Corona-Impfung in der Schwangerschaft

Schwangerschaft und Pandemie: das ist echt keine besonders coole Mischung. Erst recht nicht, wenn man, wie ich, ein schulpflichtiges Kind hat, das theoretisch wieder in den Präsenzunterricht muss – bei Inzidenzen, die zumindest für mein Empfinden immer noch jenseits von Gut und Böse sind. Wie kommen wir raus aus diesem Dilemma? Ich für meinen Teil hoffe auf eine simple Lösung: Die Corona-Impfung!

Wer sich mit dem Thema aber mal auseinandergesetzt hat, weiß: Das ist alles andere als leicht. Denn Schwangere werden in Deutschland noch fast gar nicht geimpft. Nicht priorisiert und im Grunde sogar überhaupt nicht. Das Hauptproblem: Es gibt noch keine abgeschlossene klinische Studie zur Corona-Impfung in der Schwangerschaft.

Trotzdem ist es nicht unmöglich, sich als Schwangere impfen zu lassen. Ich fasse hier mal meinen eigenen Wissensstand zum Thema „Corona-Impfung in der Schwangerschaft“ zusammen. Vielleicht hilft es euch, eine eigene Risiko-Abwägung zu machen und, falls ihr euch pro Impfung entscheidet, auch eure Ärztin oder euren Arzt von der Impfung zu überzeugen.

Was die STIKO sagt

Die Ständige Impfkommission, kurz STIKO, hat in Deutschland ein Auge darauf, welche Impfungen empfehlenswert und vor allem sicher sind. Das ist eine gute Sache und die Ärztinnen und Ärzte orientieren sich dran: Wenn die STIKO eine Impfung für eine bestimmte Gruppe von Menschen empfiehlt, dann wird sorgenlos geimpft. Wenn die STIKO allerdings (noch) zurückhaltend bei z.B. neuen Impfungen ist, dann ist es schwer, diese Impfung auf eigene Verantwortung über eine Praxis zu bekommen.

Letzteres ist das aktuelle Dilemma, das alle Schwangeren haben, die sich gerne gegen Corona impfen lassen wollen. Denn die STIKO orientiert sich v.a. an klinischen Studien und eine solche gibt es für Schwangere aktuell noch nicht (mehr zur aktuellen Studienlage weiter unten). Trotzdem hat die STIKO nun etwas eingelenkt. In einer Pressemitteilung vom 10. Mai 2021 schreibt sie:

Bisher liegen keine Erkenntnisse aus kontrollierten Studien zum Einsatz der COVID-19-Impfstoffe in der Schwangerschaft vor. Alleine auf Grundlage der kürzlich publizierten Beobachtungen aus den USA wird die STIKO keine generelle Impfempfehlung für Schwangere aussprechen. Der freien Entscheidung der Schwangeren für eine Impfung soll jedoch durch die aktualisierte STIKO-Empfehlung mehr Raum gewährt werden. Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultierenden hohen Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöhten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände kann nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher ärztlicher Aufklärung eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem 2. Trimenon angeboten werden.

Gerade der letzte Satz ist interessant für alle Schwangeren: Nicht mehr nur Vorerkrankungen sollen bei der Impfentscheidung berücksichtigt werden, sondern auch die Lebensumstände. Bei mir weckt das die Hoffnung, dass impfende Arztpraxen sich vielleicht eher trauen, Frauen wie mich zu impfen, die zwar ohne Vorerkrankungen sind, aber aufgrund älterer Kinder oder auch aufgrund eines Berufes mit viel Kundenkontakt oder Auswärtsterminen einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

Ob das wirklich so klappt, ist natürlich eine andere Frage. Am Ende hängt es vermutlich sehr an der jeweiligen Arzt-Patientinnen-Beziehung bzw. der individuellen Einschätzung der behandelnden Ärztin.

Impfen in der Schwangerschaft – geht das überhaupt?

Vielleicht ist das die erste Frage, die frau sich überhaupt stellt, wenn es um eine Corona-Impfung in der Schwangerschaft geht. Irgendwie fühlt sich der Gedanke daran ja auch erst mal falsch an. Immerhin versuchen die meisten Frauen sogar, ohne jegliche Medikamente durch die Schwangerschaft zu kommen. Und ist eine Impfung nicht auch ein krasser Eingriff in den Körper?

