Neues aus der Tabuzone: Von hormonfreier Verhütung und Menstruationsbechern

Hallo, mein Name ist Sophie. Ich verhüte ohne Hormone und ich benutze einen Menstruationsbecher. Wer jetzt laut „AAAAHHHH“ schreit und angewidert die Mundwinkel verzieht, sollte lieber nicht weiterlesen. Denn der folgende Text beinhaltet Körperlichkeiten.

Vergangenen Donnerstag sendete Frau TV einen Beitrag über die hormonelle Verhütung mit der Pille. Erzählt wurde die dramatische Geschichte einer 19-jährigen jungen Frau, die als Nebenwirkung ihrer als harmlos geltenden Verhütung einfach mal so mir-nichts-dir-nichts eine beinahe tödliche Lungenembolie bekommen hatte. Wie das Beratungsgespräch bei ihrer Frauenärztin ausgesehen hat? Ungefähr so:

„Guten Tag, ich hätte gerne die Pille.“
„Hier, bitte schön.“

Sind Frauen anwesend? Dann jetzt alle mal die Hände hoch: Wer hat diese Situation so oder so ähnlich schon mal erlebt? Ich zumindest erinnere mich, dass der Gynäkologe, zu dem ich 16-jähriges Küken damals Mitte der 2000er ging, unter uns Teenagern beliebt war, weil er die Pille verschrieb, ohne seine minderjährigen Patientinnen überhaupt zu untersuchen. Klar hatten wir unwissenden Girls berechtigterweise Horror vor den Folterinstrumenten in frauenärztlichen Praxen.

Trotzdem wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, mal zu gucken, ob das jeweilige Mädchen überhaupt funktionierende Eierstöcke hat oder ob sonst alles Okidoki ist, bevor man ihm Hormone einverleibt. Aber das hielt dieser Arzt gar nicht für nötig. Wir spazierten also in Scharen in seine Praxis und kamen mit kleinen, bunten Pillchen wieder raus, die wir sorglos schluckten, denn die einzige Nebenwirkung, über die wir aufgeklärt worden waren, war: Du kannst jetzt nicht mehr schwanger werden! Hurra!

Worüber niemand spricht

Wir nahmen also die Pille, schossen uns jedes Wochenende mit Wodka-Brause ins Delirium und rauchten wie die Schlote rote Gauloises. Eigentlich ist es ein Wunder, dass keine von uns irgendwelche schlimmen Arterienverstopfungen erlitten hat. Von der Pharma-Lobby werden schlimme Vorfälle, die auch von Ärzten mit der hormonellen Verhütung in Zusammenhang gebracht werden, stets als Einzelfälle abgetan. Dass dies nicht stimmt, zeigt zum Beispiel die Seite Risiko Pille, die die schlimmen Fälle sammelt, in denen (zum Teil noch sehr junge) Frauen aufgrund der Pille Thrombosen, Lungenembolien, Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Hirnödeme erlitten haben.

Der eigentliche Skandal ist jedoch nicht das Verhalten der Pharma-Lobby. Lobby ist eben Lobby und wir kennen unsere Pappenheimer. Der größte Skandal ist das Verhalten unserer Frauenärzte und -ärztinnen, denen wir vertrauen und die so oft im Grunde nichts anderes tun, als uns Frauen an die Pharmaindustrie zu verkaufen.

Ich kenne Geschichten von Gynäkologinnen, die nur bestimmte Präparate verschreiben, da sie von den jeweiligen Herstellern verschiedene Vorteile erwarten können. Die Vertretungsärztin meines langjährigen Frauenarztes ging so weit, mich massiv für ein bestimmtes Präparat anwerben zu wollen. Innerhalb von fünf Minuten schaffte sie es, den Arztbesuch in ein Verkaufsgespräch à la Thermomix zu verwandeln. Als sie merkte, dass ich resistent war, warf sie mir noch schnell Verantwortungslosigkeit vor und entließ mich ohne Gnade.

