23. November 2016 Kategorie: Blogartikel
Selbstbestimmt schlafen? Schwierig…
Ja, ich weiß, es ist nur eine Phase. Aber es ist mal wieder eine Phase, die mich in den Wahnsinn treibt. Denn nach einer beachtlichen Zeit, in der das Hübchen abends allein in seinem Bett eingeschlafen ist, mag es jetzt einfach nicht mehr schlafen. Schon gar nicht alleine. Und ich habe nur ein einziges Bedürfnis: Ein bisschen Zeit und Ruhe für mich, auf der Couch, mit einem Buch oder stupidem Fernsehprogramm. Da prallen leider zwei sehr verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Und was machen wir jetzt damit?
Es gibt da ja so Ansätze der „Unerzogen“-Pädagogik, die zu mehr Selbstbestimmung von Kindern aufrufen. Dazu gehört natürlich auch das selbstbestimmte Schlafen. In der Theorie klingt das alles wirklich super, z.B. so:
Lernen geht nur mit Erfahrung. Erfahrungen muss ich machen. Zu lernen, wann ich müde bin und Ruhe brauche, geht halt nur, wenn ich erfahre, was passiert, wenn ich meine Bedürfnisse übergehe. Zu lange wachbleibe. Zu wenig schlafe. Thats life!
In der Praxis enden bei uns derartige Versuche in einem Teufelskreis, der uns einzig und allein ins völlige Chaos führt: Spätes Einschlafen führt zu einem müden und schlechtgelaunten Kind am Morgen, führt zu einem späten Mittagsschlaf, führt zu spätem Einschlafen am Abend, führt zu einem müden Miesmuschel-Kind am Morgen, führt zu… Und so weiter und so fort.
Einfach durchhalten…?
Möglichkeit 1 wäre nun vermutlich: Den Teufelskreis zulassen, durchhalten, das Kind dann schlafen lassen, wenn es nun mal müde ist. Eine solche Vorgehensweise würden vermutlich die Vertreter der selbstbestimmten Erziehungsmethoden begrüßen. Jede Phase geht bald vorbei, vielleicht braucht das Hübchen bald keinen Mittagsschlaf mehr und dann wird alles besser. OK, leuchtet mir ein. Und dennoch sehe ich da ein paar widerspenstige Haken, die sich in unserem Leben nur sehr schwer ignorieren lassen.
Da wäre zum einen die Kita, die nun mal um 9 Uhr morgens ihre Pforten schließt. Und selbst als waschechte Zeitspar-Talente schaffen wir das nicht pünktlich, wenn das Hübchen bis 8.30 Uhr schlummert. Die Kita ist aber nötig, weil ich sonst das bisschen Arbeit, das ich immerhin schaffen muss, nicht mal ansatzweise beginnen könnte. Schwupps, das war’s mit der Selbstbestimmung. Die Kita muss nun mal irgendwie in unser Leben integriert werden.
Mutti braucht auch mal Ruhe
Der zweite große Haken ist aber auch eine Mutter, also ich, die bei einem derart verschobenen Kindesrhythmus schier wahnsinnig wird. Alle Selbstbestimmte-Erziehungs-Experten lesen jetzt vielleicht besser weg, aber die Wahrheit ist: Ich habe einfach keine Lust darauf, meine eigenen Bedürfnisse über Wochen oder Monate zu ignorieren, also auch nicht darauf, noch zu allzu später Stunde den Wünschen meines Kindes zur Verfügung zu stehen und meinen eigenen Tagesrhythmus völlig dem meines Kindes zu unterwerfen.
Gerade letzteres habe ich doch über lange Zeit getan. Mit einem Baby und schlecht schlafenden Kleinkind passt man seinen eigenen Rhythmus automatisch an die Bedürfnisse des Kindes an. Anders geht es in den ersten ein bis zwei Jahren ja auch kaum. Ich habe nachts alle zwei Stunden gestillt, ich habe tagsüber feste Zeiten zum Spazierengehen eingeplant, weil das Hübchen nur in der Trage oder im Kinderwagen schlafen wollte. Ich habe geschaukelt und gewippt, mich daneben gelegt und viele, viele Bücher vorgelesen und Schlaflieder gesungen.
Mittlerweile ist das Hübchen drei Jahre alt und hat einen guten und festen Schlaf, der sich mit der Zeit immer mehr an unseren Rhythmus anpasste. Und genau das finde ich wichtig. Familie bedeutet für mich nicht nur, dass die Eltern sich an die Bedürfnisse ihrer Kinder anpassen müssen, sondern auch umgekehrt! Und mein Bedürfnis ist es aktuell, abends keine stundenlangen Einschlafrituale aushalten zu müssen.
