Schade, dass Kinder keine Autos sind

Na, was machen wir heute? Ein herrlicher Montag wartet auf uns, sonnig, frühlingshaft, schön. Perfekt für einen kleinen Shoppingbummel, was? Oder vielleicht gleich ins Autohaus – das Frühlingswetter schreit ja geradezu nach einem schicken neuen Cabrio. Ach, was sagt ihr, dafür habt ihr gar kein Geld, weil ihr wegen der fehlenden Kinderbetreuung unbezahlten Urlaub nehmen musstet? Und selbst wenn ihr Geld hättet, würde euch die Zeit fehlen, weil ihr ja die Kinder da habt und in die Läden mitnehmen dürftet ihr die auch nicht, wegen der strengen Auflagen? Stimmt, da war ja was.

Das öffentliche Leben soll am heutigen Montag wieder ein kleines bisschen erwachen, so will es die deutsche Politik. Die Wirtschaft ächzt, vermutlich gehen auch so langsam die Hilfsgelder aus, keine Ahnung, ich bin da nicht so informiert. Worin ich allerdings gut informiert bin, ist diese Lage hier: Kitas und Tagesmuttereinrichtungen bleiben weiterhin geschlossen. In manchen Bundesländern heißt es: Bis nach den Sommerferien. In NRW habe ich noch Hoffnung, aber die schwindet, wenn ich mir anschaue, wie es mit den Schulen läuft.

Da höre ich im WDR nämlich einer Schulleiterin zu, die sich darüber beklagt, dass sie jetzt übers Wochenende ein Konzept für den Neustart des Unterrichts entwickeln soll. Irgendwo anders lese ich, dass die NRW-Schulen nun 5 Tage Zeit hätten, um Hygienekonzepte zu erstellen. Und ich frage mich ernsthaft: Was zur Hölle haben die in den letzten fünf Wochen eigentlich gemacht?

Corona-Konzepte für Kitas? Fehlanzeige

Aber immerhin: Die Schulen dürfen jetzt Konzepte erstellen. In den Kitas sieht das anders aus. Unsere Kitaleitung schickt uns immer nur Listen mit „systemrelevanten Berufen“. Wenn ich in so einem arbeite, darf ich mein Kind in die Notbetreuung schicken. Wenn nicht, dann nicht. Versteht mich nicht falsch, ich finde es auch wichtig, dass jetzt keine riesigen Horden von Kindern aufeinandertreffen und natürlich ist es für einen Krankenpfleger oder eine Ärztin gerade wichtiger, ohne kindliches Anhängsel arbeiten zu können, als für mich.

Trotzdem frage ich mich, warum sich ab morgen wieder fröhliche Gruppen von erwachsenen Menschen in Geschäften und Autohäusern anstecken dürfen, Kinder unter sechs Jahren aber weiter eingesperrt bleiben sollen. Mir kommt da ein ganz böser Gedanke: Kinder haben in diesem Land nun mal einfach keine Rechte. Pflichten natürlich schon: Schulpflicht zum Beispiel. Um die Schulen schnellstmöglich wieder zu öffnen, müssen geplagte Schulleiterinnen nun sogar am Wochenende arbeiten. Pflicht ist schließlich Pflicht – und die darf nicht zu lange aufgeschoben werden.

Die Kinder sind so klein, die fallen einfach unter den Tisch

Für Kinder unter sechs Jahren gibt es aber keine Kitapflicht. Das ist sonst gut – jetzt offenbar aber eher schlecht. Denn offensichtlich verleitet das eine Gruppe von alten weißen Männern dazu, die Kleinsten unserer Gesellschaft einfach zu vergessen. Und mit ihnen ihre Eltern, die nach etlichen Wochen des Spagats zwischen Kinderbetreuung und Beruf auf dem letzten Rest entzündeten Zahnfleischs gehen.

