Lieber Körper,

es tut mir so leid. Wirklich und ehrlich. Ich weiß, du wolltest das nicht. Ich weiß, du hattest spätestens nach dem zweiten Mal genug. Und ich alte Sumpfkröte brocke dir das allen Ernstes noch ein drittes Mal ein. Es tut mir leid. Ich wollte es ja selbst nicht.

Aber immerhin habe ich das Glück, dass ich ja auch noch einen Kopf besitze. Der gehört zwar auch zu dir, meinem armen Körper, aber er leidet nicht allzu sehr. Im Gegenteil hält er sich gerade erstaunlich wacker. Trotz Corona-Drama, Politikversagen und Home-Office-Kinderbetreuungschaos. Der Kopf kann sich vor allem auch freuen: Auf ein kleines, weiches, duftendes Baby, das bald alle Strapazen vergessen machen wird. Danke Kopf, danke Körper.

Ein monatelanges Elend

Vor allem danke Körper. Dafür, dass du das noch mal durchstehst. Denn es ist einfach zu krass. Ich sehe, ja ich fühle ja selbst, wie sehr du leidest. Erst diese monatelangen Magenkrämpfe, Übelkeit, Durchfall, ständiges Unwohlsein. Die bleierne Erschöpfung dazu. Drei Monate Noro-Virus, ganz ohne Virus, das schaffen auch nicht viele. Und vor allem würden das sicher nicht alle so gut durchhalten! Du hast es geschafft, ich bin unglaublich stolz auf dich.

Auch, wie du das jetzt weiterhin packst. Obwohl du mich jeden Morgen erst mal in die Knie zwingst, weil du willst, dass ich mich am besten sofort wieder hinlege. Schwindel vor dem Badezimmerspiegel, keine Luft zum Atmen, alles dreht sich. Erst mal wieder hinsetzen. Aber dann muss es halt weitergehen. Die Kinder brauchen Frühstück und dann klingelt auch bald das Telefon mit der ersten beruflichen Anfrage.

Ich zwinge dich zum Weitermachen

Ich sehe, wie du dich quälst. Ich fühle das ja. Und trotzdem zwinge ich dich zum Weitermachen. Und du lässt es zu, trägst mich durch den Tag. Kurzatmig, langsam, mit zähen Kräften, aber du tust es für mich. Du erträgst stoisch, wie ich deine Alarmsignale ignoriere. Hier ziept es und da zwickt es. Na und? Keine Zeit jetzt dafür. Na gut, heute Abend eine Runde Yoga, aber bis dahin ist es noch lang. Komm, die paar Stunden schaffst du noch! Und du schaffst es, für mich.

Ich weiß, dass es hart ist, was ich dir gerade abverlange. Und dabei ist es gar nicht viel, im Vergleich zu dem, was ich sonst von dir will. Aber du kannst gerade nichts geben – oder eben doch so viel mehr. Du gibst dem Baby, du ernährst gerade zwei ganze Menschen, anstatt nur einem. Du baust ein komplett neues Leben, mit Haut und Haar und Knochen und Gehirn und Grips. Du bist ein Wunder.

Es tut mir so leid, dass ich in dieser Gesellschaft lebe

Und es tut mir so so leid, dass ich dich dabei nicht mehr unterstütze. Es tut mir so leid, dass ich in einer Gesellschaft lebe, die keinen Unterschied macht zwischen Frauen und Männern – wenigstens in diesem einen einzigen Punkt nicht, und der heißt Leistung. Bei uns ist es leider egal, ob du gerade schwanger bist und ein neues Leben erschaffst oder halt nicht. Faul rumliegen ist hier niemandem erlaubt. Nicht mal dann, wenn das Faulsein sich nur im Außen spiegelt, während im Inneren das Fleißigste abläuft, das man sich nur vorstellen kann.

Es tut mir leid, dass ich es auch beim dritten Mal nicht schaffe, mich diesem Leistungsethos zu entziehen. Dass ich mich darüber definiere, was ich geleistet habe. Wie viele Websites getextet, wie viele Bücher geschrieben, wie viele Landing Pages konzipiert, wie viele Kunden glücklich gemacht. Und auch: Wie viele Kinder bekocht, wie viele Winterjacken wegsortiert, wie viele Brote gebacken.

Pflege und Ruhe wären so wichtig

Es gibt auch heute noch Kulturen, da werden schwangere Frauen sofort aus dem Alltagsleben abgezogen, sagt zumindest meine Yogalehrerin. Da werden schwangere Frauen gepflegt und betüddelt. Andere kümmern sich um die größeren Geschwister, machen die Feldarbeit und holen das Wasser. Ehrlich, ich bin dankbar, in einem Land zu leben, wo das Wasser aus dem Hahn kommt. Aber gegen ein bisschen Clan-Leben hätte ich dann doch nichts einzuwenden.

