Opfere ich mich als stillende Mutter zu sehr auf?

Schon länger möchte ich einen Text schreiben, Thema: „mütterliche Aufopferung“. Ich kaue darauf schon lange rum, finde kein Packende und schiebe es immer wieder auf. Aber nun hat Mareice Kaiser, die ich sehr schätze und mag, einen Text übers Stillen geschrieben. Ihr Anliegen: Mit der Ideologie aufräumen, die rund ums Stillen aufgebaut würde und die die Gleichberechtigung zwischen Müttern und Vätern gefährde. Und dieser Text stößt mich mit der Nase jetzt wieder schmerzhaft auf jenen Text, der schon so lange in mir gährt, dass ich jetzt einfach probieren muss, ihn in die Tasten zu hauen. Denn auch mich beschäftigt das Thema: Opfere ich mich durchs Stillen zu sehr auf? Und wenn ja, was treibt mich dazu?

Ich stille jetzt seit 15 Monaten. Und grundsätzlich tue ich das immer noch gerne, weil es schnell geht, unkompliziert ist und ich die vielen Vorteile kenne, die es für das Kind birgt: Immunstoffe zum Beispiel, die mein Kleinkind in einer Phase unterstützen, da es sich quasi wöchentlich irgendwelche Infekte einfängt. Muttermilch steckt erwiesenermaßen voller guter Dinge, die ein Baby oder Kleinkind gesund erhalten. In unserem Fall kommt hinzu, dass das Räupchen nach wie vor nur vier Zähne besitzt und immer noch kein großer Fan von fester Nahrung ist. Das Stillen gibt uns das gute Gefühl, dass unser Kind trotzdem immer mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt ist.

So viel also zum „Pro“. Das Leben wäre aber nicht das Leben, wenn es da nicht auch ein „Contra“ gäbe. Und da gibt es natürlich den einen großen, fetten Punkt: Dass dummerweise nur ich die Brüste habe. Was naturgemäß dafür sorgt, dass ich mich auch nach 15 Monaten noch sehr eng ans Räupchen gebunden sehe. Was mittlerweile gut geht: Dass das Räupchen halbe bis ganze Tage bei Papa oder Oma/Opa verbringt, denn wenn meine Brüste außer Reichweite sind, isst das Räupchen dann doch mal Käsebrot. In Ruhe arbeiten, auch Kundentermine wahrnehmen, klappt für mich also wieder prima.

Opfere ich mich auf?

In der Nacht sieht das leider anders aus: Das Räupchen wacht mindestens zwei Mal auf und brüllt. Sie brüllt so lange, bis sie gestillt wird. Dann schläft sie friedlich wieder ein. Deswegen bin ich seit 15 Monaten abends nicht mehr länger ausgegangen. Ich habe auch seit 9 + 15 Monaten keine nennenswerten Mengen Alkohol getrunken. Und auch die Partyzigarette ist für mich nicht drin.

Ja, manchmal fühlt es sich mittlerweile nach der totalen Aufopferung an. Einfach mal wieder mit Freund*innen ausgehen, ohne daran zu denken, dass ein hungriges Räupchen sich vielleicht gerade Zuhause in Rage schreit, das wäre schon schön. Mal wieder so viel Bier trinken, dass ich abends schon den Kater vom Morgen spüren kann. Zigaretten drehen für mich und alle, die unvernünftigerweise heute Abend auch mal wieder rauchen wollen, als wären wir wieder 18 und das Leben unendlich. Ich habe da Lust drauf, total!

Und trotzdem antworte ich meinem Mann mit „Jetzt noch nicht“, wenn er mich mal wieder aufs Abstillen anspricht, weil auch er merkt, dass mir meine Freiheiten fehlen. Warum tue ich das? Warum stelle ich meine eigenen Wünsche nicht langsam mal über das natürliche Bedürfnis meines Kindes, noch länger die süße Milch zu trinken? Und die wichtigste Frage: Ist das wirklich mein freier Wille oder bin ich durch genau jene Ideologie beeinflusst, von der Mareice Kaiser in ihrem Text übers Stillen spricht?

Sind wir gesellschaftlich ins andere Extrem gekippt?

