Natürliche Verhütung: Was heißt hier eigentlich „sicher“?

Dass natürliche Verhütung sicher sein kann, ist in den meisten Köpfen ja immer noch nicht angekommen. Leider ist gleichzeitig in kaum einem Kopf angekommen, dass hormonelle Verhütung viele Risiken birgt. Das ergibt eine blöde Kombination, weil man in der Folge mal wieder zahlreich in den Medien liest: Die neue TüV-geprüfte Verhütungsapp ist eine prima Idee, aber auf Nummer sicher geht ihr Frauen nur, wenn ihr die Pille nehmt!

Wer so was sagt? Na, die Frauenärzte natürlich! Reihenweise kommen sie aktuell in den Medien zu Wort und dürfen öffentlich die Verhütungsapp „Natural Cycles“ abkanzeln, die als erste ihrer Art jüngst vom TüV geprüft und als sicheres Verhütungsmittel anerkannt wurde. In der Badischen Zeitung klingt das dann etwa so:

„Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, schätzt Natural Cycles kritisch ein. […] Generell seien natürliche Verhütungsmethoden nur für Paare geeignet, die keine absolut sichere Verhütung bräuchten und mit einer Schwangerschaft insgesamt einverstanden seien, so Albring. „Als Ersatz für hormonelle Methoden taugen sie alle nicht.“

Man könnte sich jetzt fragen, warum Herr Albring als Alternative ausschließlich die hormonelle Verhütung anbringt, obwohl es mittlerweile doch viele erprobte und sichere nicht-hormonelle Verhütungsmethoden gibt. Könnte das etwa damit zusammenhängen, dass Frauenärzte und Pharmafirmen ein kleines bisschen ungesund miteinander verwoben sind und hormonelle Verhütung vor allem eins ist: Ein wahrer Goldesel?

Auf diesem Punkt möchte ich gar nicht weiter herumreiten. Stattdessen möchte ich die Frage stellen, warum Ärzte wie Herr Albring so vorschnell negativ urteilen. Denn ich habe da einen ganz bösen Verdacht: Könnte es vielleicht sein, dass unsere Ärzte uns Frauen mal wieder nicht zutrauen, in irgendeiner klitzekleinen Form mitzudenken?

Auch bei Verhütungs-Apps heißt es: Mitdenken!

Ich kenne die Verhütungs-App Natural Cycles nicht. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass sie den Nutzerinnen ohne jede Erklärung und Methodenbeschreibung ausgehändigt wird. Denn eins sollte klar sein: Wer natürliche Verhütung betreibt, muss sich in die Methodik einlesen und und Sinn und Verstand benutzen, um sie fehlerfrei anzuwenden. Auf SWR3 finde ich immerhin folgende Aussage:

„Die Macher der App weisen selbst daraufhin, dass das Messen nichts bringt, wenn man sich krank fühlt, am Abend vorher Alkohol getrunken hat oder zwei Stunden früher oder später aufsteht als sonst.“

Wer sich mit natürlicher Verhütung auskennt, weiß: Verfälschte Werte müssen ausgeklammert werden und dürfen nicht in die Auswertung miteinbezogen werden. Im blödesten Fall bedeutet das, dass man auch schon mal gar nicht auswerten kann, zum Beispiel weil man zwei Wochen eine Erkältung mit sich rum schleppt und eine dauerhaft erhöhte Temperatur hat.

Dass ich selbst dafür verantwortlich bin, Werte auszuklammern, bedeutet natürlich: Hier muss ich mitdenken! Eine Verhütungsapp nimmt mir nämlich nicht jegliche Arbeit ab – ich muss ihr schon sagen, welche Temperaturen ich in die Auswertung miteinfließen lassen will. Das steht so allerdings in keinem Zeitungsartikel zum Thema. Die Journalisten scheinen das Prinzip App eher so zu verstehen: Die Frau liefert Zahlen, das System das Ergebnis. So einfach geht es dann aber leider doch nicht.

Jede Verhütungsmethode bedeutet: Kopf anschalten!

