Langzeit oder Kurzzeit Stillen? Ich kann beides!

Manche Mama-Themen sind heikel. Ihr kennt das aus den sozialen Netzwerken: Da gehen Kaiserschnittmuttis auf Hausgeburtsmütter los. Da füttern die einen Brei, während die anderen sagen, das ist Gewalt am Kind und nur Baby Led Weaning ist das einzig Wahre. Bedürfnisorientierte Kuscheleltern kämpfen gegen Erziehungs-Hardliner.  Aber es gibt ein Feld, da wird es besonders schnell emotional. Und das ist das Stillen.

Das Kind mit dem eigenen Körper zu ernähren, das hat schon was. Das ist quasi das Ur-Skill der Mutterschaft, direkt nach dem Höchstgewinn der natürlichen Geburt (natürlich bitte ohne PDA und sonstige Eingriffe). Das eigene Baby mit der Brust zu ernähren, ist doch eigentlich das natürlichste der Welt. Und mittlerweile hört und liest man überall: es ist auch das beste und gesündeste für Mutter und Baby. Klar also, dass jede Frau stillen sollte.

Ihr wisst, ich bin grundsätzlich eine Verfechterin von Mutter Natur und ihren coolen Tricks. Ich selbst hatte zwei Hausgeburten, ohne medizinischen Schnickschnack, schön aber auch durchaus schmerzhaft. Und es kommt noch besser: Beim zweiten Kind bin ich sogar das, was man eine Langzeitstillerin nennt: 13 Monate und kein Ende in Sicht. Ich teile auch gerne Artikel zum Thema Stillen oder Langzeitstillen über meine Social Media Kanäle, weil ich nun mal um die Vorteile des Stillens weiß und diese gerne promote.

Auch ich habe ein Kind nur kurz gestillt

Manchmal fühlen sich andere Mütter dann davon angegriffen. Frauen, die nicht (so lange) stillen wollten, die Probleme beim Stillen hatten, die aus sonstigen Gründen nicht gestillt haben. Und ich verstehe das, denn klar ist es blöd, wenn man woanders liest: Das ist das Beste für dein Kind, aber du konntest es ihm nicht geben! Ich verrate euch aber jetzt mal ein Geheimnis: Auch mir selbst gehen die Lobeshymnen aufs Stillen manchmal auf den Keks. Und auch mir hat so mancher Post übers Langzeitstillen schon ein schlechtes Gewissen gemacht.

Denn ich habe mein erstes Kind nur sieben Monate lang gestillt. Und dann aus eigenem Bedürfnis damit aufgehört. Habe ich meinem Kind also auch etwas vorenthalten? Wäre es nicht viel besser, viel gesünder, viel bindungsorientierter gewesen, es länger zu stillen? Von meinem heutigen Wissensstand aus kann ich sagen: Ja, vielleicht. Und trotzdem bin ich mit meiner damaligen Entscheidung im Reinen. Mich quält kein schlechtes Gewissen. Es geht mir gut. Und meinem Baby von damals geht es sogar bestens.

Wie es zu so unterschiedlichen Still-Entscheidungen kommen konnte und warum beide genau so in mein Leben gepasst haben? Das will ich euch kurz erzählen:

Ich, 26, und das gierige Hübchen

Mein Hübchen war nicht gerade das, was man ein Anfängerbaby nennt. Von Anfang an hellwach und quietschfidel war es vor allem sein großer Appetit, der ihn auszeichnete. Mein Baby war groß und schwer, wuchs rapide und verlangte dazu nach Nachschub. Über einen Zwei-Stunden-Still-Rhythmus kamen wir kaum mal hinaus. Solange ich stillte, war ich absolut eng ans Hübchen gebunden.

Zum Glück zeigte sich, dass das Hübchen recht anspruchslos in Art und Darreichungsform seiner Nahrung war. Wir boten also recht schnell auch mal ein Fläschchen mit Pre-Milch an, damit ich nicht völlig verrückt wurde. Ihr kennt das ja: Die Umstellung von keinem Kind auf ein Kind ist immer die krasseste. Ich fand es wirklich extrem, plötzlich alle meine Freiheiten eingebüßt zu haben. Wenn das Hübchen die Flasche verweigert hätte, hätte man mich wohl nach kurzer Zeit einliefern können.

