Es weihnachtet nicht so sehr

Mit einer Mischung aus Respekt und Verwunderung beobachte ich, was derzeit in der Blogger-Welt und dem ganzen großen Social Media/Online-Kosmos vor sich geht: Digitale Adventskalender, die jeden Tag andere, teils irrwitzig teure Gewinne verlosen. Ellenlange Weihnachts-Wunschlisten von Blogger-Kindern, voller Barbie-Traumhäuser, Ninja-Turtles und Filly Pferden. Listen mit „10 Tipps, was deine konsumverwöhnten Gören garantiert noch nicht haben“. Ich lese in diesem Jahr auch das erste Mal vom „Black Friday“, an dem alle wie die Verrückten zu Toys’r’us stürmen, um dieses eine Einhorn zum halben Preis zu ergattern. Und mein einziger Wunsch ist: Lass es bitte, bitte schnell vorbeigehen!

Ihr seht schon, ich bin nicht so weihnachtlich drauf. Zumindest nicht, was diese eine Seite von Weihnachten betrifft, in der top-organisierte Frauen zwischen Kind, Kita, Beruf, Haushalt, Hobbies und Ehrenamt es noch irgendwie schaffen, drei Meter lange To-Do-Listen zu schreiben, auf denen sie Weihnachtswünsche notieren, sich selbst an das Basteln des Adventskranzes erinnern, Ideen für das Heiligabend-Menü festhalten und tausend andere Dinge aufschreiben, die vor dem 24.12. noch dringend erledigt sein müssen.

Ich kann mir vorstellen, dass viele das überhaupt nicht als Zwang wahrnehmen und sich gerne so einen Stress machen. Positiver Stress, soll’s ja geben. Ich sehe aber auch, für wie viele Eltern, insbesondere Mütter, dieses Weihnachten noch als zusätzliche Belastung oben drauf kommt. Und ich frage mich: Wofür lohnt sich der ganze Stress? Für drei Tage Besinnlichkeit, die dann ohnehin weniger besinnlich sind, weil ja schließlich alles exakt so laufen soll, wie man es eben geplant hat? Für drei Tage „es allen recht machen“, Hin-und-Her-Hetzerei zwischen Familie 1 und Familie 2, und Großtante Polly will auch noch besucht werden.

Am Ende kassiert man dafür ja ohnehin Kinder, die schon am ersten Weihnachtstag keine Lust mehr haben, weitere Geschenke auszupacken. Die der Tante keine Hand geben wollen – oder zumindest nicht „die richtige“. Vielleicht geht in meinem Umfeld auch deswegen der Trend in Richtung „less is more“. Freunde von uns, die erst kürzlich ein Baby bekommen haben, bleiben dieses Jahr zum Beispiel sogar komplett Zuhause – ganz ohne Besuch, denn die Familie wohnt weiter weg. Bei uns ist es ohnehin entspannt, weil wir nur meine Familie besuchen wollen, und die ist zum einen überschaubar und zum anderen relativ entspannt.

Selbstgemachter Stress

Entspannt war es aber nicht immer. Als meine Großeltern noch gelebt haben, erinnere ich mich auch an meine gestresste Mutter, die immer tausend Erwartungen erfüllen wollte, die vielleicht doch nur in ihrem eigenen Kopf existierten. Seit einigen Jahren ist nun der ausdrückliche Wunsch meiner Mutter: Ruhe und Entspannung! Und weniger Geschenke!

