Geduld ist eine Tugend – nur nicht meine

Das hier wird ein Nicht-Blogbeitrag. Denn eigentlich will ich gerade gar nicht schreiben, weil alles so doof ist. Weil das Hübchen momentan das rotzfrechste Kind der ganzen weiten Welt ist und ich die furchtbarste Mutter, die man sich in Kombination dazu vorstellen kann. Eigentlich wollte ich ja heute was Schönes schreiben, nachdem ich mich so gefreut habe, dass mein Blog endlich wieder lesbar ist (zuletzt gab’s kleine Probleme mit dem Server). Aber schön sind hier gerade höchstens die Narzissen, die blühend auf dem Wohnzimmertisch stehen und zumindest den Schein eines funktionierenden Familienleben wahren.

Die Narzissen sind auch bitter nötig, denn funktionieren tut hier gerade gar nichts. Das Hübchen ist seit drei Tagen Zuhause, weil in der Kita die Ringelröteln ausgebrochen sind. Diese eigentlich harmlose Krankheit ist für mich leider nicht so harmlos, weil sie sich aufs ungeborene Baby übertragen und dann schlimme Folgen haben kann. Ich warte also auf mein Blutergebnis, das hoffentlich Immunität zeigen wird, und solange bleibt das Hübchen Zuhause, um sich nicht anzustecken.

Die Kombination aus einer Mutter, die eigentlich arbeiten müsste und auch gerne würde, und einem Dreieinhalbjährigen, der gerade in der Diktatoren-Phase feststeckt, ist ungefähr so förderlich für den Familienfrieden wie ein zweiwöchiger Schwiegermutterbesuch. Heißt konkret: Schon am frühen Vormittag liegen hier die Nerven blank und das Hübchen und ich schreien uns manchmal nur noch an.

Das Kind will bestimmen

Unser aktuelles Problem kennen wohl die meisten Kleinkindeltern: Das Kind will bestimmen, was wann wie wo und in welchem Umfang gemacht/getan/gesagt oder auch nicht gemacht/getan/gesagt werden soll. Es will alles allein machen, auch Dinge, die es noch nicht kann. Es wird sehr wütend, wenn es dann doch Hilfe braucht. Es will bei allem „mithelfen“, was dann regelmäßig in großen Katastrophen endet (Balkon voller Erde, Küche voller Mehl, Wohnzimmer voller Kehrblech-Dreck…).

Und das schlimmste: Es schreit, es haut, es rastet völlig aus, wenn irgendetwas eben nicht so läuft, wie es sich das vorgestellt hat.

Und was machen die Eltern da? Das Ideal kennen wir, die wir die ganzen schlauen Blogs von Attachment-Parenting-Eltern, Pädagoginnen und sonstigen Erziehungsexperten lesen, ja alle: Ruhig bleiben, das Kind im Wutanfall begleiten, Verständnis aufbringen. Und vor allem: Geduld! Geduld, wenn das Kind sich in einer 15-minütigen, von wiederkehrenden Wutanfällen unterbrochenen Aktion den Jackenreißverschluss selbst zumacht. Geduld, wenn das Kind auch nach zehnmaliger Aufforderung nicht zum Zähne putzen kommen will. Und noch mehr Geduld, wenn das Kind den Mehltüteninhalt gekonnt neben die Rührschüssel kippt.

Das Kind ist klein, es muss Dinge erst lernen, es ist alles normal, es gehört alles dazu. Ja, ich weiß das doch! Aber mir fehlt die elementare Grundvoraussetzung, um diesen andauernden Zustand zu ertragen: Die Geduld! Ich habe einfach keine Geduld! Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte – und es täglich wieder versuche, bis an die Grenzen des für mich Erträglichen. Ich gebe wirklich viel (ja, vielleicht noch nicht alles, aber echt, ich bemühe mich!), ich versuche es wirklich, aber es fühlt sich an, als würde jemand von mir verlangen, jetzt sofort alle binomischen Formeln und den Satz des Pythagoras aufzusagen und danach noch die Wurzel aus 378 ziehen.

Wie geht dieses „ruhig bleiben“ nur?!