Ja und nein. Grundsätzlich empfiehlt der Berufsverband der Frauenärztinnen und -ärzte (BVF) In der Schwangerschaft „so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig“ zu impfen. Es geht also mal wieder um Risikoabwägung. Der BVF fasst zusammen:

Da in der Schwangerschaft sehr schwere Grippeverläufe auftreten können, hat die STIKO die Influenza-Impfung explizit für Schwangere empfohlen. Die STIKO empfiehlt zudem die Schutzimpfung gegen Keuchhusten (Pertussis) für Frauen in der Schwangerschaft. Diese explizite Impfempfehlung im Zeitraum der Schwangerschaft hat das Ziel, die Zahl der Infektionen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei Neugeborenen und Säuglingen zu verringern, die durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht werden.

Grundsätzlich gilt bei Impfungen in der Schwangerschaft: Es werden keine Lebendimpfstoffe (z.B. Masern/Mumps/Röteln), sondern nur Totimpfstoffe geimpft. Daher ist eine Corona-Impfung prinzipiell möglich, da es sich entweder um vektorbasierte Impfstoffe handelt. Dabei werden harmlose, modifizierte Trägerviren (Vektoren) verimpft, die keine Krankheiten auslösen können. Oder es werden mRNA-Impfstoffe verimpft, die auf Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) basieren und sogar nur den „Bauplan“ eines Virusmerkmals in den Körper bringen – und demnach auch nicht das gefährliche Virus selbst.

Hier geht’s zum RKI-Faktenblatt vektorbasierte Impfung
Hier geht’s zum RKI-Faktenblatt vektorbasierte Impfung

Bin ich als Schwangere denn besonders gefährdet?

Fürs Impfen in der Schwangerschaft gilt also grundsätzlich: Ja, das geht und macht Sinn, wenn es ein besonderes Risiko für eine Erkrankung gibt. Und was Corona betrifft, so muss man leider sagen, dass es dieses besonders hohe Risiko gibt. Ich habe selbst lange nicht so genau hinschauen wollen, da es im letzten Jahr noch hieß, Schwangere seien nicht mehr und nicht weniger gefährdet als andere Frauen in jungem oder mittlerem Alter. Mittlerweile sieht die Risikoeinschätzung der Medizinerinnen und Mediziner etwas anders aus.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) kommt in einem Papier  (Stand Mai 2021) zu dem Fazit, dass schwangere Frauen deutlich stärker gefährdet sind als nicht schwangere Frauen in ähnlichem Alter, einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf nach Covid19-Infektion zu haben. Die Details:

  • Im CRONOS-Register sind bisher knapp 2.000 Sars-CoV-2-positive Schwangerschaften dokumentiert worden. Etwa 80, also rund jede 25. musste auf der Intensivstation behandelt werden. Ein Todesfall ist registriert. Davon benötigte jede fünfte Patientin eine Atemunterstützung und 1 von 10 Erkrankten eine ECMO-Therapie.
  • Auch die Sterblichkeit unter Schwangeren mit Covid ist deutlich erhöht: Bezogen auf das Gesamtkollektiv in CRONOS starben 1 von 2.000 Frauen, was den international publizierten Daten von ca. 50 auf 100.000 Frauen entspricht. Die maternale Mortalität in Deutschland lag 2016 bei gerade einmal 2,9 auf 100.000 Frauen.
  • Es besteht zudem ein bis zu 80% höheres Risiko einer Frühgeburt, auch die Rate an Totgeburten ist erhöht.
  • Selbst bei asymptomatischer SARS-CoV-2-Infektion haben Schwangere ein über 80% erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung) sowie ein um das 4,5-fach erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse.

Wird die Corona-Impfung deswegen schon woanders empfohlen?

Aufgrund des erhöhten Risikos empfiehlt die DGGG in ihrem Papier die Corona-Impfung für Schwangere ab dem zweiten Trimester. Die Fachgesellschaft schließt sich damit der Empfehlung der WHO und anderen internationalen Fachgesellschaften an, die schon länger fordern, Schwangere nicht grundsätzlich von Impfprogrammen auszuschließen.

Mehrere andere Länder empfehlen die allgemeine oder sogar priorisierte COVID-19-Impfung von Schwangeren bereits, u.a. Belgien, die USA, Israel, und UK.

Wie ist die aktuelle Studienlage zur Corona-Impfung in der Schwangerschaft?

Die WHO und andere Fachgesellschaften würden die Corona-Impfung in der Schwangerschaft nicht empfehlen, wenn es noch gar keine Erfahrungen damit geben würde. Die gibt es mittlerweile zum Glück schon – allerdings keine geplante und von vorne bis hinten beaufsichtigte klinische Studie, die der deutschen STIKO so wichtig ist.

