäßigen Abständen kurz kontrollierte Herzschlag meines Sohnes ruhig blieb, ich mich frei bewegen durfte und keiner versuchte, die Geburt unnötig voranzutreiben. Dass mein Baby 4700 Gramm wog, wusste während der Geburt keiner von uns und es war uns auch egal. Heraus kam es ja trotzdem und zwar vielleicht auch aufgrund der Langsamkeit des Geburtsverlaufs ohne große Verletzungen.

Angst vor der Klinikgeburt

Ich habe große Angst, dass ein solcher Geburtsverlauf in einer Klinik nicht toleriert würde. In Kliniken gelten Pressphasen zwischen 30 und 60 Minuten als „normal“; bei allem, was länger dauert, wird gerne eingegriffen. Ich möchte keinen Dammschnitt riskieren, keine auch fürs Kind traumatische Saugglockengeburt, keinen Kristellergriff oder sonstige gewaltsame Eingriffe.

Ich möchte einfach nur mit Zeit und Ruhe mein Kind gebären können. Ich habe außerdem die Befürchtung, dass Ärzte mich schon vor Beginn der Geburt zu einem Kaiserschnitt überreden wollen, da bestimmt auch mein nächstes Kind deutlich über 4 Kilo wiegen wird. Große und schwere Babys liegen bei mir in der Familie. Rausgekommen sind sie aber trotzdem alle – und in den meisten Fällen auf völlig natürliche Art.

Am liebsten in der gewohnten Umgebung

Meine vielleicht größte Angst vor der Klinikgeburt ist jedoch, dass ich in einem Krankenhaus buchstäblich gar nicht gebären kann. Für eine Geburt brauche ich Ruhe, Entspannung, Selbstvertrauen, eine gewohnte Umgebung und vertraute Personen und ich befürchte, dass ich all das in einer Klinik nicht oder nur unzureichend finden würde. Das liegt vielleicht auch in meiner individuellen Natur begründet, denn ich bin ein sehr kontrollierter Mensch, dem es manchmal schwer fällt, alles loszulassen und sprichwörtlich die Kontrolle abzugeben. Dabei ist genau das bei einer Geburt so wichtig!

Ich gebe die Kontrolle natürlich nicht an andere Menschen ab, sondern an meinen eigenen Körper, der intuitiv und natürlich mein Baby hervorbringt. Ich habe große Angst, meiner Intuition und meiner natürlichen Gebärfähigkeit mit einem Ortswechsel und fremden Menschen um mich herum keinen freien Lauf lassen zu können.

Ich will doch nur eins: Sicher und mit Ruhe Zuhause gebären!

Wenn ich all diese Ängste betrachte, erscheint mir die Lösung klar: Ich bleibe beim nächsten Kind lieber allein Zuhause und bekomme gemeinsam mit dem Mann unser Baby mit Zeit, Ruhe und Selbstvertrauen allein. Beim ersten Kind ging schließlich alles gut, warum sollte es beim zweiten anders sein?

Dann erinnere ich mich aber wieder daran, dass es während der Geburt meines Sohnes etliche Momente gab, in denen ich zweifelte und in denen ich für die Sicherheit dankbar war, zwei Fachfrauen für Geburtshilfe an meiner Seite zu haben. Meine Hebammen versicherten mir während der Geburt, dass alles normal lief, gaben mir Tipps, schützten meinen Damm, untersuchten die Plazenta und versorgten den Nabel meines frisch geborenen Babys.

Und deswegen werde ich so unendlich wütend, denn ich möchte auf diese Unterstützung während der Geburt nicht verzichten müssen! Ich möchte während der Geburt nicht zweifeln müssen oder Angst kriegen, dass doch eine Komplikation eintreten könnte. Ich möchte eine Hebamme an meiner Seite haben, die Komplikationen erkennt und die mir mit ihrem Fachwissen die Sicherheit geben kann, dass alles gut läuft und so weitergehen kann. Ich möchte nicht allein gelassen werden!

Ich will eine Hausgeburt mit Hebammenbegleitung

Also stehe ich verzweifelt zwischen den beiden Möglichkeiten Klinik oder Alleingeburt und will doch eigentlich etwas anderes: Eine sichere Hausgeburt mit Hebammenbegleitung. Und ich verstehe nicht, warum mir diese Sicherheit verwehrt werden soll. Wenn es bald keine außerklinische Geburtshilfe mehr gibt, werden die Alleingeburten, auch die ungeplanten, zunehmen. Auch für mich ist es wahrscheinlich, dass es beim zweiten Kind wieder sehr schnell geht und ich mich ruckzuck in einer Geburtsphase befinde, in der ich mich nicht mehr ins Auto setzen kann um in die Klinik zu fahren.

Eigentlich würde ich dann meine Hausgeburtshebamme anrufen und sie würde mich durch die Geburt begleiten. Diese Möglichkeit soll es aber nun nicht mehr geben. Und das alles unter dem Deckmantel der Sicherheit, denn die neue Regel soll Hausgeburten ja angeblich sicherer machen. Das Lachen bleibt mir im Halse stecken: Ist mit Sicherheit nun etwa gemeint, uns Frauen allein zu lassen? Damit wir niemanden mehr anrufen können, der uns hilft, wenn unsere Babys Zuhause geboren werden wollen?

Ich verlange nach einer anderen Sicherheit. Und ich verlange danach, dass meine Rechte geachtet werden, insbesondere mein Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes und mein Recht auf Hebammenversorgung. Irgendwer muss dem Treiben des Krankenkassenverbands endlich einen Riegel vorschieben. Aber die Politik interessiert sich leider nicht für solche unwichtigen Randthemen wie Geburten. Dabei muss doch jeder neue Bürger zunächst mal geboren werden!