In Geduld bin ich ungefähr genau so eine Niete wie in Mathematik. Mit sehr viel Mühe werde ich höchstens schlechter Durchschnitt. Und dazu kommt noch ein weiteres Problem: Ich habe auch schlicht keine Lust, mich von meinem Kind herum diktieren zu lassen. Mich treibt es in den Wahnsinn, wenn das Hübchen mich anschreit: „Aufheben!“, „Mehr Milch!“ oder auch „Ich will nix mehr hören!“. Letzteres hat er übrigens nicht von uns, ich habe da eher die Kita in Verdacht. Das Hübchen jedenfalls ist sehr, sehr groß darin, seinen Willen zu formulieren und ihn Notfalls mit Gewalt durchzusetzen.

Ich muss mich hier derzeit täglich von meinem Kind verprügeln lassen. Und mir wird langsam klar, warum Eltern früherer Generationen so gerne zum Rohrstock gegriffen haben. Auge um Auge, Zahn um Zahn? Das Hübchen jedenfalls hat keinen Rohrstock zu fürchten und dementsprechend hat er auch überhaupt keine Angst, was passieren könnte, wenn er sich mal wieder völlig daneben benimmt. Bei Teenagern würde man wohl von respektlosem Verhalten sprechen, aber was ist das eigentlich bei Kleinkindern? Ein starker Wille, der dabei ist, sich auszuformen?

Toll, so ein starker Wille – nur nicht 24/7!

Schon toll, so ein starker Wille. Nur nicht, wenn man ihn 24/7 ertragen muss. Wir probieren uns also derzeit am vollen Verhaltensprogramm hilflos-verzweifelter Eltern: Endloses Diskutieren, vergebliche Beruhigungsversuche, selbst den Raum verlassen bis zu das Kind in sein Zimmer schicken. Das Hübchen brüllt trotzdem. Und viel zu oft brülle ich zurück. Weil ich schlicht nicht mehr kann, weil ich es einfach nicht mehr ertrage. Und ganz ehrlich: Hätten wir hier zufällig eine stille Treppe parat – ich würde sie nutzen!

Dabei habe ich natürlich all die schlauen Artikel und Ratgebertexte immer im Kopf: Dass man wütende Dreijährige nicht allein lassen darf. Dass es gar nicht geht, kleine Kinder zur Strafe in ihre Zimmer zu schicken. Dass Bestrafung per se natürlich der völlig falsche Weg ist.

Nur: Wie soll ich das sonst durchstehen, ohne verrückt zu werden? Wie machen diese ganzen perfekten Eltern das ohne „wenn … dann“-Sätze? Wie bringe ich mein Kind ohne Bestrafungen dazu, meine persönlichen Grenzen nicht im 5-Minuten-Takt zu überschreiten?

Und vor allem: Wie funktioniert das ganze dann mit einem Fingerhut voll Geduld? Vermutlich brauche ich vor dem zweiten Kind noch schnell eine Psychotherapie. Oder einfach irgendein Zauberelixier, das aus mir plötzlich eine duldsame Mutter macht, die in ihrem Kind immer nur das Beste sieht.

Aktuell fühle ich mich aber einfach nur wie die schlechteste Mutter der Welt. Am meisten abends, wenn das Hübchen zu mir kommt und sagt: „Mami, ich hab dich so lieb!“. Ja, ich dich auch, mein Hübchen, nur mich selbst hab ich gerade gar nicht so sehr lieb. Oder wenigstens nicht den ungeduldigen Teil von mir.