Würde mit Corona ja aber eh nicht gehen. Und geht auch sonst nicht, weil bei uns auch die ganzen anderen Frauen aufs Durchhalten gepolt sind. Oder kennst du eine schwangere Frau, die sich lauthals beschweren würde? Nee, ich auch nicht. Die gehen alle brav bis zum Mutterschutz ins Büro. In der S-Bahn kotzen sie vielleicht diskret in eine Tüte, aber muss halt gehen. Und die durchschnittliche Frauenärztin sagt: „Na wegen so ein bisschen Übelkeit kann ich Sie doch nicht dauerhaft krank schreiben“. Ist doch alles ganz normal und sowieso: Arbeit ist wichtig. Auch für mich, sorry.

Noch einen Monat durchhalten

Noch einen Monat, dann wird es entspannter, ich verspreche es dir, mein lieber Körper. Dann sage ich alle beruflichen Anfragen ab. Dann lege ich mich nur noch auf die Hollywoodschaukel und schaue dir dabei zu, wie du das Baby päppelst. Dann öle ich auch mal wieder deinen Bauch, der sich beim dritten Mal noch so viel unangenehmer anfühlt als die beiden Male davor. Dann füttere ich dich mit gutem Bio-Obst und selbstangebautem Gemüse. Dann lasse ich dich endlich in Ruhe brüten.

Das wird super, ich verspreche es dir. Und bitte dich bis dahin: Halte durch. Kriegst auch einen Extra-Keks. Zuckerfrei, natürlich.

6 Kommentare zu „Lieber Körper,

  1. Judy

    Hallo,
    Ich bin auch zwiegespalten;)
    Erwarte aber das vierte finale Kind ( ja, ich kann es selbst nicht glauben), arbeite nebenher ( und zwar gerne – möchte nicht hinnehmen, dass Kinder und Beruf /Karriere) nicht zusammenpassen ), schmeiße den Haushalt, mache Essen, Brotzeiten, bringe und hole die Kinder ab, kümmere mich um Termine, und halte meinem Mann den Rücken frei. Mit dem habe ich in letzter Zeit besonders viel Diskussionen bezgl. Der Rollenverteilung, Paschaverhalten…entwickle feministische Züge…und dann sitzen wir jetzt auch noch immer aufeinander, so dass ich meinen Home Office Platz runter in den Hobbyraum verlagert habe, damit er mich nicht ständig ablenkt..;(
    Bei der Arbeit haben sie keine Ahnung, wie stressig gerade das Familienleben ist. Viele sind single und die haben ja jetzt besonders viel Zeit und arbeiten was das Zeug hält. Warum kann das nicht jede(r) so ?Meetings und Unternehmenserfolg sind wichtiger…j
    Corona macht es extrem schwer ….ich bin auch gerade fix und fertig.

    Wie auch immer, ich kann dich verstehen.
    LG!

  2. Nina Swigon

    Du schreibst das was bei meinen Schwangerschaften in meinem Kopf herumgewuselt ist. Warum bleibt nicht jeder Frau überlassen zu entscheiden ob sie arbeiten kann/will oder eben nicht. Mir ging es in beiden Schwangerschaften nicht gut. Von wegen „Glow“ und so. Am schlimmsten war „Das hast du dir doch so ausgesucht.“ Danke für nichts. Ich wäre gern umtüddelt worden und es hätte bestimmt das ein oder andere für mich leichter gemacht und meinem Körper geholfen sich nach der Geburt besser zu erholen. Stattdessen bin ich 2 Wochen nach Geburt artig zum Elternabend gelatscht. Ergo hat es mich irgendwann mit einer Brustentzündung so gebügelt das ich 2 Wochen unter mega Antibiotika und mit OP im Krankenhaus lag. Ich wünsche dir von ganzem Herzen das du bald in Ruhe brüten darfst und die Gesellschaft wieder mehr auf uns kleine Wale achtet wenn wir die krasseste Leistung unseres Lebens erbringen.
    Liebe Grüße Nina

  3. toaocp

    Ebenfalls die 4. und letzte Schwangerschaft, mit dem Unterschied, ich würde gern arbeiten, darf aber seit Dezember nicht mehr.Mir fehlen die sozialen Kontakte, der Austausch, einfach alles.Ich bin ungeduldiger denn je, kann Stress schlechter abbauen und die Schwangerschaft tut ihren Rest dazu.Die kinderfreien Wochenenden sind der absolute Horror, denn sie sind gefühlt momentan meine einzige Lebensaufgabe, neben der Verarbeitung was sich mein bald (Ex)Mann geleistet hat.Ich habe viel zu viel Zeit nachzudenken und in mich hineinzuhören.Das macht diese Schwangerschaft zu einem gefühlten seit-Jahren-Zustand.Ich freue mich unendlich auf das Kommende, die neue Aufgabe und eindlich wieder jedes We ein Kindilein im Haus.Ich hoffe dann wird es wieder besser, vorallem weil ich dann hoffentlich bald wieder laufen gehen kann.Die schlechten Gedanken einfach wegpusten lassen.Auch ein schöner Frühlingstag schafft viel, aber die sind momentan noch recht selten, machen aber unheimlich viel aus.