Und während irgendwelche Yuppies jetzt endlich wieder Autos einshoppen gehen dürfen, frage ich mich: Warum können und sollen Hygienekonzepte für Autohäuser, Läden und sogar ganze riesige Schulen mit an die 1.000 Schüler*innen erstellt werden – unsere Kitas und Tagesmütter aber alternativlos geschlossen bleiben?

Starre Regeln für alle – statt kluger Konzepte für individuelle Gegebenheiten

Wenn ich mir das so anschaue, dann werden hier starre Regeln über eine ganze Gruppe von kleinen Menschen gestülpt, die in vielen Fällen überhaupt keinen Sinn ergeben. Ich meine: Unser Räupchen geht zu einer Tagesmutter, die außer ihr noch ein einziges weiteres Kind betreut. Was für eine Infektionskette soll das bitteschön sein?

Das Hübchen geht in eine ziemlich kleine Kita mit zwei Gruppen à 23 Kindern. Im Vergleich zur Tagesmutter ist das immer noch herausfordernd, aber hier könnte man doch z.B. mit einem Rotationsprinzip super für Entzerrung sorgen. Gestern las ich den Vorschlag: Montag/Dienstag Gruppe 1, Mittwoch Desinfektion, Donnerstag/Freitag Gruppe 2. Das war in der Facebook-Gruppe #elterninderkrise (bitte hier beitreten!), in der sich betroffene Eltern austauschen und versuchen, eigene Lösungen zu finden. Von Politiker*innen hört man solche sinnvollen Ideen derzeit nicht.

Wo bleiben die Ideen?

Es wird ja noch nicht mal darüber nachgedacht, welche Lösungen man finden könnte. Stattdessen: ALLES dicht machen, Kinder vergessen, Eltern den Stinkefinger zeigen. Finde ich nicht fair, echt nicht. Ich geh jetzt erst mal in irgendein Autohaus randalieren vor Wut. Und danach verwüste ich ein paar Einzelhandelsgeschäfte.

Kleiner Scherz. Mache ich natürlich nicht – sofern wir endlich mal anfangen, auch über das Wohl der Kleinsten nachzudenken. Und über deren Eltern, die der Doppel- und Dreifachbelastung einfach nicht mehr lange standhalten.

14 Kommentare zu „Schade, dass Kinder keine Autos sind

  1. Jongleurin

    Wohl wahr. Und die allermeisten Schulkinder sind ja von den Lockerungen nicht betroffen … Ob meine Tochter nochmal als Erstklässlerin die Schule betritt, wage ich zu bezweifeln.

    Es würde ja sogar schon helfen, wenn Eltern offiziell mit anderen Familien kleine feste Betreuungsgemeinschaften bilden dürften. Ich verstehe es ebenso einfach nicht….

    • Jürgen Weber

      Warum haben Sie überhaupt Kinder in die Welt gesetzt, wenn Sie es nicht schaffen sich zwei Monate mit den Kleinen zu beschäftigen? Wenn ich in der RP lese, dass die Kinder das Spielen auf dem Mediamarkt- Parkplatz mittlerweile auch keine Lust haben, dann könnte ich Kotz…..! Vielleicht überlegen Sie sich mal etwas sinnvolles für Ihre Kinder. Anscheinend ist Ihre grösste Sorge, dass Sie nicht mehr den ganzen Tag arbeiten können und Ihre Kinder bis 16.00 Uhr abschieben können. Schämen Sie sich. Andere Menschen haben wirklich schlimmere Sorgen. Kümmern Sie sich gefälligst selber um Ihre Kinder. Denn es sind Ihre eigenen Kinder

      • Ach Jürgen, mein Gutster, ich hatte es dir schon auf Facebook gesagt, aber dann von mir aus auch hier noch mal: Niemand, der/die auch nur halbwegs bei Vernunft ist, wird sich auf eine sinnlose Diskussion mit dir einlassen.

        Bitte lass deine Wut über andere Menschen (welche eigentlich? Von uns jedenfalls fühlt sich niemand angesprochen) irgendwo anders aus.