#StillenIstLiebe heißt es auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken. Stillen ist das Natürlichste und Beste fürs Baby!, sagen Studien und Ärzt*innen, Hebammen natürlich erst recht. Stillen ist außerdem hip, besonders in Akademiker-Kreisen, in denen auch ich einen Rückwärts-Trend zur klassischen Rollenverteilung wahrnehme: Er arbeitet, sie entscheidet sich (natürlich total freiwillig!) dazu, „kindergartenfrei“ mit den Kindern Zuhause zu bleiben. Mareice Kaiser zitiert in ihrem Artikel die Erziehungswissenschaftlerin Sabine Seichter, die das Buch Erziehung an der Mutterbrust: Eine kritische Kulturgeschichte des Stillens geschrieben hat und sagt: „Das größte Tabu ist das Nicht-Stillen“.

Sind wir gesellschaftlich also ins andere Extrem gekippt? Nachdem in den 80er und 90er Jahren gefühlt jedes zweite Baby mit der Flasche aufwuchs, tendieren wir jetzt einfach in die andere Richtung und neigen dazu, die Muttermilch über alles zu lobpreisen? Gut möglich, dass dem so ist. Aber wenn ich ehrlich bin, finde ich das nicht dramatisch. Erst mal bin ich froh, dass die öffentliche Kommunikation heute überhaupt in die richtige Richtung geht: Stillen ist nämlich das Gesündeste fürs Kind, punkt, aus. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Frauen früher nicht oder nur kurz gestillt haben, weil ihnen die vielen Vorteile der Muttermilch gar nicht bewusst waren. Dass heute nun auch von medizinischer Seite klar gesagt wird: Das ist grundsätzlich das Beste, wenn es denn klappt, dann finde ich das erst mal einfach gut.

Dass Nicht-Stillen zum Tabu wird, darf natürlich trotzdem nicht sein. Die stillende Mutter als hochgoldenleuchtendes Ideal zu propagieren finde auch ich problematisch. Nach langem Nachdenken bin ich für mich glücklicherweise zu dem Schluss gekommen, dass mein langes Stillen nichts mit den Erwartungen von Außen zu tun hat. Alles, was ich gemacht habe, ist, die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwiegen. Und da überwiegen für mich zum aktuellen Zeitpunkt ganz klar die Vorteile, fürs Kind, aber auch für uns als Familie. Denn nachts wirkt zum Beispiel nichts besser als ein narkotisierender Schluck Muttermilch.

Ungleichberechtigte Beziehung durchs Stillen? Nur, wenn ein Paar es zulässt!

Insofern muss ich Mareices Test auch sehr widersprechen, in dem es heißt:

„Während sich selbst meine feministischsten Freundinnen die Nächte mit ihren Babys um die Ohren schlagen, schlafen ihre Partner durch. „Sie muss das Baby ja stillen“, sagen sie als Begründung. Als wäre es der erste große Elternfehler, das Kind mit etwas anderem als Muttermilch zu füttern.“

Es stimmt zwar, dass mein Mann durchschläft, während ist mindestens zwei Mal pro Nacht das Räupchen andocke. Es stimmt aber auch, dass wir durchs Stillen beide ruhiger schlafen können, weil das Kind danach blitzschnell weiterschlummert. Und es stimmt vor allem, dass mein Mann mich als Ausgleich morgens oft länger schlafen lässt und ich mir auch häufiger mal ein Mittagsschläfchen gönne, während er allein beide Kinder bespaßt. Es stimmt außerdem, dass sich bei uns von Anfang an eine klare Regel herauskristallisiert hat: Ich stille, er wickelt. Die Aufgabenverteilung in unserer Beziehung wird demnach natürlich durchs Stillen mitbestimmt, aber es schleicht sich deswegen nicht unbedingt ein Ungleichgewicht ein.

Still beim Stillen? Seid doch lieber laut!