Aber ist das jetzt wirklich so ungewöhnlich? Denn auch bei anderen Verhütungsmethoden müssen Frauen oder Männer doch gelegentlich mitdenken! Kondome sollten nur ein Mal benutzt und vorsichtig angewendet werden. Die Pille muss täglich genommen werden – manche Präparate sogar zu möglichst derselben Uhrzeit (und die Frau sollte möglichst nicht rauchen oder sonstige Dinge tun, die Thrombosen begünstigen). Ein Diaphragma muss sogar angepasst werden und von der Frau immer fachgerecht eingesetzt werden. Usw., usf.

Verhütung bedeutet doch immer: Kopf anschalten! Warum soll das jetzt bei der natürlichen Verhütungsmethode und der TüV-geprüften App plötzlich so ein großes Problem sein? Warum lassen die Medien die vorurteilsbelasteten Meinungen von pharma-beeinflussten Frauenärzten zu Wort kommen – kommen jedoch nicht auf die Idee, mal generell darauf hinzuweisen, dass keine Verhütungsmethode „sicher“ ist, solange die Anwender*innen nicht mitdenken? Warum weist keine Zeitung darauf hin, dass eine App ein gutes Hilfsmittel ist um natürliche Verhütung sicher zu betreiben, aber die eigene Interpretationsleistung natürlich nicht komplett ersetzen kann?

Herzlich lachen musste ich beim Lesen eines Artikels in der Print-Ausgabe der WAZ, einem lokalen Zeitungsblättchen hier im Ruhrgebiet (das übrigens vor ein paar Jahren sein Lektorat abgeschafft hat, so viel schon mal zu Fragen der Qualität der Zeitung…). Die berichtende Journalistin nannte darin tatsächlich den großen Nachteil, dass mit einer Verhütungsapp spontaner Sex ja quasi gar nicht möglich sei. Du meine Güte!, dachte ich. Wie furchtbar, wenn Frauen aufgrund ihrer natürlicherweise auftretenden fruchtbaren Tage nicht mehr ständig und spontan ihren Männern zur Verfügung stehen! Was sollen die armen Männer da nur machen? Etwa Kondome benutzen?! Das kann ja nun wirklich keiner von den Ärmsten verlangen, oder?

Medienberichterstattung: Schlecht recherchiert und uninformiert

Hier ein überraschender Fakt für alle uninformierten Journalistinnen: Spontaner Sex ist tatsächlich immer möglich. Wenn man denn bereit ist, während der fruchtbaren Tage auf andere Verhütungsmethoden zurückzugreifen. Und nein, schnell rausziehen gehört übrigens nicht dazu.

Herrje, diese schlecht recherchierten und unaufgeklärten Berichterstattungen über natürliche Verhütungsmethoden machen mich mehr als nachdenklich. Glücklicherweise gibt es mittlerweile aber auch viele gute Quellen, die objektive Infos verbreiten und sich nicht durch die Frauenarzt- und Pharma-Lobby einschüchtern lassen (z.B. mynfp.de oder den Blog wearetheladies.de). Trotz allem ist es wohl noch ein weiter Weg, bis auch bei den borniertesten Holzköpfen angekommen ist, dass Verhütung eben immer Mitdenken erfordert – und gerade die hormonelle Variante nicht unbedingt sicher(er) ist, vor allem wenn man mal die ganzen gesundheitlichen Risiken mitdenkt!

7 Kommentare zu „Natürliche Verhütung: Was heißt hier eigentlich „sicher“?

  1. Mareike

    Danke für diesen Text! Ich merke richtig, wie wütend du bist – mir geht es genauso. Uninformierte Leute verstehen einfach nicht, wie gut solche Methoden funktionieren können, besonders wenn auch mal Durchfall, Antibiotikagabe, …auftritt, wo man den Pillenschutz für den ganzen Monat vergessen kann. Und auch die Mythe vom benötigten regelmäßigen Zyklus hält sich hartnäckig (hatte ich noch nie in den 7 Jahren NFP, auch keine unerwünschten Schwangerschaften).
    Da hilft nur weiterhin Freundinnen drauf hinweisen. Und auch mal den Frauenarzt wechseln, wenn nur doofe Sprüche kommen…

    • Ja mich macht das echt wütend und ich verstehe auch nicht, wie man als Journalistin derart schlecht recherchieren kann! Man müsste doch zumindest beide Seiten zu Wort kommen lassen, also neben dem bornierten Frauenarzt z.B. noch jemanden aus der Arbeitsgruppe NFP oder von mir aus auch eine „normale“ Frau, die seit Jahren so erfolgreich verhütet.