        Ich kann sogar nachvollziehen, dass du als alter Mann es unangenehm findest, wenn Frauen eigenes Geld verdienen. Aber denk auch mal da dran: Wir zahlen deine Rente. Würde ich auch lieber nicht tun, wenn ich die Wahl hätte. Ist aber leider so. Sei also lieber mal ein bisschen dankbar und lass deine schlechte Laune woanders aus.

      • Gis

        Hallo Jürgen,
        Sie haben anscheinend KEINE Ahnung wovon sie sprechen. Also suchen Sie sich doch ein anderes Thema, bei dem Sie sich auskennen. Oder suchen Sie nach dem Krümel Empathie, der ja hoffentlich irgendwo in Ihnen steckt und überlegen dann nochmal…
        Wir kümmern uns um unsere Kinder UND machen unsere Arbeit. Man macht es uns nur gerade ziemlich schwer. Und ja, das darf man auch anprangern…
        Ich vermute übrigens, dass Sie keine Kinder haben….

        • Jürgen hat mich auch schon auf Facebook angeschrieben und wollte Rechtfertigungen von mir, warum ich mich nicht einfach um meine Kinder kümmern und ansonsten die Klappe halten kann. Er ist laut eigener Aussage 59 Jahre alt. Ich schätze mal, er ist aus seiner aktiven Familienzeit noch ordentliche Zustände gewohnt, in denen die Frau sich um Kind und Küche gekümmert hat. 😉 Veränderung tut manchmal weh, gerade Männern, die es doch bisher so bequem hatten.

  2. Sophie

    Hallo Sophie,

    Danke dafür, dass du dich einreihst in die immerhin vorhandenen Stimmen, die auf Kinder im Kita-Alter und ihre Homeoffice-Kinderbetreuung-Coronawahnisnngebeutelten Eltern aufmerksam machen.
    Ich frage mich wirklich, wer da mit einem kurzen Blick auf entsprechende Wählergruppen entschieden hat bzw. entscheidet!
    Wir Eltern mit Kindern im Kitaalter dürfen jetzt irgendwie abfangen, dass unsere Kinder, die es auf Grund ihres eigenen Erfahrungshorizontes nicht verstehen können, monatelang nur auf ihre Familie zurückgeworfen sind.
    Meine Tochter ist mit ihren 2,5 Jahren gerade glücklich in ihrer Kita „angekommen“. Jetzt sieht sie seit 6 Wochen (wegen einer Erkrankung war sie schon vor dem Kitastop eine Woche daheim) nur meinen Mann und mich.
    Ihr Highlight des Tages ist das Videotelefonat mit den Großeltern.
    Ich weiß, wieso das alles derzeit so anstrengend ist – sie nicht.

    Sie kompensiert an vielen Stellen das Fehlen von Spielkameraden durch süßes Rollenspiel mit Puppen und Schleichtieren, zeigt aber auch seit einer Weile vor allem vorm Schlafen bisher nicht gekannte Verhalten wie komplettes Versteifen des ganzen Körpers.
    Bei Erwachsenen kenne ich das aus progressiver Muskelentspannung zum Stressabbau – woher kennt meine 2,5-Jährige das?

    Es sind nicht nur die Nerven der Eltern, die hier auf der Strecke zu bleiben drohen, sondern auch die seelische Gesundheit der ganz Kleinen, die durch die Krise zu Hause eingesperrt bleiben sollen.
    Da ist auch der Spaziergang mit den Eltern im Freien nur ein schwacher Trost.

    Ich blicke mit gemischten gefühlen in unsere Zukunft.