13 Kommentare zu „Geduld ist eine Tugend – nur nicht meine

  1. Ich verstehe das Problem mit wenn-dann-Sätzen ja generell nicht, zumindest, so lange es logische Konsequenzen sind wie „Wenn nicht Zähneputzen, dann keine Süßigkeiten.“ Die habe ich sehr viel benutzt. Hat aber meist auch nicht viel genützt, wenn die Rage schon so richtig ausgelebt wurde. Außerdem habe ich mich öfter auf den Boden gelegt und gesummt, wenn es wieder alles etwas länger gedauert hat, und vor allem: an andere Leute abgegeben. Ich hatte ja praktischerweise schon in der Autonomiephase das Wechselmodell, aber auch, wenn die Kleine länger am Stück bei uns war oder es einfach richtig scheiße lief, ist mein Freund in die Bresche gesprungen.
    Ach ja: ich habe enorm viel nachgegeben, vor allem bei so blödem Kleinkram, und habe mich relativ viel rumkommandieren lassen. Ich finde, diese Zeit ist denkbar schlecht, um konsequent zu erziehen, das kostet viel zu viel Energie. Da habe ich auch schon mal zehnmal einen andren Löffel gebracht, weil die vorigen neun nicht recht waren. Und siehe, jetzt mit vier Jahren holt sie sich einfach den richtigen Löffel selber…nur so als Beispiel.
    Wirklich eine anstrengende Zeit. Wie habe ich die Kita-Abholungen gehasst, eine halbe Stunde Schreierei vom Kind – uh. Jetzt ist alles komplett anders, ein Sonnenschein allererster Güte. Gott sei Dank.

    • Oh Gott, ich bin so froh, dass ich nicht alleine bin mit diesen furchtbaren Kita-Abholsituationen. Darüber hab ich bisher glaube ich noch nie geschrieben, aber das ist hier genauso: Mein Kind ist immer das letzte, weil es sich erst mal schreiend auf den Boden werfen muss, vor mir wegläuft, mich umrennen oder umhauen will… Ich bin wirklich sein persönliches Ventil nach einem anstrengenden Kitatag!

      Und es tut gut, zu hören, dass es bald besser wird. Wir fragen uns ja derzeit oft, ob wir strenger sein müssten und konsequenter. Aber wie du habe ich da auch oft nicht die Kraft für. Gut zu wissen, dass es keine negativen Auswirkungen hat. 😉

  2. du bist nicht allein! hab auch dieses gedulds-thema … bemühe mich sehr! mein großesmädl ist 3,5 – der kleinebruder 15 monate alt. ganz ganz furchtbar zwischendurch! kannst gern auf meinem blog nachlesen – mein anker & ventil, wenns ganz dringend raus muss … aber ich wünsch dir alles gute, und dass gesund bleibst!

  3. Doreen

    Ja, das rumdiktieren lassen. Mir hilft zu wissen: ich bin die Erwachsene. Wir haben per se die „Macht“, d.h. die Verantwortung. Das heißt: Auf in die Selbstverantwortung. Wenn es dir zu lang dauert und du wirklich nicht mehr den 5. Teller holen willst, weil es dir reicht, kannst du sagen: mir reicht es. Ich habe Hunger. Ich will jetzt essen. Du kannst den Teller nehmen oder dir selber einen holen. Klappt hier ganz gut. Er kann sich viel selbst holen und weiß wo alles steht. Oder er rastet eben aus (kein schönes Essambiente, aber wenn der Hunger zu groß wird, mit Stillkind nebendran…. :))

    Also immer die Abwägung: Will ich/ kann ich diesen Wutanfall aushalten und begleiten oder „gebe ich nach“ und mache was der Kleine will.

    Insgesamt glaube ich, dass die Kleinen kaum merken, wie direkt teilweise ihre Kommunikation aus. Manchmal frage ich den 3 jährigen dann: Bitte sag es nochmal netter. oder: Weißt du, wie du es nett sagen kannst? Oder: ich helfe dir gerne, wenn du es nochmal nett sagst. Übung ist da wahrlich alles.

    Und wenns mal wieder schräg läuft, reden wir darüber danach, ich entschuldige mich wenn ich sehr laut war… Und, es wird gerade besser, Juchee, im Sommer wars wirklich übel (mit 2. Kind, neuem Kiga, nach dem Umzug, mit knapp 3)… Ich glaub wir sind über dem Berg auf dass der Kleine mit 8 Monaten bestimmt auch nicht mehr lang so unaufgeregt „nebenher“ laufen wird 😉

    • Das mit dem „nett fragen“ ziehe ich sowas von konsequent durch! Das gibt aber auch nie Wutanfälle, oder fast nie. 😉 Das Hübchen weiß eigentlich, dass er nix von mir kriegt, wenn er mir Dinge befiehlt. Manchmal muss ich ihn fünf mal auffordern, mich nett zu fragen und dann geht es auch. Außer natürlich, er befindet sich schon mitten in einem Wutanfall – und das ist ja das eigentliche Problem. Und die passieren ja oft wegen Dingen, die ich gar nicht beeinflussen kann (Kind hat sich gestoßen, der Reißverschluss geht nicht zu, der Legoturm verhält sich nicht so, wie er soll…). Frustrationstoleranz eben. Aber irgendwie haben wir das ja auch alle gelernt. 😉