Was im letzten Jahr natürlich so semi geklappt hat. Das Enkelkind war gerade zwei – und damit das erste Mal so richtig begeistert von Weihnachten und dem Geschenke auspacken. Als Großeltern muss man so eine Premiere natürlich gebührend feiern. In diesem Jahr haben der Mann und ich die Geschenkeflut daher begrenzt. Wenn alles gut geht, kriegt das Hübchen genau zwei Geschenke: eins von uns und eins von den Großeltern. Äh, und eins von seiner Patentante, eins von meiner Patentante und bestimmt noch was von den Nachbarn…

Ach, Weihnachten. Du gehst mir auf die Nerven mit deinem Glitzer-Glitzer. Seit einem knappen Monat kann ich meine Instagram-Timeline nicht mehr ertragen und poste auch selbst keine Fotos mehr. Ich habe keine Lust auf dieses Heer von Kerzen, Keksen und Kakao. Dort erscheint mir aktuell alles noch ein bisschen inszenierter als sonst. Die glücklichen Familien, die sich und ihre Weihnachtsvorfreude öffentlich ausstellen, langweilen mich. Jedes Bild sieht gleich aus. Adventskränze, Adventskalender, prall gefüllte Stiefelchen. Gähn.

Was ist hier noch echt?

Ich weiß ja auch nicht, warum das von Jahr zu Jahr schlimmer wird. Eigentlich hatte ich frohen Mutes festgestellt, dass ich seit Hübchens Geburt deutlich toleranter geworden bin. Aber irgendwie scheint das nicht für Weihnachten zu gelten. Für mich fühlt sich das ganze einfach nicht authentisch an! Wie viel davon ist echte Freude und wie viel ist nur so, weil es sich eben so gehört? Weil es eben alle so machen?

Vor zwei Wochen ist der Coca-Cola-Truck durch Essen gefahren und hat Geschenke runtergeworfen. Wie an Karneval! Und vielleicht illustriert das ganz gut meine Abneigung. Es fühlt sich an wie Karneval: Einmal im Jahr verkleiden sich alle als glückliche Familien und verstehen sich sogar mit Onkel Klaus, dem man während des restlichen Jahres am liebsten nur ins Gesicht spucken würden. Klingt irgendwie unehrlich? Finde ich auch!

Keine Lust auf Inszenierung

Also sorry, dass ich da nicht mitmachen will. Bestimmt, bestimmt gibt es diese durch und durch harmonischen Familien, wo alles echt und nichts gespielt ist. Meiner Erfahrung nach trifft das aber höchst selten zu. Und deswegen sehe ich an Weihnachten auch nur die Menschen, die ich wirklich sehen will. Kein „Ein Mal im Jahr können wir ja mal so tun als würden wir uns mögen“. Keine Hetzerei, kein Zwang und kein Stress.

Für mich muss Weihnachten nicht „die schönste Zeit des Jahres“ werden. Wenn es zufällig so kommen sollte – prima! Ein paar Tage Ruhe und Entspannung mit der Familie und den engsten Freunden kommen mir immer gelegen! Ich stehe auch sehr auf geschlossene Läden und diesen wunderbaren Stillstand, den mehrere aufeinanderfolgende Feiertage immer mit sich bringen. Aber ich muss mich nicht bewusst auf diese Zeit vorbereiten. Und ich habe auch keine Lust, anderen bei ihrer Vorbereitung zuzugucken.

Ein paar Wochen noch, dann kehrt wieder Ruhe ein. Zumindest für die Zeit bis Ostern, wenn wieder bunte Eier und Ostergewinnspiele meine Timelines fluten. Aber Häschen finde ich irgendwie süß. Das wird bestimmt toll!

9 Kommentare zu „Es weihnachtet nicht so sehr

  1. Doreen

    Ich weiß nicht, wie das kommt – aber du sprichst mir mal wieder aus der Seele. Selbst Menschen bei dene ich denke, sie würden progressiv denken sagen Treffen am 5.12. abends ab, weil sie mehrere Stunden dafür brauchen die Stiefel ihrer 2 Kinder zu füllen – hmm – meine romantische Seite sieht irgendwie anders aus. Nikolaus kam hier auch, klar, aber so klein wie es angemessen ist für die Aufmerksamkeitsspanne eines 3 jährigen, der im grunde doch lieber und immer wieder mit seinen 999 Autos spielt 😉

