Stillen darf auch weh tun!

Wisst ihr eigentlich, wie ich geboren wurde? Per Skalpell. Weil ich auch etliche Tage nach Geburtstermin immer noch „falsch rum“ lag und damals in den 80ern wurde, genau wie heute, nicht lange gefackelt. Ich sollte ein schweres Kind werden, also Kaiserschnitt. 4500 Gramm hatte ich dann, war kugelrund und kerngesund. Nur meine Mama, die hatte den Ärger mit der Narbe und zudem Schmerzen beim Stillen, denn nach dem Kaiserschnitt klappte das gar nicht gut. Diagnose der Hebammen im Jahr 1987: Das Baby will die Brust eben nicht. Nehmen Sie das Fläschchen. Was meine Mama dann auch tat. Ich wurde also, wie so viele meiner Freundinnen und Freunde, die ebenfalls in den 80ern zur Welt kamen, ein Flaschenkind.

Heute macht man, zumindest was das Stillen betrifft, vieles anders. In vielen Kliniken gibt es heute Stillberaterinnen, die, wenn sie gut sind, erst gar kein Zufüttern empfehlen – selbst dann nicht, wenn das Stillen erstmal gar nicht klappt. Nach Kaiserschnitten bemühen sich die meisten Mütter gemeinsam mit ihren Hebammen oft besonders darum, dass das Baby gestillt werden kann – selbst dann, wenn der Milcheinschuss Tage auf sich warten lässt. Man muss der Natur nur Zeit und Raum lassen. Und die Natur ist schließlich das Beste für Mutter und Kind. Stillen ist natürlich, gesund, bequem, gilt heute als das Non-Plus-Ultra.

Ich finde diese Einstellung gut und befürworte es, dass das Credo der heutigen Zeit ein gänzlich anderes ist, als es damals in den 80ern war. Es ist super, dass die Ersatznahrung aus der Flasche heute zu dem erklärt wird, was sie ist: ein Ersatz. Und es ist wirklich ein riesiger Fortschritt, dass mittlerweile überall zu lesen und zu hören ist, dass Stillen das Beste für Mutter und Kind ist. Ich selbst habe mein Baby auch gerne gestillt und würde es jederzeit wieder tun.

Muss Stillen immer schmerzfrei sein?

Nur bei einer Sache kriege ich auch lange Zeit nach dem Abstillen immer noch Bauchweh: Wenn ich mal wieder irgendwo lese, dass Stillen schmerzfrei sein muss. Wenn irgendwo mal wieder steht, dass die Mutter bestimmt etwas falsch macht, wenn sie über eine längere Zeit beim Stillen Schmerzen empfindet.

Mein Stillstart war nämlich alles andere als schmerzfrei. De facto waren die ganzen ersten drei Monate, die ich das Hübchen gestillt habe, alles andere als schmerzfrei. Und ohne hier einen auf Jeanne d’Arc machen zu wollen: Ich habe wirklich ganz schön gelitten. Und zwar nicht nur unter den Schmerzen, sondern auch unter den ständigen Hinweisen auf schlauen Webseiten, in Foren und Blogs, wo es immer hieß: Stillen DARF nicht weh tun! Wenn du Schmerzen hast, dann machst du (oder dein Baby) etwas falsch!

Drei Monate Stillen unter Schmerzen

Sollte ich also einfach zu blöd zum Stillen gewesen sein? Oder mein Kind? In der Tat war der Stillstart holprig gewesen. Erst der Einsatz von Stillhütchen konnte mein Baby davon überzeugen, doch mal einen ordentlichen Zug aus der Mutterbrust zu nehmen. Nach zwei Wochen konnten wir die Hütchen zwar problemlos wieder loswerden, aber die Schmerzen blieben. Ich cremte mit Lanolin, wärmte oder kühlte, sprach meinen Brüsten Mut zu. Nichts half. Und das ständige Echo in meinem Kopf („Stillen DARF nicht weh tun!“) machte mich halb wahnsinnig. Irgendwas musste doch falsch laufen, dass ich so schlimme Schmerzen hatte?

Zum Glück hatte ich meine Hebamme, die über mehrere Monate hinweg regelmäßig zur Nachsorge kam. Sie versicherte mir immer wieder, dass wir rein gar nichts falsch machten. Die Brustwarzen waren intakt, es gab keine Entzündungen, keinen Milchstau und das Hübchen trank vorbildlich aus beiden Brüsten. Etwas ratlos hielten wir uns also an Durchhalteparolen. Mein Glück war, dass die Schmerzen bald nur noch kurz und heftig waren. Wenn das Baby sich festsaugte, durchfuhr ein schreiender Schmerz meine Brüste und breitete sich im ganzen Oberkörper aus. Aber dann war es vorbei und der restliche Stillvorgang war gut zu ertragen.