Ärztliche Beratung = mangelhaft

Im Mittelpunkt solcher Arzt-Patientin-Gespräche stehen stets nur die Vorteile der Pille: Sie ist eben eine (in Bezug auf den Pearl-Index) sichere und bequeme Art der Verhütung. Nach den Nachteilen und Nebenwirkungen muss man schon aktiv fragen und erhält auch dann meist keine zufriedenstellende Antwort. Nebenwirkungen? Langfristige Auswirkungen der dauernden künstlichen Hormoneinnahme? Ach, schauen Sie sich doch lieber die Kosten-Nutzen-Rechnung an!

Aber es ist ja auch logisch: Ärzte und Ärztinnen empfehlen gerne Dinge, die ihnen auch etwas bringen. Wer schon mal versucht hat, mit seinem Frauenarzt über Natürliche Familienplanung (NFP) zu sprechen, weiß, wovon ich schreibe. Eine Beratung zur hormonfreien und natürlichen Verhütung dauert lange und bringt kein Geld. Kompetente Ärzte wissen immerhin davon, dass es NFP gibt und besonders nette verweisen an Beratungsstellen oder haben sogar Infomaterial in ihrer Praxis ausliegen. Mein Arzt ist ein solcher und deswegen finde ich ihn gut.

Allerdings war auch er ganz verdattert, als ich ihm eines Tages freudig meine eigens gefundene Lösung für ein langjähriges Problem verkündetet: Ich hatte früher oftmals mit bakteriellen vaginalen Entzündungen zu kämpfen und war zwischendurch ganz verzweifelt, weil ich doch alles richtig machte und trotzdem nichts half. Ich setzte mich zum Beispiel nie auf öffentliche Klobrillen, achtete auf richtige Intimhygiene (höchstens alle zwei Tage duschen, keinesfalls täglich!) und traute mich auch nicht mehr in Schwimmbäder.

Aber ich hatte die ständigen Infektionen nie mit meiner Monatshygiene in Zusammenhang gebracht! Der Tag, an dem eine Bekannte mir den Menstruationsbecher empfahl, veränderte alles! Seitdem ich keine Tampons mehr benutze, die meine Schleimhäute austrocknen und das Feld für schädliche Bakterien frei machen, hatte ich keine einzige Infektion mehr. So einfach kann es sein!

“Menstruationsbecher? Nie gehört!”

Mein Frauenarzt hörte interessiert zu. Auch er hatte sich schon gefragt, ob die Infektionen mit meiner Periode im Zusammenhang stehen könnten. Aber er hatte noch nie von einem Menstruationsbecher gehört! Das wiederum verwunderte mich: Mein fortschrittlicher Arzt, der wirklich immer alles versucht, um seinen Patientinnen zu helfen und der bestimmt täglich Frauen in seiner Praxis hat, die über wiederkehrende Infektionen klagen, hatte noch nie an die einfache Lösung gedacht, dass es an einer falschen Monatshygiene liegen könnte?

Es erstaunt mich nach wie vor, dass Frauenärztinnen und -ärzte so selten das tatsächliche Wohl ihrer Patientinnen im Blick haben. Sollten sie dafür nicht auch gerne mal nach (aus ihrer Perspektive) ungewöhnlichen Mitteln suchen? Ich finde nämlich schon, dass Gynäkologinnen und Gynäkologen von der Existenz der Menstruationsbecher wissen und diese auch ihren Patientinnen empfehlen sollten. Die Silikonbecher sind nämlich ganz offensichtlich nicht nur ökologischer als die üblichen Wegwerfhygieneartikel, sondern auch sehr gesund für den weiblichen Körper: Das medizinische Silikon der Becher ist hygienisch und sicher – und greift, anders als austrocknende Tampon-Watte, das so wichtige Gleichgewicht der Schleimhäute nicht an.