  2. Sari

    Nach vielen Jahren großer Sachen habe ich in den letzten Jahren auch den Weg zurück zur Bescheidenheit gesucht. Im Schuh steckt ein Buch und ein Schokoladenmann, im Kalender vor allem etwas Schoki…es wird vor Weihnachten ein Wunschzettel geschrieben und die Geschenke haben keine Überdimensionen angenommen. Ich bin in der Hinsicht wirklich stolz auf meinen Jungen, weil er da einen recht guten Blick für behalten hat und vor allem darauf achtet, dass wir gemeinsam eine schöne Zeit verbringen. Und das mit seinen 5 Jahren…
    Wenn ich dann den Kalender bei Oma sehe, wo massig Geschenke in einem Eimer liegen und ausgepackt werden wollen, kann ich nur den Kopf schütteln. Wie soll man da sich noch auf Weihnachten freuen? Wenn der ganze Dezember einer einzigen Bescherung gleicht…

    • Da bin ich ja froh, dass meine Eltern das ähnlich sehen wie wir und die Geschenkeflut auch reduzieren wollen. Kinder gewöhnen sich ja eh daran, was sie kennen. Schwierig wird es evtl. später, wenn sie mit Klassenkameraden vergleichen. Ich kann mich schon dran erinnern, dass es früher nach Weihnachten auch schon mal darum ging, wer die coolsten neuen Schuhe hat oder den teuersten Marken-Pulli. Aber dann sind die Kinder auch eigentlich in einem Alter, in dem man ihnen erklären kann, warum man von dem ganzen Konsumwahnsinn nix hält. Also los, wir ziehen das durch! 😉

  3. Lisa

    Haha, danke. Ich hatte dieses Unwohlsein auch konnte es nicht in Worte fassen.
    Ich verweigere mich seit einigen Jahren dem Geschenkewahn. Wenn ich eine wirklich gute Idee für ein Geschenk habe, schenk ich das gern, aber mir jedes Jahr irgendwas krampfhaft aus der Nase ziehen…?
    Weihnachtlich ist hier ansonsten nur der Adventskranz. Den mag ich. Und Lebkuchen.
    Ich möchte auch schon in Zukunft meinem Kind ein bisschen Weihnachtsstimmung vermitteln, aber in Maßen und vor allem heißt das doch nicht Geschenkeflut von Nikolaus bis kurz vor Silvester. Naja, und Instagram setzt dem Ganzen Wahnsinn dann noch die Krone auf.

    • Ja, ich habe auch eine Weihnachts-Instagram-Allergie. ? Mich nervt aktuell am meisten dieser Süßigkeitenwahnsinn. Selbst in der Kita werden die Kinder zugeschmissen mit Weckmännern (sponsert eine Bäckerei aus der Region) und Schoko-Nikoläusen. Ich freue mich, wenn es vorbei ist und die Leute aufhören, ständig nur Süßes zu schenken.

  4. sandra

    Ich habe diese Seite eben erst entdeckt und muss Dir unbedingt sagen: Super! Freue mich schon auf alles weitere! Du sprichst mir aus dem Herzen

  5. MoneBohne

    Ich oute mich an dieser Stelle mal: Ich mag Weihnachten und feiere es mit Inbrunst. Nicht aus religiösen Gründen, in meiner Familie steht Weihnachten vor allem für eins: Das Geschenk der Geburt eines gesunden und lebendigen Kindes. Vor knapp 40 Jahren saß meine Mutter zitternd unterm Christbaum, nachdem sie schon zweimal ein Kind bei der Geburt verloren hatte. Nur mit viel Glück konnte sie mich eine Woche später in die Arme nehmen. Auch bei mir mischten sich Sorgen vor vier Jahren in die Vorfreude. Und aus tiefer Dankbarkeit heraus versuchen und versuchten wir beide, unseren Kindern eine stimmungsvolle Adventszeit und ein schönes Fest zu bieten, an den auch mal Herzenswünsche erfüllt werden. Kilometerlange Wunschzettel wurden hier noch nicht gesichtet. 😉 Ob andere das für authentisch halten, ist mir – ehrlich gesagt – herzlich egal.

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