Jedes Mal aber, wenn ich mein Baby an die Brust nahm, biss ich feste die Zähne zusammen. Und manchmal wurde der Mann nachts sogar wach, weil ich aufgrund des Schmerzes einfach mal laut jammern musste. Nach acht Wochen war ich kurz davor, aufzugeben. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf 20 bis 24 Mal (10-12 mal aus beiden Brüsten stillen) schreiende Schmerzen täglich. Aber obwohl weder Mann noch Hebamme irgendeinen Druck auf mich ausübten, hatte mich der Ehrgeiz gepackt. Drei Monate wollte ich durchhalten. Also biss ich weiter die Zähne zusammen.

Keine Schmerzen mehr – dabei hatte ich nichts verändert

Und wie durch ein Wunder waren die Schmerzen nach ca. drei Monaten von einem auf den anderen Tag verschwunden. Einfach so. Weg. Und kamen nie mehr wieder. Anders gemacht hatte ich gar nichts. Ich hatte einfach nur weitergemacht.

Und seitdem mag ich es noch viel weniger, wenn Mütter sich fast roboterhaft etliche Tipps und Hinweise anhören müssen, was sie alles ändern sollen, wenn das Stillen weh tut. Der Satz „Stillen DARF nicht weh tun“ geht mir gehörig auf die Nerven. Denn ich finde: Stillen darf wohl weh tun! Es ist nämlich nicht so, dass immer und grundsätzlich etwas falsch läuft, wenn Frauen beim Stillen Schmerzen empfinden. Manchmal braucht der Körper vielleicht einfach etwas Zeit, um sich an die neue Belastung zu gewöhnen. Und manche Frauen sind eventuell einfach empfindlicher als andere. Und ich finde, diese Frauen sollte man nicht auch noch damit verunsichern, von ihnen unbedingt schmerzfreies Stillen zu verlangen.

Mein Trotzkopf gegen trotzige Brüste

Meine Hebamme erzählte mir irgendwann fast beiläufig, sie hätte schon oft beobachtet, dass insbesondere rothaarige Frauen anfangs Schmerzen beim Stillen hätten und insgesamt eher empfindlich reagierten. Es ist also vielleicht kein Zufall, dass gerade mein Körper eine „petite nature“ war, wie man im Französischen wohl sagen würde. Meine „kleine Natur“ wollte erstmal nicht so, wie die Natur es eigentlich von ihr verlangte. Meine Natur funktionierte nicht auf Knopfdruck. Und alle „So klappt das Stillen schmerzfrei“-Tipps prallten sang und klanglos an meinen trotzigen Brüsten hab.

Ich vertraute trotzdem auf die Natur und gab ihr einfach ein bisschen mehr Zeit. Vor allem stellte ich meinen trotzigen Brüsten aber meinen eigenen Trotz entgegen. Und trotzen kann ich richtig gut. Gerettet haben mich also nicht die vielen Tipps zum schmerzfreien Stillen, sondern mein dicker fetter Trotzkopf. Ich wollte nicht aufgeben, also hielt ich solange durch, bis meine Brüste aufgaben und sich endlich, endlich an die ungewohnte Belastung gewöhnten.

Die Natürlichkeits-Debatte löst oft Druck aus

Die ganze „back to the nature“ Bewegung finde ich insgesamt ganz prima. Stillen ist super! Klaro! Nur leider übt diese Natürlichkeits-Debatte oft ziemlich großen Druck auf unbedarfte Frauen aus, die zum ersten Mal versuchen, ein Baby zu stillen. Wenn man überall nur Positives liest, fühlt man sich sehr schnell ganz schön unzulänglich, wenn es eben nicht so einfach und natürlich klappt, wie es allgemein propagiert wird.

Tipps zum schmerzfreien Stillen sind eine schöne Sache und vielen Frauen mögen sie helfen. Aber aus meiner Erfahrung weiß ich auch: Es ist kein Drama, wenn die Schmerzen trotzdem bleiben. Wer unter Schmerzen stillt, sollte sich nicht auch noch dauern anhören müssen, dass das aber nicht „normal“ sei. Manchmal ist es nämlich genau das: Normal. Schmerzhaft normal. Und da helfen (je nach Frau) ein paar einfühlsame Worte oder kernige Durchhalteparolen bestimmt besser als indirekte Schuldzuweisungen.