Ein weiterer Punkt, den ich in Mareices Text schwierig finde, ist die Ansicht, das Stillen weise Müttern „einen Platz zu. Einen Platz, den sie gemeinsam mit ihrem Kind besetzen dürfen. Einen Platz, an dem sie ruhig sind und die Klappe halten. Einen stillen Platz“. Meine Erfahrung zeigt genau das Gegenteil: Als stillende, erst recht als „langzeitstillende“ Mutter, sehe ich explizit zu, mich nicht ausgrenzen zu lassen. Ich habe bis heute an allen erdenklichen Orten gestillt, selbst in einem Kundentermin, mitten in der Besprechung. Und niemals hätte ich mich von irgendwem davon abhalten lassen!

Und genau hier finde ich die ganze Argumentation auch kritisch: Sollen Frauen wirklich das Stillen selbst hinterfragen, weil sie dadurch ggf. ausgegrenzt werden? Oder sollten Frauen nicht im Gegenteil stärker einfordern, dass Stillen in der Öffentlichkeit grundsätzlich toleriert, am besten noch unterstützt wird? Ich bin ganz stark für zweiteres! Hinzu kommt, dass Frauen auch selbst entscheiden können, in welcher Form und in welchem Umfang sie stillen. Viele Kinder akzeptieren problemlos Stillen UND Flasche, eine Kombination aus beidem ist also prima möglich (fragt nur nicht das Räupchen danach ??).

Der Trend zu veralteten Rollenbilder rührt woanders her

Gerade unter diesem Aspekt finde ich Mareice Kaisers Fazit „Stillen manifestier[e] nicht-gleichberechtigte Partner*innenschaften“ schon fast weit hergeholt. Nicht das Stillen oder Nicht-Stillen bestimmt die Gleichberechtigung oder Ungleichberechtigung in einer Beziehung, sondern die grundsätzlichen Entscheidungen beider Eltern. Wenn „Stillen als Argument gegen eine feministische Beziehung“ herhalten muss, finde ich das genauso falsch wie Mareice. Aber ich glaube nicht, dass das an einer angeblichen Still-Ideologie liegt, sondern dass das vielerlei andere Gründe hat, die in einem generellen Trend zur Rückbesinnung auf veraltete Rollenbilder münden.

Und hier bin ich bei einer anderen, viel größeren Frage, die mich in letzter Zeit auch sehr beschäftigt: Woher nämlich diese Rolle rückwärts rührt, die ich in Blogs, in Sozialen Netzwerken, aber auch im privaten Umfeld vermehrt wahrnehme. Warum neigen aktuell so viele Frauen dazu, dem Erwerbsleben den Rücken zuzukehren und sich ins Private, ins Leben als „Mutter und Hausfrau“ zurückzuziehen? Die Gründe sind sicher komplex und rühren meines Erachtens an grundsätzliche strukturelle Probleme in unserer Arbeitskultur und an politische Probleme, zum Beispiel was das Steuerrecht betrifft. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass nicht das Stillen dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn Paare in traditionelle Rollenbilder verfallen.

Was sicher gut ist: Sich immer wieder bewusst zu hinterfragen

Grundsätzlich finde ich aber, dass nichts falsches, sondern sogar etwas sehr richtiges daran ist, sich in regelmäßigen Abständen zu fragen: Ist dies oder jenes eigentlich wirklich meine eigene Entscheidung und Überzeugung? Oder lasse ich mich, vielleicht auch unbewusst, von fremden Idealen oder sogar Ideologien beeinflussen? Das gilt ja nicht nur fürs Stillen (ja/nein/wie lange), sondern zum Beispiel auch für die Außer-Haus-Kinderbetreuung, die eine gleichberechtigte Partnerschaft fördert wie kaum ein anderer Umstand.

In diesem Fall habe ich mich zum Beispiel gefragt: Bleibt unser Räupchen ein weiteres Jahr Zuhause, weil ich mich unbewusst von dogmatischem „Fremdbetreuung schadet der Bindung„-Geschwätz habe beeinflussen lassen? Oder ist es doch eher dem Umstand geschuldet, dass wir in unserer Umgebung keine liebevolle Kinderbetreuung gefunden haben, die zu unserem eher zurückhaltenden einjährigen Kind gepasst hätte? Nach gründlicher Auseinandersetzung kann ich guten Gewissens sagen: Zweiteres ist der Fall. Und auch das sollte uns wieder zu denken und zu schreiben geben: Über politische und strukturelle Probleme, die eine erschreckende Qualität in einer Vielzahl deutscher Kinderbetreuungseinrichtungen erst möglich machen, zum Beispiel.