  4. Kristina

    Du sprichst mir aus der Seele, aber leider muss ich dir eine unangenehme Nachricht da lassen: Bei uns ist es grad ähnlich, nur dass sie fünf ist. Es geht direkt von vorne los. Wir sind gerade alle vier tierisch erkältet und es herrscht super miese Stimmung und genau in solchen Situationen gibt sie dann Wutanfall-Befehl-Schrei-Ekel-Vollgas. Und ich fühle mich so schlecht, kriege kaum Schlaf, weil das Baby sich noch schlechter fühlt und die halbe Nacht hustet und weint und da reicht meine Geduld momentan etwa so lang: Schon vorbei. Und gleichzeitig tut es mir so leid für die Große, denn ihr geht’s auch schlecht und sie kann ihren Frust nur bei uns abladen. Aber ich kann einfach nicht mehr Geduld aufbringen. Und mich aufteilen ja bekanntlich auch nicht. Super miese Phase, lief schon vor den Erkältungen an und wird auch noch ne ganze Weile weiterlaufen… Aber es kommen dann auch wieder bessere Zeiten!

    PS: Mir fällt gerade ein, als sie 3,5 war und ich schwanger, lief es bei uns genauso wie du es beschreibst, samt Kita-Abhol-Drama. Es wird besser, Kopf hoch!

      • Kristina

        Hahaha aber sicher ? Daran glaube ich ganz fest!
        Und vielleicht als kleine Beruhigung: Beim zweiten Kind bin ich tatsächlich viiiel entspannter, obwohl sie mit gerade mal einem Jahr schon grauenhafte Wutanfälle hat, schlimmere als die Große je hatte. Ist vielleicht doch eine Frage der Übung? ☺

      • Eva

        Gut zu wissen, dass man nicht als einzige Mutter vom Planeten Nerv kommt!
        Und ja, die Wutanfälle sind bei uns in ganz neuer Qualität im Laufe des ersten Schuljahres wiedergekehrt: Da ist das Kind dann, während man duscht, ohne Bescheid zu sagen, aus der Wohnung gegangen; da braucht es gefühlte 20 Hinweise, es solle sich nun endlich anziehen, und zwar nicht die blaue Hose, weil die schmutzig ist; d taucht das Kind dann nach Ewigkeiten endlich beim Frühstück auf – natürlich in der blauen Dreckhose – und ist nun missmutig, weil es sich weder neu einkleiden noch schmutzig in die Schule gehen will; da ist dann das Frühstück „eklig“ (und Mama auch).

        Ich könnte hier ewig weiterschreiben, denn mein Sohn liefert reichlich nach.
        Gleichzeitig ist er aktuell sehr anhänglich, also folgere ich: Wir beide sind Opfer irgendwelcher Hormonausschüttungen, neuer Synapsenverbindungen oder dergleichen in seinem Körper.

        Und auch ich hoffe, dass die aktuelle Phase nicht die Vorgruppe des noch viel gewaltigeren Haupt-Acts „Pubertät“ sein möge. Die dürfte nämlich mit den mütterlichen Wechseljahren zusammenfallen- die Apokalypse naht! 🙂

  5. Lena

    Das Gleiche gibt es hier auch. Es ist extrem anstrengend und am schlimmsten ist es, dass es mir so nach hängt, wenn der Tag blöd war. Ich möchte nicht so viel mit ihr schimpfen und sie auf ihr Zimmer schicken, aber ich weiß mir oft nicht anders zu helfen…

  6. radiolina

    Hab deinen blog gerade erst entdeckt und muss sagen in diesem beitrag sprichst du mir aus der seele! Der text könnte eins zu eins von mir sein!

  7. Dirk

    Glaub mir, der Text könnte von JEDEM sein, es gibt nur keiner zu 😉
    Diesen Eltern-Kind Kampf wird man wohl immer ausfechten.
    Daher immer dran denken, du bist nicht alleine.

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