Stillen darf auch weh tun

Anstelle von Tipps für einen schmerzfreien Stillstart würde ich daher manchmal gerne einfach lesen: Stillen kann auch weh tun. Stillen darf auch weh tun. Du machst nichts falsch, wenn es weh tut. Halte durch, weil du das super machst. Und bestimmt wird es bald besser.

Denn besser wird es am Ende fast immer. Und wenn nicht, dann gibt es zum Glück immer noch die Flaschennahrung.

Dieser Text ist Teil der Blogparade von Mama Baby Visions, die eigentlich zum Ziel hat, Tipps und Tricks für einen schmerzfreien Stillstart zu sammeln. Auch wenn mein Artikel da etwas aus dem Rahmen fällt, empfehle ich allen nicht-rothaarigen Frauen und weniger sensiblen Naturen wärmstens die anderen Texte aus dieser Reihe. Denn bevor frau sich, wie ich, durch monatelange Schmerzen beißt, sollte wirklich besser erstmal der Frage auf den Grund gegangen werden, ob es nicht vielleicht doch ein zu lösendes Problem gibt. Dafür hatte ich damals meine Hebamme und kann diesen direkten Weg ebenfalls nur empfehlen. 

Zum nächsten Artikel der Blogparade geht es hier.

12 Kommentare zu „Stillen darf auch weh tun!

  1. Liebe Sophie,

    danke für deinen Artikel – ich habe wieder einmal SEHR viel gelernt … aber vielleicht etwas ganz anderes, als du jetzt vielleicht denkst.

    Mit der Einladung zur Blogparade wollte ich niemandem Bauchweh machen … und ich verstehe deinen Artikel gut – ebenso wie deine Gedanken. Warum das so ist, werde ich sicherlich einmal an anderer Stelle erzählen.

    Jedenfalls bin ich sehr froh, dass du bei der Parade dabei bist und beisteuerst, was du erlebt hast!

    Danke auch für deinen Abschluss in deinem Resümee und möchte das gerne allen Frauen empfehlen, die unter den Schmerzen leiden: die Ursachen gemeinsam mit einer Fachkraft empfehlen, erst recht, wenn zu den Schmerzen Verletzungen hinzukommen.

    Alles Liebe und bis bald,
    ~Tabea

    • Liebe Tabea,
      schön, dass du das so siehst! 🙂 Es ist ja nicht nur deine Blogparade, die mir Bauchweh bereitet, sondern die Insgesamtheit der pauschalisierenden Aussagen „Stillen darf nicht weh tun“. Und was du erwähnst, ist ganz wichtig: Meine Hebamme hat mir viel Sicherheit gegeben, die Schmerzen einfach erst mal anzunehmen. Durch ihr Wissen und ihre Unterstützung konnte ich dann ganz oft die Ohren auf Durchzug stellen, wenn es mal wieder hießt „Das ist aber nicht normal!“.
      Ich freue mich auf die weiteren Beiträge deiner Blogparade!
      LG
      Sophie

  2. Pingback: Einladung zur Blogparade: "Mein schmerzfreier Stillstart" - Mama-Baby-Vision

  3. Pingback: #Blogparade – Mein schmerzfreier Stillstart oder besser gesagt: „Pumpen bis es weh tut!“ | motherbirthblog

  4. Caroline

    Sehr wichtiger Artikel!!! Danke!

    Stillen darf weh tun, Still darf aber kein Muss sein.
    Wir haben auch etwa 8 Woch gebraucht, ehe eir annähernd eine Stillbeziehung aufbauen konnte.
    Diese Beziehung war seit der Geburt nicht einfach zu finden, Neugeborenen Infektion, Ausschabung, mein Sohn auf der Intensiv, insgesamt 10 Tage gemeinsam im KH und keine Hebamme vor Ort, 1000 Meinungen zum Stillen. Ich konnte mich nicht erholen, Stress pur und ich noch leicht traumatisiert. Ich war verzweifelt und musste zufüttern. Auch zu Hause noch. Der ganze Druck zum Thema Stillen von außen, setzte mir ebenfalls zu. Ich habe mich dann damit abgefunden dann doch die Flasche zu geben. Mit dieser Entscheidung kam die innere Entspannung und eines Nachts ließ wir die Flasche weg. Seit dem ist der Kleine ein Turbotrinker, keine 15 min, wir stillen nach Bedarf, wo und wann auch immer!!!!
    Trotzdem DARF das Stillen nicht so mit Druck besetzt sein.