Widmen wir uns lieber wieder den wichtigen Gründen

Natürlich ist das Private politisch. Trotzdem sträube ich mich vor Vereinfachungen wie dem Ansatz, die Entscheidung zu (langem) Stillen schade der Gleichberechtigung und dem Vorwurf, Stillen würde allgemein ideologisiert. Denn es sind ganz andere und viel schwerwiegendere Komponenten, die Paare von einem gleichberechtigten Leben abhalten. Und ich hoffe, das zukünftig lieber wieder darüber geschrieben wird, anstatt sich am Stillen aufzuhängen, das nun mal leider naturgemäß Frauensache ist. Dass nur Frauen stillen können, werden wir in der näheren Zeit vermutlich nicht ändern können. Aber müssen wir das?

Ich jedenfalls freue mich über meine Brüste, und wenn die Muttermilch mein Räupchen noch eine zeitlang beim Großwerden und Gesundbleiben unterstützt, ist das erstens sinnvoll und zweitens meine Entscheidung. Eine Idealisierung brauche ich da gar nicht, mir reichen wissenschaftliche Fakten und die Möglichkeit, das Stillen in meine gleichberechtigte Partnerschaft einzugliedern, völlig aus. Gleichberechtigung ist am Ende ohnehin immer, was man draus macht. Manchmal muss man dafür ein bisschen schieben, rempeln oder kämpfen. Aber was Not tut, tut Not, oder etwa nicht?

15 Kommentare zu „Opfere ich mich als stillende Mutter zu sehr auf?

  1. Klaudia

    Ein toller Beitrag. Ich bin seit 2015 daheim – seit die große geboren wurde. Aber nicht, weil ich nicht arbeiten will, oder es mir an Strukturen fehlt, sondern weil wir uns bewusst dafür entschieden haben. Wir haben geredet und geredet und debattiert und gerechnet. Und ich genieße die Zeit. Wenn die Kinder größer sind, habe ich noch sehr viel Zeit für das Berufsleben, diese Zeit jetzt, die ersten 2-3 Jahre meiner Kinder, in denen so unglaublich viel passiert, die gibt es nur jetzt, die kommen nicht wieder. Wenn ich mich mit anderen Müttern unterhalte, warum sie längere Elternzeit nehmen als 1 Jahr, dann ist die Antwort sehr selten, dass sie keinen Platz bekommen haben, oder es nichts gibt. Dann ist die Antwort häufig, dass sie das ihrem Kind zu liebe machen, dass sie die erste Zeit genießen möchten.

    Ich glaube also die „Rückkehr“, liegt vielleicht viel mehr an der aktuell präsenten Besinnung darauf, was vielen wichtig ist & was eben etwas weniger wichtig ist. Die Kinder sind irgendwann groß, sie sind irgendwann weg, dann habe ich noch so viel Zeit mich auszuleben (wenn man es mir möglich macht). Und genau hier setzt meine Kritik an: Viele entscheiden sich für eine kurze Elternzeit, weil sie Angst haben, dass es ihnen nicht möglich ist, nach 3 Jahren Elternzeit & danach ein paar Jahren Teilzeit wieder durchzustarten. Familienarbeit wird als weniger wertvoll wahrgenommen. Dabei ist sie wenn schon dann mindestens gleichwertig zur Erwerbsarbeit.

    Das lag mir gerade auf der Seele ☺️

    Was das Stillen angeht, sehe ich es genauso wie du ?

    • Michelle

      Es ist aber doch komisch, dass in 99,9% der Fälle die Mütter die Zeit mit den Kindern genießen wollen. Für Väter würde doch eigentlich das Gleiche gelten.

      • Christin Reichel

        Ja, für meinen Mann würde das auch gelten. Dass beide zwei Jahre zu Hause sind, können wir uns finanziell aber nicht leisten, er wäre gerne länger in Elternzeit. Und dann sind wir wieder beim Stillen. Das kann nämlich nur ich. Und deshalb gehe ich nicht nach 2 Monaten wieder auf Arbeit.