    • … und heute las ich von dem ersten Todesfall durch Kindesmisshandlung in Mönchengladbach. Die Kita hatte davor wohl schon mal auffällige Verletzungen ans Jugendamt gemeldet, aber da fehlte jetzt leider die Kontrollinstanz. Es ist so unfassbar traurig! Unsere Kinder werden es mit unserer Unterstützung gut überstehen, auch kleine Auffälligkeiten werden wieder weg gehen, denke ich. Aber wenn man das alles mal zu Ende denkt und überlegt, wie viele Kinder in wirklich schlimmen Verhältnissen leben müssen, du meine Güte. Ich glaube, das zieht noch einen ganz traurigen Rattenschwanz nach sich.

  3. Gis

    Danke, dass Du das an- und aussprichst. Es fehlt an Mut und Kreativität. Politik will das Virus aussitzen und wenn wir wieder konsumieren können, halten wir schon still. Brot und Spiele – kannten schon die Römer.
    Was? Familien? Kinder? Also da müssen die Eltern eben mal selber die Verantwortung für Ihre Kinder übernehmen. Und wieso geht Frau eigentlich arbeiten… Wir machen es uns aber auch selbst schwer… Homeoffice, Homeschooling und Homekita kriegen wir ja wohl hin. Kinder sind bloß die Zukunft. Bis die wählen können, liegen die aktuellen Politiker wohl im Grab oder sind im wohlverdienten Ruhestand… Wir denken von Wahl zu Wahl.
    Sorry, ich hör auf, mich kotzt das mindestens genau so an wie Dich und meine 3 Kinder (3,7,fast9) auch…

  4. Heide

    Danke für den Artikel, ich sehe das genauso. Ich verstehe das auch nicht. Kinder sind weniger gefährdet daran schwer zu erkranken, sie sind keine superspreader und dennoch schließt man Kinder ein und lässt Aloe anderen wieder laufen.
    Wir als Eltern und die Kinder haben keine lobby, das ist unser Problem.

    • Lobbyarbeit ist harte Arbeit, das ist das Problem. Und wer vollzeitnahes Arbeiten plus kleine Kinder kombiniert, hat kaum mal Zeit für ein Hobby.

      Was mich am wütendsten macht, ist, dass es ja nicht mal Ansätze zu Lösungen gibt. Wenn schon keine Kinderbetreuung, dann müsste es wenigstens finanzielle Ausgleiche geben. Aber vermutlich profitieren irgendwelche Unternehmen mit Sitz in Bikini Island mal wieder mehr vom lockeren Portemonnaie des Staates als treue Steuerzahler, die zudem noch für die Steuerzahler der Zukunft sorgen. Home Office und kleine Kinder sind einfach nicht zu vereinbaren! Es müsste schon längst eine wenigstens finanzielle Kompensation geben.

  5. Sehr gut zusammengefasst. Es fällt derzeit extrem auf, dass Kinder in die Entscheidungen nicht mit einbezogen werden, dabei sind doch immerhin 12 % der Einwohner in Deutschland jünger als 14 Jahre. Aber sie bringen keinen Profit und sind zudem darauf angewiesen, dass die Erwachsenen wohlwollend für sie mitentscheiden …

  6. Annika Fröhlich

    Hallo Sophie,
    auch die Schulen waren in den letzten Wochen abhängig davon, wie die Politik entscheidet und haben, so wie es in anderen Branchen auch gehandhabt wird, natürlich nicht für jede Eventualität ein Konzept entworfen, nur um am Ende eine andere Sachlage vorzufinden, die alle Planungen über den Haufen wirft. Zudem ist es überaus arbeits- und zeitintensiv, alle Lerngruppen mit Aufgaben zu versorgen, die von den Schüler*innen dann möglichst ohne großes Zutun der Eltern zu bearbeiten und dabei trotzdem sinnvoll und relevant sind, im Austausch mit Schüler*innen und Eltern zu stehen, sich untereinander abzusprechen, zu planen, wie mit der Leistungsbewertung umzugehen ist, und, und, und. Es ist also weit gefehlt, anzunehmen, dass Lehrerinnen und Lehrer in den letzten Wochen einfach nur abgewartet und die Zeit nicht sinnvoll genutzt haben.
    Viele Grüße,
    Annika

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