  5. Pingback: So kann dein Stillstart was werden... - Mama-Baby-Vision

  6. Tabea

    Danke, danke, für diesen tollen Artikel, du sprichst mir aus der Seele. Ich wünschte, ich hätte deinen Artikel einige Monate früher gefunden.
    Mir ging es ganz ähnlich wie dir, ich hatte -wohl aufgrund eines viel zu starken Milcheinschusses und eines sehr „saugkräftigen“ Sohnes- anfangs auch sehr starke Schmerzen, die nach einigen Wochen ganz plötzlich und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Was habe ich mich durch Dr. Google und „Stillratgeber“ verunsichern lassen, ständig das Anlegen überprüft und überprüfen lassen und immer nur den einen Satz im Kopf gehabt: Stillen darf nicht weh tun. Obwohl meine Hebamme mich beruhigt hat, ging das Gefühl nicht weg… Wie viele Stilleinheiten habe ich mit unsinnigen Ängsten und dem Gefühl, etwas falsch zu machen verbracht – beim zweiten Kind werde ich schlauer sein. Ich danke dir sehr für deinen Artikel, der hoffentlich manche jungen Mütter vor dem gleichen Fehler bewahrt. Wir hatten übrigens nach den anfänglichen Schwierigkeiten eine wunderschöne Stillbeziehung, die meinem Sohn über eine sehr schwierige Zeit geholfen hat und es erfüllt mich heute mit Stolz, dass ich durchgehalten habe. Ich habe ihn gestillt, bis er sich mit 11 Monaten selbst abgestillt hat. Dennoch bin ich kein Stillfanatiker, jeder muss den für sich richtigen Weg finden. Schade, dass manche Mütter sich gegenseitig das Leben schwer machen.
    Liebe Grüße
    Tabea

  7. Manuela Schütz

    Danke! Mehr fällt mir nicht ein, außer: DANKE!!!

  8. Helena

    Ein sehr nützlicher und beruhigender Artikel!
    Auch ich habe irre Schmerzen beim Milcheinschuss und dazu noch recht große Brustwarzen, meinem Sohn (ein Frühchen, welches erst morgen zur Welt kommen sollte) ist es einfach noch nicht möglich, diese in dem Umfang in den Mund zu bekommen, wie es korrekt und schmerzfrei wäre. Im KH habe ich Stillhütchen bekommen und aufgrund der ganzen Informationen im Internet etc. mich völlig irre gemacht bei dem Versuch, diese wieder loszuwerden. Ich hab mich auch wie ein Versager gefühlt und mir auch noch schön wunde Brustwarzen geholt. Nur meine Hebamme, die mir versicherte, dass ich nichts falsch mache und dass die Stillhütchen in Fällen wie diesen tatsächlich eine Hilfe sind, ließ mich nicht verzweifeln. Ich hab sie leider erst vor 3 Tagen deswegen um Hilfe gebeten. Ich probiere weiterhin, ohne sie zu stillen, jetzt aber ohne Druck und mit der richtigen Vorgehensweise. Und wegen der Schmerzen weiß ich mittlerweile auch, dass bei mir alles OK ist und ich nur eine Weile durchhalten muss, auch dank Beiträgen wie diesem. Daher vielen Dank!
    Im KH würde mir übrigens nicht gezeigt, wie man die Stillhütchen richtig benutzt und überhaupt hatte dort jede Hebamme zu allem eine andere Meinung und andere Tipps, wodurch ich von Anfang an verunsichert war.

  9. Liebe Sophie,
    danke für deinen Artikel! Ich erlebe immer wieder Mamas, die Schmerzen beim Stillen haben aus den unterschiedlichsten Gründen. Ja, das Ansaugen darf am Anfang kurz weh tun. Gerade der Schmerz jedoch länger anhält und die Stillbeziehung beeinflusst, finde ich es wichtig nach einer möglichen Ursache zu suchen und sich Unterstützung zu holen. Manchmal hilft es auch einfach zu wissen, dass es keine offensichtliche Ursache gibt und man als Mama eben nichts falsch macht. Gleichzeitig können dann, wenn Ursachen gefunden werden, diese behoben werden, was direkt die Stillbeziehung verbessert.
    Viele Grüße
    Natalie

  10. Bianca

    Gott was hab ich diesen Artikel gebraucht, Danke dafür!!!

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