      • Angela

        Ich denke, diese (Ungleich-)Verteilung hat viele Gründe. Ein paar, die mir auf die Schnelle einfallen:
        – Ich kenne tatsächlich einige Männer, die mit so ganz kleinen Kindern nicht viel anzufangen wissen und denen diese Zeit entsprechend weniger wichtig ist. Wenn sie mit den Kids mal so richtig durch den Wald tollen, radfahen, baden etc. können, dann sieht’s anders aus.
        – Vielleicht würden manchmal eh BEIDE gern zu Hause bleiben, das geht sich aber finanziell einfach nicht aus, und aus wirtschaftlichen Gründen ist es dann oft die (schlechter verdienende) Mutter, die zu Hause bleibt. Dass dies ein strukturelles Problem ist, ist wieder ein anderes Kapitel.
        – noch ein strukturelles/gesellschaftliches Problem: ich kenne auch durchaus Väter, die gerne länger zu Hause bleiben würden, aber die blanke Angst um den Jobverlust haben. Weil es gesellschaftlich (bzw. unternehmerisch) immer noch nicht wirklich akzeptiert und etabliert ist, dass auch die Männer zu Hause bleiben. Bei einer Frau wird das viel eher akzeptiert (Ausnahmen bestätigen die Regel). Mütter erhalten mE auch mehr Unterstützung beim „Wiedereinstieg“. Wenn du als Mann mal länger weg warst, bist du irgendwie durchgefallen.
        – ich habe den Eindruck, dass sich viele Männer – aus welchen Gründen auch immer – schlicht und einfach nicht so viele Gedanken drüber (zu) machen (trauen??), was ihnen wirklich wichtig ist. Die folgen viel eher den gesellschaftlichen Erwartungen und bleiben schön brav im Job, ohne links und rechts zu schauen.
        …und und und…
        Welche Gründe vermutest du?

      • Uta

        Bei uns ist es tatsächlich so, dass ich die Babyzeit absolut genießen kann, mein Mann aber nicht. Er hat beim ersten Kind ein halbes Jahr Elternzeit genommen und sagte, bei allem Schönen, was er erlebt habe, habe er doch sehr klar festgestellt, dass das kein Konzept für ihn sein. Die Mischung aus „ständig was zu tun“, „fremdbestimmt sein“ und gleichzeitiger Langeweile durch täglich wiederkehrende, eintönige Arbeiten hätten ihn ganz mürbe gemacht.
        Diese Einstellung ist jetzt nicht modern, en vogue oder zu befeiern, aber doch wenigstens klar und ehrlich. Ich verstehe total, was er meint, konnte und kann aber, im Gegensatz zu ihm, einen totalen Benefit aus dieser sehr engen, kuscheligen Beziehung zu einem Baby ziehen. Aus dieser unbedingten Liebe, aus dieser Zeit, in der sich alles so schnell entwickelt und wo alles noch so einfach und unkompliziert mit dem Kind ist. Das lässt mich die anderen, nervigen Punkte einfach „mitnehmen“. Für meinen Mann waren die aber sher schwer zu ertragen.
        Und unser sehr unterschiedliches Empfinden dazu im Geschlecht, in der Persönlichkeit oder der Sozialisation begründet liegt, ist gesellschaftlich bestimmt sehr interessant, für mich persönlich aber zweitranging. Wenn ich gerne ein bis zwei Jahre zu Hause bei den Kindern bleibe und er nicht, dann ist das einfach so. Danach werden die Karten eben wieder neu gemischt. Und das Stillen hat sehr wenig damit zu tun. Klar könnten wir auch beide direkt nach der Geburt Vollzeit arbeiten gehen. Damit würde ich nur sehr unglücklich, denn für das Gehetze ist mir mein Leben und sind mir meine Kinder viel zu schade.

    • Daniela

      Bin ganz bei dir – ich bin auch zuhause, weil ich das genau so möchte … weil die Zeit mit den Kindern das Schönste und Wichtigste überhaupt ist … danach kann man sich, wenn man will, gerne wieder seinen arbeitstechnischen Verwirklichungen widmen … und Hausfrau und Mutter ist für mich kein altes Rollenbild, sondern einer der wichtigsten Jobs überhaupt, für unsere Familien und für unsere Gesellschaft!