Vollzeit berufstätig und stillen? Klappte bei mir nicht

So war aber alles entspannt. Ich ging sogar mal alleine auf Partys, Papa war ja da. Aber dann kam nach sechs Monaten mein beruflicher Wieder- bzw. Überhauptmal-Einstieg. Mein studentisches Abschlusspraktikum stand an, und das ging nur in Vollzeit. Machte erst mal nix, denn Papa übernahm den Staffelstab der Elternzeit. Allerdings lief es mit dem Stillen nicht ganz wie geplant.

Die ersten Wochen versuchte ich noch, das Hübchen morgens, abends und nachts zu stillen. Das endete aber immer in einem wütend brüllenden Baby, denn durch das seltenere Stillen löste der Milchspendereflex nicht mehr prompt aus und es dauerte und dauerte, bis das ausgehungerte Hübchen endlich an sein Futter kam. Gut fand er das halt nicht. Und ich auch nicht. Es fühlte sich irgendwann nur noch an wie ein Kampf. Hübchen gegen Brüste, Brüste gegen Hübchen.

Also stillte ich ab. Und zwar reinen Gewissens. Es fühlte sich einfach OK an. Ich hatte knapp 7 Monate alles gegeben (der Stillstart war nämlich mehr als holprig gewesen und ich hatte monatelang die Zähne zusammen gebissen), ich hatte mein Baby kugelrund gefüttert, ihm jede Menge mütterliche Nähe geschenkt und eigene Bedürfnisse größtenteils zurückgesteckt. Jetzt war es für mich an der Zeit, meine Bedürfnisse wieder hervorzuholen. Und das war u.a. das Bedürfnis, meine Brüste nach einem langen Arbeitstag nicht von meinem Baby anbrüllen zu lassen, sondern einfach entspannt ein Fläschchen zu füttern.

Freiheitsdrang: Groß. Stressresistenz: Gering

Mein Freiheitsdrang war groß, meine Stressresistenz gering. Und mein Wissen über die Vorteile des längeren Stillens nicht besonders ausgeprägt. Denn ja, ich weiß nicht, wie ich entschieden hätte, hätte ich gewusst, dass Stillen auch für ältere Babys und Kleinkinder wahnsinnig viele Vorteile hat (allen voran durch die Stärkung des Immunsystems). Vielleicht hätte ich dann die Milchpumpe mit zur Arbeit genommen und es zumindest eine Weile versucht (wobei Pumpen bei mir früher wie heute nicht besonders gut funktioniert). Jedenfalls habe ich damals relativ schnell entschieden, dass ich den Stress nicht mehr auf mich nehmen will.

Und letztlich war es dann auch genau gut so. Mir ging es prima mit meiner wiedererlangten Freiheit. Und dem Hübchen ging es auch prima, obwohl die ersten Zähne für feste Nahrung wider Erwarten noch sehr lange auf sich warten ließen.

Neues Kind, neues Glück

Beim zweiten Kind hatte ich ein bisschen Bammel: Was, wenn das Stillen am Anfang wieder so schmerzhaft sein würde? Ich kürze ab: War es nicht. Offenbar erinnern sich diese großartigen Brüste an ihren Job und jammern beim zweiten Mal nicht unnötig rum. Bis auf den erneut extrem schmerzhaften Milcheinschuss (schmerzhafter als (m)eine Geburt, ich schwöre es!), war von Anfang an alles bestens. Mit dem Räupchen lieferte mir das Universum dann auch das verspätete Anfängerbaby nach. Dieses Kind schlief die ersten Monate so gut, dass ich es zum Stillen manchmal wecken musste, um nicht zu explodieren!