Du denkst, das betrifft dich nicht?

Du denkst, das betrifft dich nicht, da du dir sehr gut vorstellen kannst, in einer Klinik zu gebären? Ich sage: Es betrifft dich doch! Denn Sicherheit ist ein Thema, das auch und gerade im Kontext Klinikgeburt kritisch betrachtet werden muss. Die Geburtshilfe in Deutschland geht allgemein einer schwarzen Zukunft entgegen.

Der Krankenkassenverband hält einen Betreuungsschlüssel von mehr als 10 gebärenden Frauen pro Hebamme für völlig unbedenklich. Individuelle Betreuung wird schon bald keine Rolle mehr spielen, die Anfahrtswege zu Kliniken mit geburtshilflichen Stationen werden immer länger. Und so werden in Kliniken Gefahrensituationen oder sogar Todesfälle zunehmen, die durch weite Wege und schlechte Betreuung entstehen.

Wenn du dir eine sichere und individuelle Geburtsbegleitung wünscht, hast du vielleicht Lust, dich dem Elternprotest anzuschließen. Dort kämpfen wir für unsere Rechte und unsere Selbstbestimmung – ganz egal, ob am Ende eine Haus-, Geburtshaus, Klinikgeburt, eine natürliche Geburt oder ein Kaiserschnitt steht. Wir wollen selbst entscheiden, wie und wo wir unsere Kinder gebären! Und wir verlangen in diesem reichen, hochentwickelten Land nach einer bestmöglichen Versorgung und der höchstmöglichen Sicherheit!

Hausgeburten sind sicher!

Anmerkung zum Foto: Auf dem Titelbild siehst du mich und meinen kleinen Sohn an seinem ersten Lebenstag. Er kam um 5 Uhr morgens im heimischen Wohnzimmer auf die Welt. Die Untersuchungen der Hebammen ergaben 10 von 10 Apgar-Punkte, die den gesundheitlichen Zustand neugeborener Babys bewerten sollen. Gesund und putzmunter fühlten wir uns jedenfalls beide direkt nach der Geburt. Für uns gab es keinen Grund, in eine Klinik zu gehen und ich hoffe, beim nächsten Kind wird es auch keinen geben.

7 Kommentare zu „Und das nächste Kind per Alleingeburt…?

  1. Pingback: Wie das "Hebammenproblem" deine Geburt beeinflusst

  2. Das ist echt ein übles Thema. Ich habe meine drei Kinder zu Hause bekommen und könnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, zu einer Geburt freiwillig ins Krankenhaus zu gehen. Ich glaube, ich würde dann auch eine Alleingeburt vorziehen, obwohl mir meine Hebamme allein durch ihre Anwesenheit soviel Sicherheit gegeben hat.
    Was ist eigentlich mit einer Doula. Die arbeitet doch Krankenkassenunabhängig und könnte vielleicht auch eine Hausgeburt begleiten. Wenn auch nicht als aktive Geburtshelferin, aber mentale Unterstützerin.
    Das GEsundheitssytem muss auf jeden Fall aufhören an den falschen Stellen einzusparen!

    • Ich glaube, Doulas dürfen das nicht. Die dürfen nur zusätzliche Betreuung sein, weil sie ja keine medizinische Ausbildung haben. Wenn dann bei der HG was schief geht, sieht das ganz schlecht aus.

      In Kliniken sind Doulas hilfreich, weil da die Betreuung mitunter ja so wahnsinnig schlecht ist, dass die Frauen dort sonst viel zu lange alleine sind. Aber eigentlich ist auch das wieder absurd: Da müssen Frauen privat für eine Doula zahlen, weil das System so mies ist, dass es in den Kliniken viel zu wenige Hebammen gibt.

      Es ist echt zum k*otzen. Hilft nur, weiter mit der Politik sprechen, sich bei den Krankenkassen beschweren usw. Irgendwann werden sie es verstehen müssen.

  3. Pingback: St.Vinzenz-Hospital Köln-Nippes – Eine weitere Geburtsstation schließt! – Familienbegleitung Köln

  4. S.C.

    Ich habe eine Alleingeburt vorgezogen. Die Hebammen im Krankenhaus haben nicht mehr mein Vertrauen. Hebammen die eine Hausgeburt machen sind fast unbezahlbar und dann muss die Sympathie auch noch stimmen, bei der „großen“ Auswahl fast unmöglich.
    Ich habe mich daher letztes Jahr für eine geplante Alleingeburt entschieden und mein Kind kam gesund und munter im heimischen Wohnzimmer zur Welt.

  5. Deborah

    Hallo, dein Bericht ist nun schon eine Weile her und ich kann dir tatsächlich in allen Punkten nur zustimmen! Es gibt allerdings noch eine Möglichkeit, die du auf jeden Fall bedenken solltest, wenn du eine reine hebammenbegleitete Schwangerschaft haben möchtest. Da die Hebamme dir den Mutterpass erstellt, könnt ihr gemeinsam überlegen, wann deine Tage waren und wie lange dein Zyklus wohl war (manchmal ist er ja auch einige Tage länger, wie bei mir diesmal zufällig ?) dadurch ersparst du dir den Stress am Ende der Schwangerschaft! Ich überlege zur Zeit noch, ob ich mit Hebamme oder doch lieber allein gebären möchte. Ich mag sie, aber es ist nicht vertraut zwischen uns und das hat mich beim letzten Mal schon etwas gestört. Ganz liebe Grüße

  6. Danke dir. Es gibt mir Mut, zu wissen, nicht allein zu sein. Und wie du schon schreibst: Auch, wenn viele Frauen glauben, es beträfe sie nicht — die Geburtssituation ist auch für diejenigen, die in eine Klinik gehen, lange nicht optimal.

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