      • Liebe Daniela, genau wie Michelle oben frage ich mich dann aber: Ist Zeit mit den Kindern für deinen Mann nicht das Schönste und Wichtigste? Sorry, dass ich das so provokant formuliere, aber die Frage liegt einfach auf der Hand. 😉

        „Hausfrau und Mutter“ ist natürlich ein wichtiger Job, aber insofern ein fest verankertes Rollenbild, da es den „Hausmann und Vater“ nicht gibt. „Hausfrau und Mutter“ ist an bestimmte Erwartungen geknüpft, mit Klischees beladen und es ist schwer, an diesem Status zu rütteln. Es handelt sich darüber hinaus insofern um alte Rollenbilder, als dass es früher immer so war: Sie Hausfrau, er Vollzeit berufstätig. Dieses alte Ideal aufzubrechen, ist gar nicht so leicht, wie viele Paare täglich merken. Sei es, weil Chefs nicht akzeptieren wollen, wenn Männer in Elternzeit oder Teilzeit gehen wollen oder weil Frauen nach ihrer Elternzeit kein Anschlussvertrag angeboten wird oder oder.

    • Liebe Klaudia, danke für den schönen Einblick in euer Modell. Ich kann es sehr gut verstehen, dass man die ersten Jahre mit den kleinen Kindern auskosten will. Wie Michelle habe allerdings auch ich den Einwand, dass es für die Väter doch im Umkehrschluss sehr schade ist. Die Mütter haben dann den ganzen Tag die Kinder, die Väter nur abends und am Wochenende.

      Für mich persönlich macht es da mehr Sinn, dass wir beide arbeiten, aber nicht Vollzeit und so auch beide Freizeit mit unseren Kindern verbringen können. So wird es dann auch möglich, dass das Kind nur halbtags in die Kita oder zur Tagesmutter geht.

      Grundsätzlich bin ich natürlich deiner Meinung, dass Familienarbeit mehr geschätzt werden muss, auch finanziell. Das sollte es aber auch, wenn z.B. beide Elternteile Teilzeit arbeiten um sich zu gleichen Teilen um ihre Kinder zu kümmern. Also: Ehegattensplitting dringend abschaffen und da unterstützen, wo Kinder sind!

  2. Trista

    Schöner Text und wichtiges Thema!
    Mir gefällt Klaudias Kommentar, so etwa sehe ich es auch. Meiner Ansicht nach ist es ein Trugschluss anzunehmen, genauso viel malochen zu müssen wie ein Mann, hat irgendwas mit Emanzipation zu tun! Die Besinnung auf das was einem wirklich wichtig ist im Leben (und das ist für viele nun mal die Familie im hier und jetzt) ist ein Grund weshalb viele Menschen sich dazu entscheiden Arbeit zu reduzieren und mit weniger Geld auszukommen. Das war eine zeitlang total out und zum Glück ändert sich das gerade! Emanzipation ist es aber sehr wohl dafür zu kämpfen, dass Frauen und Männer gleiches Geld für gleiche Arbeit bekommen, so dass eine realistische Möglichkeit besteht das der Papa erste Bezugsperson für die Kinder werden kann und das die Zeit als Hausmensch vernünftig bezahlt wird!

  3. Angela

    Liebe Sophie, ich kann deinen Text nur unterschreiben! Es sind genau die Punkte, die du nennst, die auch mir in Mareices Artikel sauer aufstoßen. Dort wird gewissermaßen Dogmatismus wieder mit Dogamtismus begegnet, und das Stillen muss für ganz schön viel als Sündenbock herhalten, finde ich. Du hingegen zeichnest ein Bild, das nicht nur schwarz und weiß sieht, sondern auch ganz viel dazwischen. Weil im Leben fast nichts nur schwarz/weiß ist. Den eigenen Weg finden, ohne andere dabei anzuklagen. Und immer wieder neu justieren. Gar nicht so einfach, aber die einzige sinnvolle Lösung, glaube ich. „Gleichberechtigung ist am Ende ohnehin immer das, was man daraus macht.“ Genau! Darüber habe ich mich auch bei Laura drüben auf heuteistmusik schon ein paar Mal ausgelassen 😉