Selbstbestimmt Frau sein

Doch Ärzte bleiben leider viel zu oft auf ihren gewohnten Pfaden, bedienen die Wünsche ihrer Pharma-Vertreter und orientieren sich zu wenig an den tatsächlichen Bedürfnissen oder Problemen ihrer Patientinnen. Mich stört das sehr und deswegen habe ich mittlerweile das Gefühl, einen Aufklärungsauftrag gegenüber meinen Frauenärzten zu haben: Ich weise bei neuen Ärzten gerne freundlich darauf hin, dass ich hormonelle Verhütung aufgrund der teils schwerwiegenden und kaum zu beeinflussenden Nebenwirkungen ablehne und aufgrund der besseren Verträglichkeit während meiner Periode einen Menstruationsbecher benutze. Außerdem habe ich auch meinen Freundinnen vom Menstruationsbecher erzählt und alle, die es ausprobiert haben, sind ganz begeistert davon und benutzen nichts anderes mehr.

Es ist also wie so oft: Wir Frauen müssen über unsere Körper sprechen! Menstruation und Verhütung (ja, auch die natürliche mit Schleimbeobachtung und Muttermundtasten) sind keine ekligen Dinge, sondern ganz natürlich und auch sehr spannend! Wir können so viel über unsere Körper lernen und sogar stolz darauf sein, wie einwandfrei sie jeden Monat aufs Neue funktionieren.

Diese Themen sollten nicht nur noch häufiger unter Freundinnen besprochen werden, sondern gehören unbedingt auch in die Öffentlichkeit. Reden wir also mehr darüber, sprechen wir unsere Ärztinnen und Ärzte darauf an, fragen wir nach, seien wir kritisch, finden wir eigene Lösungen, die gut für unser Wohlbefinden sind! Zu einem Tabu-Thema werden Dinge nur, wenn man sie dazu macht. Wir machen das nicht. Wir sind Frauen, das sind unsere Körper – und wir bestimmen darüber!

6 Kommentare zu „Neues aus der Tabuzone: Von hormonfreier Verhütung und Menstruationsbechern

  1. Lille

    Sehr gutes Thema, vielen Dank für diesen Beitrag, auch wenn er schon älter ist!
    Habe auch eine Tasse, allerdings finde ich es nach wie vor schwierig, diese richtig zu platzieren. Ich bleibe am Ball, bzw an der Tasse 😉

  2. Martha

    Ebenfalls hier!
    Begeisterte Lunette Tassen Nutzerin und Kupferketten Trägerin!
    Ich trau mich leider nur noch nicht, meinen Gyn nach der Benutzung der Tasse zusammen mit der Kette zu fragen, weil ich ihn mit meinen 18 Jahren schlimmstenfalls nicht erklären will, was das überhaupt ist. Hast du einen Tipp, wie ich das am besten anspreche?

    • Puh, am besten einen Arzt suchen, der sich damit auskennt…? Ansonsten habe ich gute Erfahrungen gemacht, den Ärzten einfach offen zu berichten. Ist ja deren Job, sich weiterzubilden, selbst dann, wenn es mal durch eine Patientin ist. 😉 Und wenn der Arzt keine Ahnung hat wie sich das verträgt, dann bitte ihn darum, das für dich zu recherchieren. Die meisten machen das gerne und freuen sich auch, was neues zu lernen.

      Meinem Halbwissen nach sollte sich das aber doch eigentlich gut vertragen, weil es zwischen Kette und Becher doch gar keine Berührung geben kann, oder?

  3. Hallo Irina,

    Danke für den Beitrag.
    Ich bin auch aus der Generation “Tampon” und suchte alternativen.
    Dann habe ich die Tassen gefunden und somit auch deinen Blog.

    Wollte fragen, ob du Erfahrung hast, wie sich die Menstruationstasse nach der Schwangerschaft verändert.
    Bzw. Wie hast du gemerkt, das die “alte” Tasse vor der Schwangerschaft nicht mehr passt.

    Finde es gut das sich immer mehr alternativen suchen und die Umwelt etwas schonen wollen.

    Betreibe deshalb auch einen Blog im Aufbau, damit sich mehr Leute Informieren können.
    Wurde mich freuen wenn du mich verlinken kannst.
    bzw. deine Erfahrung mit mir teilen kannst.

    Danke

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