Das entspannte Naturell meines zweiten Babys ist dann auch vielleicht der Hauptgrund, warum ich auch nach 13 Monaten noch nicht ans Abstillen denke. Äh ja, und vielleicht spielt es auch eine klitzekleine Rolle, dass dieses Zweitkind partout keine Flaschenmilch trinken will. Mittlerweile werde ich nämlich doch ein bisschen ungeduldig und sehne mich nach langen Kneipenabenden oder durchtanzten Nächten (darf ich das in meinem neuen alten Alter dann eigentlich noch?!). Seit knapp zwei Jahren bin ich nun durch Schwangerschaft und Stillzeit ganz schön fremdbestimmt. Und manchmal zerrt das doch an meinen Nerven.

Easy Stillkind, leicht zufrieden zu stellen

Das Räupchen jedoch macht es mir verhältnismäßig leicht. Sie ist eine sehr geduldige Milchdrossel, regt sich an der Brust niemals auf, sondern nuckelt gemächlich, bis die Milch fließt. Und das erste Mal mache ich auch die Erfahrung, wie süß es ist, wenn ein Baby allmählich selbst kommuniziert, dass es Milch trinken will. Das Räupchen geht da nicht sehr subtil vor, sondern greift mir beherzt ins Dekolletee und lacht mich dabei an: „Mama, da?“. Wenn ich sie dann frage, ob sie einen Schluck Milch trinken will, rudert sie wild mit den Armen, lacht und ruft: „Ja!“. Ach ja, kleine Kinder sind so leicht glücklich zu machen! Schade eigentlich, dass das irgendwann aufhört. Aber Stillen bis der Schulbus kommt will ich dann doch eher nicht.

Beim Räupchen stille ich ehrlich gesagt auch aus Faulheit so gerne. Es ist einfach enorm praktisch, sich keinen großen Stress machen zu müssen, woher das Kind die nächste Mahlzeit bekommt. Das Räupchen ist nach wie vor sehr wählerisch beim Essen. Und mit bisher nur zwei Zahnansätzen fehlt ihr auch immer noch das richtige Handwerkszeug. Wenn ich nicht in der Nähe bin, schafft sie auch schon mal einen ganzen Tag ohne Milch. Sobald ich aber wieder da bin, wird feste Nahrung gerne wieder verweigert. Wie einfach war es dagegen beim Hübchen, der, einmal auf den Geschmack gekommen, von Spinat bis Oliven alles mit Begeisterung verkasematuckelte! (Heute, mit knapp fünf Jahren sieht das natürlich ganz anders aus, aber das ist was für einen weiteren Artikel…)

Nächster Schritt: nachts abstillen

Ja, und auch nachts würde ich gelegentlich gerne mal an den Liebsten abgeben, der friedlich neben mir schlummert, während ich alle zwei bis drei Stunden von einem Räupchen geweckt werde, dass doch allzu gerne erneut einen kleinen Einschlafschluck hätte. Gerade wenn ich sie tagsüber nur selten gestillt habe, merke ich, wie sie sich nachts die Energie über die Milch zurückholt. Das ist schön fürs Räupchen, aber schlecht für meine Erholung.

Ich muss also mal schauen, wie lange ich das noch durchhalte. Letztens bin ich durch Zufall auf den Artikel zum nächtlichen Abstillen im Wunschkind-Blog gestoßen und die Methode erscheint mir durchaus machbar. Vielleicht wird das der nächste Schritt sein, damit ich erstens mal wieder durchschlafen und zweitens auch abends mal länger ausgehen kann. So langsam kommt das Räupchen ja in ein Alter, in dem sie die Nacht auch ohne Brust oder Flasche überleben sollte. Vielleicht passiert aber ja auch noch ein Wunder und das Kind akzeptiert doch noch Milch aus dem Fläschchen.