    Eine anderen, interessanten Punkt aus deinem Beitrag möchte ich aber auch noch ansprechen, weil ich den inzwischen schon öfter gelesen habe: „Stillen ist außerdem hip, besonders in Akademiker-Kreisen, in denen auch ich einen Rückwärts-Trend zur klassischen Rollenverteilung wahrnehme: Er arbeitet, sie entscheidet sich (natürlich total freiwillig!) dazu, „kindergartenfrei“ mit den Kindern Zuhause zu bleiben.“
    Denn ich bin genau so eine Akademikerin, wie du sie beschreibst. Jetzt kenne ich natürlich nur meine persönlichen (Hinter-)Gründe (und die sind vielschichtig), und mich würde interessieren, ob du einen besseren Überblick hast, warum sich dieser Trend allgemein entwickelt hat?? Ich bin sehr gespannt auf eine Antwort! 🙂
    Beste Grüße, Angela

    • Liebe Angela, danke für dein Feedback! Ich fände es natürlich auch sehr spannend, deine persönlichen Gründe für den längerfristigen Berufsausstieg zu erfahren. Und z.B. auch etwas darüber, wie du finanziell für dich vorsorgst und deine Zukunft planst (ich hätte zum Beispiel immer tierische Panik, den Anschluss zu verlieren und nie wieder einen vernünftigen Job zu finden. Aber ich arbeite auch in einem sehr digitalen Umfeld und habe das Gefühl, da echt am Ball bleiben zu müssen. Vielleicht ist das in anderen Branchen anders).

      Über die Gründe, warum Akademikerinnen wieder vermehrt Zuhause bleiben, könnten bestimmt ganze Soziologie-Arbeiten verfasst werden. Ich fühle mich da dezent unqualifiziert. 😉 Meine persönliche Vermutung ist jedoch, dass das Leben mit Kindern und Beruf auch einfach überfordernd sein kann. Und für Frauen ist die gesellschaftliche Ächtung nicht so groß, wenn sie sagen: Ich steig da jetzt aus!

      Ein großes Problem sehe ich vor allem darin, dass häufig nur Mütter die Doppelbelastung haben: Nach der Elternzeit reduzieren sie ihre Stunden und haben dann Job, Kinder und Haushalt an der Backe, während der Ehegatte entspannt Vollzeit arbeiten geht und abends die Füße hochlegt. Leider läuft es in viel zu vielen Familien so. Und dann ziehen die Frauen es verständlicherweise vor, lieber gleich den Job zu schmeißen, wenn das Geld auch so reicht (das Ehegattensplitting tut dann sein übriges dazu). Gleichberechtigung und ähnliche Arbeitszeiten würde ja helfen, aber das geht ja dann angeblich nicht, weil… (hier diverse Ausreden einfügen).

      Du liest heraus: Mich macht das Thema echt fuchsig. 😉 Ich sehe da aber auch ganz stark die Männer in der Pflicht, zu sagen: Ich will mich aber auch um meine Kinder kümmern und dann organisiere ich, dass das geht. Und ich sehe den Staat in der Pflicht, endlich das Ehegattensplitting abzuschaffen oder Teilzeitmodelle für Männer irgendwie zu fördern.

      • Angela

        Die Antwort wird etwas länger ausfallen, aber sie ist in Arbeit 😉
        (Und diesen Kommentar darfst du dann auch wieder löschen)

  4. Danke für deinen umfangreichen und auch sehr persönlichen Text über das Stillen. Ich habe beide Kinder 9 Monate gestillt, also insgesamt 3 Jahre – Was habe ich das erste Bier nach diesen drei Jahren genossen! 😀

    Allerdings habe ich bei Kind 2 nur noch „durchgehalten“, weil ich Kind 1 auch 9 Monate gestillt habe. Dann sollte das zweite Baby wenigstens auch so lange Muttermilch haben dürfen. Alles in allem fand ich Stillen aber irgendwann Kräfte raubend und anstrengend (dabei klappte das Stillen perfekt). Es war natürlich cool, sein Baby selbst versorgen zu können, darauf war ich durchaus stolz. Nur hatte ich deutlich weniger Energie und hatte irgendwann keine Lust mehr, ständig anzulegen und zu warten, bis ich mich wieder bewegen kann.