      Ich habe auch schon oft den Frauenarzt gewechselt. Wenn beim ersten Gespräch kam: Aber Sie müssen doch wieder die Pille nehmen! Wie wollen Sie denn sonst sicher verhüten?! war für mich gleich klar: Hier gehe ich nicht mehr hin!

  2. Liebe Sophie,

    du sprichst mich mit diesem Text so aus dem Herzen! Ich rege mich schon so lange darüber auf, dass es anscheinend nur die Pille als „akzeptable“ Verhütungsmethode angesehen wird – sowohl gesellschaftlich, als auch bei den Frauenärzten. Bester Spruch meiner Schwiegermutter: „Wenn du keine Pille nimmst, ist es ja reines Glück, dass du nicht schwanger wirst. Alles andere ist ja nicht wirksam und Kondome kann man dem Mann ja nicht antun…“ WTF!!!

    Ich kann sogar aus eigener Erfahrung sagen, dass Stillen KEIN Hindernis ist um mit NFP zu verhüten 😉 …

    Mein Mann ist übrigens ein echter Verfechter von NFP! Er meint: es ist die Verhütungsmethode, die am gleichberechtigsten für Mann und Frau ist. Was ist erschreckend finde: mein Mann kennt sich besser mit den Gegenseiten des weiblichen Zyklus aus, als viele Frauen, die über Jahre mit Hormonen ihren natürlichen Zyklus und alles was damit zusammenhängt unterdrücken!

    Du hast absolut Recht: man muss immer und bei jeder Art von Verhütung das Gehirn einschalten – eben nicht nur bei NFP!

    Liebe Grüße
    Mother Birth

    • „Kondome kann man dem Mann ja nicht antun“ ist glaube ich echt verwurzelt in der Generation meiner Eltern. Nach abgeschlossener Familienplaung hieß es da dann dafür oft für den Mann: schnippschnapp! Das würde ich aber auch nicht wollen, wegen Krebsrisiko etc. (Langzeitstudien gibt’s da wohl noch nicht so recht).

      Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, wie viele Frauen gar keine Ahnung von ihrem eigenen Körper haben. 🙁

  3. Melanie

    Ich nutze NFP schon ewig trotz sehr unregelmäßiger teils langer Zyklen wg PCOS… klappt prima. Ich kann das nfp-Forum auch empfehlen:) Lauter nette Forinnen und alle sehr hilfsbereit bei Fragen.

  4. Hallo Sophie,
    NFP wird allzu oft mit der reinen Temperaturmethode in einen Topf geworfen und man hat tatsächlich das Gefühl, das Journalisten gar keine Lust haben, sich mit dieser „Hippie-Verhütung“ auseinanderzusetzen. Von meiner Freundin muss ich mir auch ständig anhören, dass ich bloß damit aufhören soll, weil es zu unsicher sei.
    Ich bin unglaublich froh, dass ich dank NFP mit Anfang 40 endlich mehr über meinen Körper erfahre. Ich freue mich jeden Monat über meine recht stabilen Zyklus-Kurven und bin fasziniert, dass ich meine Blutung fast auf den Tag genau bestimmen kann. Nur meinen Mann kann ich noch nicht so ganz davon überzeugen, ihm ist das leider zu unsicher. Auf meinem Blog habe ich gerade ein Buch zur hormonfreien Verhütung vorgestellt, es gibt so viel mehr als Pille und den ganzen anderen Kram. 🙂
    https://mykikabu.blogspot.de/2017/03/buchtipp-verhuten-ohne-hormone.html

    LIebe Grüße, Viola

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