Dafür gibt es bereits einige Beobachtungsstudien, die bisher zum Glück keinen Grund zur Sorge geben:

  • Die Zwischenauswertung aus einer Nachverfolgung von geimpften Schwangeren in den USA (NEJM: Shimabukuro et al., 2021) zeigte keine Auffälligkeiten nach der Corona-Impfung von 35.691 Schwangere, die zwischen dem 14. Dezember 2020 und dem 28. Februar 2021 geimpft wurden.
  • Das „V-safe Pregnancy Register“ hat in den USA bis zum 26. April 2021 4.711 Schwangere nach einer Impfung mit einer mRNA-Vakzine beobachtet und keine impfbedingten Komplikationen feststellen können.
  • Seit Februar 2021 läuft nun auch endlich eine klinische Studie von Biontech/Pfizer mit rund 4.000 Schwangeren. Die Studie ist jedoch auf 10 Monate angelegt, weshalb es noch etwas dauern kann, bis die STIKO sie für ihre Empfehlungen nutzen kann.

Geht die Impfung auf mein ungeborenes Baby über?

Die Beobachtungsstudien beziehen sich vor allem auf mögliche Impfkomplikationen oder Nebenwirkungen bei den werdenden Mütter und nicht aufs Baby. Von Totimpfstoffen wie z.B. der Grippeimpfung weiß man jedoch, dass die Virusteilchen der Impfung das Baby im Bauch nicht erreichen und entsprechend auch nicht gefährden können.

Positiv ist – und das weiß man auch schon über die Corona-Impfung: Entwickelt die schwangere Frau nach der Impfung Antikörper auf das Virus, so gehen diese über den Blutkreislauf und die Nabelschnur auch auf das ungeborene Baby über. Das gleiche gilt für stillende Mütter: Die Antikörper waren in einer AJOG-Beobachtungsstudie auch in der Muttermilch nachweisbar.

Babys geimpfter Schwangerer oder geimpfter stillender Mütter könnten so mit einem gewissen Nestschutz gegen das Coronavirus ausgestattet sein.

Corona-Impfung in der Schwangerschaft: Ja oder nein?

Das hier soll kein Pro/Contra-Artikel sein. Ich denke, jede schwangere Frau muss für sich entscheiden, ob sie sich in der Schwangerschaft im Generellen und gegen das Coronavirus im Besonderen impfen lassen will. Schwangere stecken sich statistisch gesehen nicht häufiger an als nicht schwangere Frauen. Vielmehr hängt es eben an dem persönlichen Expositionsrisiko, sprich an den Lebensumständen.

Klar ist jedoch, dass, falls es eine schwangere Frau trifft, sie ein statistisch deutlich höheres Risiko hat, schwer zu erkranken und damit auch ihr Baby zu gefährden. Wie hoch man dieses Risiko als einzelne Person einschätzt, ist aber sicherlich wieder sehr individuell. Denn auch bei Schwangeren verläuft die überwiegende Mehrzahl der Corona-Infektionen mild. Auch darüber gibt das CRONOS-Register Auskunft (hier eine Zusammenfassung):

  • Jede dritte Schwangere (36 %) gab an, komplett symptomfrei zu sein.
  • Wenn es unter den Frauen zu Beschwerden kam, traten v.a. Husten (37,7%) oder ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Schüttelfrost (33,6 %) auf.
  • Nur knapp 6% mussten auf der Intensivstation behandelt werden.
  • Nur 2% der Neugeborenen wurde positiv auf SARS-Cov-2 getestet.

Mit Sicherheit wird jede von uns diese Zahlen je nach Lebenssituation anders beurteilen. Mir persönlich ist ein 6-prozentiges Risiko, auf der Intensivstation zu landen, deutlich zu hoch – vor allem in Kombination mit dem erhöhten Infektionsrisiko durch mein Schulkind. In Anbetracht der positiven Beobachtungsstudien zur Corona-Impfung in der Schwangerschaft würde ich mich daher sofort impfen lassen. Ich bin jetzt am Anfang des letzten Drittels meiner Schwangerschaft, was ein sehr günstiger Zeitpunkt für eine Impfung wäre.

Eine Schwangere, die keine größeren Kinder hat und sich dank Home Office oder Berufsverbot bestens isolieren kann, wird sich jedoch vielleicht anders entscheiden und die Impfung auf einen Zeitpunkt nach der Geburt verschieben.

Disclaimer

Ich hoffe, ich konnte mit meiner Zusammenfassung ein bisschen dazu beitragen, dass ihr eure eigene Risiko-Nutzen-Abwägung machen könnt. Bitte beachtet, dass ich keinen medizinischen Background habe und dieser Text einer journalistischen Recherche entspricht. Ich beziehe mich dabei auf wissenschaftliche Texte, bin aber selbst nicht unbedingt in der Lage, diese fachlich richtig einzuordnen. Sprecht im Zweifel immer mit eurer Ärztin oder eurem Arzt und lasst euch fachkundig beraten!

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