Das Fremde-Kind-eigenes-Kind-Paradoxon

Kinder sind nicht an allen öffentlichen Orten erwünscht. Das merkt man aber erst, wenn man zufällig mal selbst eins dabei hat. Denn solange ich selbst nicht Mutter war, fand ich es oft einfach ganz normal, dass Kinder manchmal einfach unpassend sind. Fremde Kinder sind eben einfach etwas anderes als eigene Kinder. Und trotzdem stieß ich auch als noch kinderlose Frau auf Situationen, die mir höchst merkwürdig vorkamen. Zum Beispiel in diesem einen Restaurant, in dem Hunde erlaubter waren als Kinder. 

Rückblick: April 2013

Mit bestimmten Paradoxa muss man wohl einfach leben. Ich liebe mein Pony, auch wenn es nicht so schön glänzt wie Black Beauty. Aber wo kommt es hin wenn ich in den Urlaub fahre? Und darf es mit in den Falafelimbiss meines Vertrauens oder muss ich es draußen anbinden?

Es ist an der Zeit, eine Internet-Freizeitbeschäftigung zuzugeben, die mir durchaus etwas peinlich ist. Ich lese gerne in sogenannten „Freakshows“ im Ponyforum auf pferd.de. Nachdem ich an der Uni in Sofia eine kleine Arbeit über dieses durchaus interessante Internetphänomen geschrieben habe, in dem (größtenteils weibliche) PferdebesitzerInnen sehr persönliche Tagebücher über sich und ihre Pferde führen, bin ich irgendwie drauf hängen geblieben. Ich befriedige damit wohl eine etwas verkappte Art von Voyeurismus. Andere lesen Gala. Ich lese Ponyforum.

In einer Freakshow, die ich verfolge, schreibt die TE (= Threaderstellerin, auch ich musste Vokabeln wie diese erst lernen) über ihre Situation als Vollzeit arbeitende Hundehalterin:

„Ganz ehrlich ginge es bei uns ohne Hundesitterin auch nicht. Aber ich hab mir irgendwann gedacht, es gibt auch Mütter, die Kinder haben und arbeiten, warum sollte also ein Hund nicht in den „Kindergarten“ gehen. Unsere Mäuse werden von Montag-Donnerstag nachmittags liebevoll durch unsere Hundesitterin betreut. Am Freitag hat mein Mann schon Mittags Feierabend. Alles eine Frage der Organisation, wie mit Kind auch.“

Ist doch irgendwie schön, wenn Hunde so geschätzt und ins Leben integriert werden! Mit Amusement las ich dem Mann besagten Paragraphen vor, und er verstand nicht ganz, warum Menschen sich den Stress mit Fremdbetreuung und Abholen für einen Hund überhaupt antun. Will man nicht viel eher seine Freiheiten genießen, wenn man schon keine Kinder hat? Ich musste unwillkürlich an das Urlaubsproblem mit Haustier denken. Wer betreut den Hund, wenn man mal eben an die Côte d’Azur jetten will? Das Kind kann man da schon eher mitnehmen, aber Hunde sieht nicht jedes Hotel oder Strandrestaurant gern.

Hunde sind OK. Aber Kinder?!

Dabei hatte ich noch vor einigen Monaten eine gegenläufige Erfahrungen gemacht. Mit einigen Freunden/-innen hatte ich mich in einem netten Restaurant in Essen verabredet und hatte zuvor von einer meiner Freundinnen den Auftrag erhalten, bei der Reservierung nachzufragen, ob Hunde erlaubt wären. Auch ein Kind wollten wir gern mitbringen. Hier in etwa der Verlauf des Gesprächs:

Ich: Ich würde gerne einen Tisch für sieben Personen reservieren. Und wir würden noch ein Kind mitbringen, aber das ist sicher kein Problem?
Kellner: Na, das müssen Sie ja wissen, ob das ein Problem ist. Also, unser Restaurant ist Freitag abends immer sehr gut besucht und da wird es schon mal schnell sehr eng. Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, ob das dann passt. Das sehen Sie dann.
Ich (eingeschüchtert): Nun, einen Hund mitzubringen geht dann sicher auch nicht so gut?
Kellner (beinahe empört): Aber doch, Hunde sind bei uns erlaubt! Dochdoch, den können Sie gern mitbringen.
Ich: Es ist ein sehr großer Hund. Das Kind ist übrigens ziemlich klein.
Kellner: Nein, nein, machen Sie sich keine Sorgen. Bringen Sie den Hund ruhig mit.

Da war er mal wieder, der Beweis, dass Kinder in unserer Gesellschaft eben nicht immer willkommen sind, vor allem nicht an Erwachsenen-Orten wie Restaurants, Solebädern, Supermärkten. Ich darf da nicht meckern, ich bin ja selber so. Eigentlich mag ich ja gar keine Kinder.

Mit Kindern verhält es sich ja ähnlich wie mit dem Radfahrer-Autofahrer-Paradoxon. Fahre ich mit meinem tollen Gitane-Mach-220, hasse ich sämtliche Autofahrer, die mich beim Rechtsabbiegen schneiden, mich zu nah überholen oder sonst wie rücksichtslos fahren. Fahre ich selbst Auto, hasse ich sämtliche Radfahrer, die rüpelhaft im Weg rumfahren, dabei noch frech gucken und hässliche Mützen tragen. Kann man nicht ändern, ist eben so.

90% der Kinder anderer Eltern kann ich nicht leiden. Die sind laut, meistens hässlich, sabbern zuviel oder werden, was ganz schlimm ist, altklug. 10 % sind meist ganz OK oder haben einen Bonus, weil sie irgendwie süß aussehen. Das Fremde-Kind-eigenes-Kind-Paradoxon ist genauso wie das Radfahrer-Autofahrer-Paradoxon wohl schlicht ein Fakt, den es zu akzeptieren gilt. Interessant wäre noch zu untersuchen, warum das Phänomen seltener im Fall Fremder-Hund-eigener-Hund auftritt. Zum Abschluss sei zu erwähnen, dass sich sowohl Hund als auch Kind an besagtem Restaurantabend wirklich vorbildlich betragen haben.

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