Wir durchbrechen den Teufelskreis
Deswegen wählen wir nun Möglichkeit 2 und versuchen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Wo immer möglich, versuche ich, Hübchens spätes Nachmittagsnickerchen zu verhindern. Das ist oft nicht leicht und mit dem einen oder anderen Wutanfall verbunden, aber die halbe Stunde Stress am Nachmittag ist mir lieber als viele, viele Stressmomente, die sich über den ganzen Tag verteilen. Ohne Nickerchen ist es nämlich sowohl abends als auch morgens deutlich einfacher und das Kind den gesamten Tag über viel, viel ausgeglichener.
Und wenn es abends doch mal wieder lange wird, weigere ich mich strikt, mich stundenlang neben das Hübchen zu legen. Der Papa kann das genauso gut, auch wenn es dann Geschrei gibt. Oder das Kind darf noch neben mir auf der Couch sitzen, aber auch da muss es mir meine Ruhe lassen.
Selbstbestimmung finde ich super, aber alles hat seine Grenzen. Wenn mein Kind nur noch von der Rolle ist, weil morgens müde, nachmittags müde und abends wach, dann muss ich doch was tun, um die ganze Situation zu erleichtern. Sonst ist unsere ganze Familie einfach unausgeglichen und unglücklich. Vielleicht klappt es ja später mal mit dem selbstbestimmten Schlafen. Wir probieren das sicher noch mal aus.
Ich verstehe Dich so gut und es gibt immer mal Phasen, die schwieriger sind als andere. Ich habe festgestellt, dass das Abendritual nicht zu lang sein sollte, eine oder zwei Geschichten, dann kuscheln, Hoppereiter und ich lasse dann meinen Sohn noch ein Buch anschauen, wenn er das möchte. Dann macht er das Licht selbst aus, wenn er fertig ist. Das kann man mit 3 Jahren gut machen, wir haben in dem Alter in etwa angefangen (jetzt ist er 4 1/2 Jahre alt) und mit seiner grossen Schwester (fast 9 Jahre alt) hat es sich genauso eingespielt. Wenn ich mit dem Ritual des kleinen Bruders fertig bin, gehe ich ins Zimmer der grossen Schwester, die will auch immer noch eine Geschichte vorgelesen haben und kuscheln. Sie macht ebenfalls das Licht selbst aus, ich gebe ihr aber Hinweise, bis wann in etwa sie noch lesen kann unter der Woche, da ja am nächsten Tag Schule ist. Vielleicht probierst Du das ja mal?
Ein gut geschriebener Artikel!
Hallo,
ganz lieben Dank für diesen tollen Beitrag. Nur ausgeglichene Eltern die sich und ihre eigenen Bedürfnisse nicht 24 Stunden hinten an stellen der Kinder zu liebe, können meiner Meinung nach auch entspannt auf ihre Kinder eingehen.
Ich sehe es so: Kinder müssen auch erleben, dass Eltern (Oma, Opa, Freunde, Geschwister…) Grenzen & jeder seine individuellen Bedürfnisse hat die es zu akzeptieren gilt. Sie lernen so, dass man respektvoll mit ihren Bedürfnissen & Grenzen umgeht, ABER dies eben auch weitergeben muss. Wie sollen sie sonst lernen, dass man in einer Gemeinschaft (Kita, Schule, Freundschaft, Partnerschaft…) kommuniziert & respektiert was man selbst möchte wie auch was der Andere möchte, wenn nicht von den einen ELTERN.
Jede Familie legt doch dabei ihre eigenen Regeln fest, den jeder Mensch ist sehr individuell und so kann es auch kein einheitliches Konzept für alle geben. Die Devise lautet immer wieder zu testen was ist praktikabel & umsetzbar für alle Familienmitglieder ohne dabei die persönlichen Grenzen jedes einzelnen zu verletzen.
In diesem Sinne danke für den tollen Einblick in deine Gedanken auch mit anderen Beiträgen :).
Mir ist mein freier Abend auch extrem wichtig, der war in letzter Zeit aber immer seltener vorhanden weil der kleine (23 Monate) immer öfter um 20:00 Uhr noch nicht schlafen wollte. Eher gegen 21:00 Uhr. Ne Stunde mit ihm im Bett liegen war mir gestern einfach zu blöd. Ich hab ihm sein Nachtlicht gegeben und gesagt er kann entweder mit mir kuscheln und schlafen, oder er spielt noch bis er müde wird. Allein. Er hat sich dafür entschieden, ich hatte 45 min wirklich meine Ruhe, und dann um 20:50 Uhr hat er mich gerufen. 20:55 Uhr hat er geschlafen. Total entspannt. Ich werde also dabei bleiben.