Jedenfalls fände ich es schön, noch eine Weile weiter zu stillen, solange ich mir gleichzeitig ein paar Freiheiten zurückerobern kann. Ganz deutlich wird mir im Rückblick jedoch, wie wenig mich die Einschränkungen beim zweiten Baby gestört haben. Beim zweiten Kind ist der Sprung von „wenig Freiheiten“ zu „gar keine Freiheiten“ eben nicht mehr so groß. Denn vor der Geburt des Räupchens hatte ich schließlich schon ein Hübchens, das der Grund war, weshalb ich ohnehin schon die meisten Abende Zuhause auf der Couch verbrachte anstatt im Techno Club.

Wer wie lange stillt und warum ist total individuell

Gewöhnung ist also irgendwie alles. Und wie frau sich mit dem Stillen fühlt, hängt letztlich auch von vielen verschiedenen Einflüssen ab. Es spricht sicher nichts dagegen, sich sinnvoll über die Vorteile des (vielleicht auch längeren) Stillens zu informieren. Letztlich finde ich es aber total legitim, die Vorteile auch gegen die eigenen Bedürfnisse und die individuelle Familiensituation aufzuwiegen.

Denn an jeden zwei Brüsten hängt ja naturgemäß eine Frau dran. Und die hat einen Kopf, einen freien Willen und meist auch eigene Pläne. Und manchmal passt das alles nicht so wahnsinnig gut mit dem Stillen zusammen. Muss ja schließlich allen gut gehen und besondere Umstände benötigen schon mal besondere Entscheidungen! Also lasst euch nicht verrückt machen von Artikeln, von Posts und Kommentaren, in denen es scheint, als wollte man euch ein schlechtes Gewissen machen! Ihr entscheidet alleine und individuell, was euch und eurem Kind gut tut!

2 Kommentare zu „Langzeit oder Kurzzeit Stillen? Ich kann beides!

  1. Katharina

    Da finde ich mich doch erneut in einigen Punkten wieder 🙂
    Ich habe meinen ersten Sohn nur kurz gestillt. Er war ein absolutes High Need Baby, und ich fiel in eine Wochenbettdepression. Nach sechs Wochen saß ich heulend beim Kinderarzt nachdem ich heulend vor dem Regal mit dem Milchpulver gestanden und mich wie die schlechteste Mutter der Welt gefühlt hatte.
    Der Arzt nahm mir das schlechte Gewissen. (Ich war übrigens ebenfalls 26).
    Also fing ich an langsam auf Zwiemilch umzustellen und mit knapp fünf Monaten war er abgestillt.
    Ich musste mir tatsächlich einige böse Kommentare anhören wie egoistisch ich sei meinem armen Kind die Muttermilch nicht zu gönnen.
    Das hat es nicht leichter gemacht.
    Aber rückblickend war es die richtige Entscheidung, mit dem Abstillen und der Unterstützung durch die Großeltern ging es mir auch wieder besser.
    Dreieinhalb Jahre später kam dann Sohn Nummer zwei.
    Der wollte anfangs gar nichts von der Brust wissen, also pumpte ich drei Wochen lang alle drei Stunden ab.
    Dann kam er plötzlich doch auf den Geschmack 😀
    Und abgestillt habe ich dann schließlich nach fast zwanzig Monaten.
    Weil er sich da bei einem Sturz den Schneidezahn abgesplittert hat, was dann beim nächtlichen Nuckeln furchtbar schmerzhaft war.
    Blöde Kommentare gab es hier natürlich auch ;-p
    Aber letztendlich ist es doch eine Sache die jede Mama für sich entscheiden muss.

  2. Diese Gedanken sind sehr gut und wichtig. Ich finde überhaupt, dass solche Dinge ganz individuell entschieden werden sollten, denn Menschen sind unterschiedlich und ihre Bedürfnisse sowieso. Ich wollte trotz der Kinder weiter studieren, arbeiten und auch mal abends weggehen, deswegen gab es auch früh schon die Flasche von Papa, wenn ich nicht da war. Erst mit abgepumpter Milch, später auch Pulvermilch.
    Die Babyzeit – gerade dann mit 2 Kindern – empfand ich als anstrengend genug. Da wollte ich eher schauen, wie man als Familie gemeinsam den besten Weg finden kann.

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