    Das klingt jetzt ziemlich hart; das sollte es gar nicht – ich war in der Zeit wahrscheinlich einfach insgesamt sehr erschöpft; schon allein wegen des Schlafmangels. Kind 1 hätte ich ja auch noch länger gestillt, aber sie mochte nicht mehr.^^

    • Angela

      Ich finde es total interessant, wie unterschiedlich (anstrengend) das Stillen empfunden wird. Gut, ich habe nicht wirklich einen Vergleich, weil ich seit dem ersten Kind, also seit 4,5 Jahren durchgehend stille. Aber ich habe es nie als anstrengend empfunden, eher im Gegenteil: ich fand es sehr entlastend, dass ich zwischendurch auch mal gemütlich sitzen konnte und niemand was anderes von mir wollte – speziell, als ich die ersten beiden tandemgestillt habe. Dafür kenne ich das (noch?) nicht, dass ein Kind von sich aus nicht mehr stillen will…. So verschieden sind wir alle!

  5. Elena

    Liebe Sophie,

    mein Kleiner ist einen Monat nach dem Räupchen geboren,mein Großer ist gerade 7 und ein Anspruch alles Kind. Daher lese ich sehr gerne deinen Blog.Weil die Themen immer wieder passen.

    Ich habe den Großen 2 Jahre gestillt und habe, erst als er fast vier war angefangen zu arbeiten.Da ich zuerst mein Studium kurz nach Geburt beendet hatte und dann einfach keinen Einstieg gefunden habe. In die Kita kam der Große mit 2,da wir mit eins keinen Platz gefunden hatten. Ich muss schon sagen,dass ich besonders die ersten 2 Jahre sehr genossen habe.

    Jetzt wollten wir es beim Kleinen trotzdem anders machen. Ich stille jetzt seit 14 Monaten und ja auch überall und das obwohl ich jetzt auch Mal 12std aus dem Haus bin. Und Nachts – so schläft er halt sofort wieder ein. Auch wenn ich ähnlich zwiespältig bin wie du bzgl Mal Abends weggehen. Für mich drängt das Stillen mich nicht in eine stille Ecke. Ich gehe seit 2 Monaten wieder 65%arbeiten und jetzt ist mein Mann bis Feb. noch komplett zuhause. Wir verzichten dafür auf viel Geld. Meine 65%sind knapp 25%,bei ihm.Er bekommt jetzt zwar den Höchstsatz Elterngeld bzw. die Hälfte davon,aber wir müssen dieses Jahr schon sehr rechnen bzw. Erspartes dazutun. Ab März werden wir beide TZ weiterarbeiten zuerst er 50 ich 65,ab August/Sep dann er etwss mehr als ich. Mein Mann wollte unbedingt auch Zeit für/ mit unseren Kindern haben und ich wollte diesmal,da ich ja gerade erst in das Berufsleben gestartet bin,nicht zu sehr rauskommen. Kitaplatz haben wir keine Guten bekommen.Mein Mann ist damit ein Exot in der Firma,aber von Seiten des AG gab es keine Probleme. Und genau die ersten Jahre sind so toll,warum sollte er darauf verzichten müssen.

    Als körperl. anstrengend empfinde ich das Stillen übrigens manchmal schon. Ab dem 8. Monat purzelten bei mir die Kilos und ich wiege locker 5kg als vor der Schwangerschaft.Ich muss gut darauf achten genug zu Essen. Aber noch überwiegen für mivh die praktischen Vorteile und in der Mittagspause komme ich entspannter und zu „mehr“ essen als Zuhause mit den Kindern…

    Äh,ja,das geht jetzt fast am Thema vorbei,deinen Gedanken zum ursprünglichen Thema stimme ich jedenfalls voll zu.

    Liebe Grüße,

    Elena

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