  4. Suse

    Mir ging es vor einem Jahr so. Ich habe auch bis Anschlag gearbeitet und meine Ärztin meinte nur, na dann müssen sie bis zum Ende ran :/
    Mit dem Mutterschutz kam der Lockdown und alle vier zuhause. Umpf…
    Wie dem auch sei, es wurde mit einem süßen und duftenden Baby belohnt, dass auch beim dritten Mal nichts von seinem Zauber verliert, jetzt läuft es schon und rückblickend war das Jahr doch nicht so schlimm, dank dieses Zauberwesens und der intensiven Zeit zu fünft. Ja so ein Körper leistet schon Unglaubliches.
    Eine wunderbare Restschwangerschaft und Zeit mit Baby. 💕

  5. Sonja

    Hm… kann ich gar nicht nachvollziehen, deinen Artikel. ich mache eher umgekehrte Erfahrungen. Mein Frauenarzt hat mich in beiden Schwangerschaften ständig gefragt, ob er mich „rausnehmen“ soll und ich hab abgelehnt, weil es mir gut ging. Ich hab und hatte einen Haufen Kolleginnen und auch Bekannte, die versuchen mit aller Kraft ein Beschäftigtigungsverbot zu erwirken. Wer schleppt sich denn kotzend ins Büro? Doch nur die Schwangeren, die ihren Job wirklich super finden. Müssen tut das niemand.
    Ich finde unsere Gesellschaft überhaupt nicht schwangerenfeindlich (im Gegenteil). Wem es nicht gut geht, hat doch kein Problem, eine Krankschreibung zu bekommen, oder?

    Dass es dir nicht gut geht und du mit der Betreuung zweier kleiner Kinder und deinem Job natürlich dann fix und fertig bist, verstehe ich total! Aber das hat (wenig) mit der Gesellschaft oder dem Versagen der Politik zu tun.

  6. Ariana

    Hallo Sophie. Hier ist auch so eine, die durch eine SSW mit einem Baby und eine mit Zwillies durchgepowert hat, Ausnahme im Mutterschutz.

    Mich hat dein Artikel tatsächlich aber sehr berührt. Ich war stets stolz, wie ich alles gemeistert habe oder definiere mich leider auch viel über Leistung. Aber dass ich dadurch meinen Körper nicht unterstütze oder sogar eher gedankenlos überanstrenge – das habe ich bisher erfolgreich verdrängt und das macht mich nachdenklich. Lieben Dank für die Perspektive.

    Ich möchte Dir übrigens wirklich auch mal ‚Danke‘ für deine Artikel sagen. Ich mag es, dass du nicht nur so glatt gebügelt schreibst und dass Du mir Gedankenstöße gibst. Es motiviert mich, wenn andere Frauen ihr Leben gestaltend leben, ich bin auch so! Und trotzdem kann einem mal die Puste ausgehen. Nach fünf Monate lang 3 sehr kleine Kinder Zuhause unter der Woche fast komplett allein zu betreuen (wegen fehlender Notbetreuung) geht es mir so. Aber ich kämpfe auch wie nie, demnächst habe ich einen Termin bei unserer Bürgermeisterin, weil ich unserer Stadtverwaltung in Bezug auf die Unterstützung von Familien einfach unglaublich schlecht finde. Solche Dinge müssen mitgeteilt und Änderungen eingefordert werden und mittlerweile bin ich diesbezüglich deutlich unerschrockener.
    Und ja, es ist anstrengend für uns alle und daher ist es wunderbar, dass gemeinsame Elternzeit vor euch liegt. Wir hier bei uns organisieren auch gerade viel, damit es für mich leichter wird. Es tut gut, mal laut nach Hilfe zu rufen und zu merken, dass das was bringt ;-).
    Und ups, jetzt nochmal aber auch: ganz herzlichen Glückwunsch zur erneuten SSW und der Vorfreude auf bald 3 Kinder!!! Auch wenn es gerade körperlich schwer ist. Interessant fand ich, dass so viele beim letzten Artikel geschrieben haben, dass ihr drittes das Genießerbaby ist. Erfahrungen sind einfach so unterschiedlich, spannend. Mit Erfahrung ist es ja wirklich einfacher, aber ich konnte unser erstes Kind viel mehr genießen. Danach kamen ja die Zwillinge, die jetzt 10 Monate sind. Da ist leider weniger mit genießen, hahaha. Aber das ist ja auch kein Wunder. Aber manchmal macht es mich traurig, meine Zuneigung auf drei süße Mäuse verteilen zu müssen und das Gefühl zu haben, dass ich jedem einzelnen einfach viel mehr direkte Zeit und Zuwendung geben möchte, wenn ich könnte. Das war beim ersten Baby einfach eine Luxussituation. Aber ich weiß, sie haben sich jetzt auch gegenseitig… und an manchen Tagen habe ich auch das Gefühl, ich habe doch ‚genug zu geben’.
    Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie Du das dann empfindest.
    Ganz herzliche Grüße und genau, bald die Segel ruhiger setzen… und die magische Zeit des größten Wunders der Welt genießen. 🙂 Alles Liebe!

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