267 - Berufliche Ziele (2019-07-14) ©kinderhaben.de 1600x90

Als Mutter berufliche Ziele verfolgen? Wo kommen wir denn da hin?!

2019 wird ein gutes Jahr – das wusste ich schon lange bevor 2019 überhaupt kam. Weil ich nämlich Pläne hatte, weil ich (berufliche) Ziele verfolge und diese wenn möglich realisiere. Obwohl ich Mutter bin. Obwohl, äh, was? Wie bitte? Kommt euch dieser letzte Satz auch so komisch vor? Ja, mir auch. Denn warum sollte meine Mutterschaft irgendetwas mit meinen Zielen und Plänen zu tun haben? Tja, das habe ich mich auch gefragt.

Mir wurde nämlich kürzlich ein Text in den Social Media Feed gespült, der den Titel trägt: „Darf man sich als Mutter (noch) Ziele setzen?“. Gemeint sind berufliche Ziele, konkret geht es in dem Blogartikel um eine berufliche Neuorientierung inklusive Studium. Ich will den Text gar nicht verreißen und finde es sogar löblich, dass die Autorin ganz klar dafür plädiert, auch als mehrfache Mutter berufliche Ziele zu verfolgen – selbst wenn diese erst mal mit Stress und finanziellen Nachteilen verbunden sein sollten.

Gleichzeitig finde ich den Einstieg in den Artikel und die Fragestellung so unglaublich absurd! Denn warum sollte sich irgendeine Frau oder Mutter überhaupt die Frage stellen, ob sie sich berufliche Ziele setzen „darf“? Wird man als Mutter plötzlich zu einem Menschen zweiter Klasse, der immer abwägen muss, ob der eigene berufliche Ehrgeiz auch bloß niemand anderem schadet?

Benutze den feministischen Umkehrtrick

Wie immer funktioniert der so simple wie wirkungsvolle Umkehrtrick aus dem feministischen Handwerkskoffer ziemlich gut: Stellt euch also einfach mal vor, ein Mann würde sich diese Frage stellen. „Darf ich mir noch neue berufliche Ziele setzen, obwohl ich Vater mehrerer Kinder bin?“. Witzig, oder?

Bestimmt kennt ihr schon alle die Statistiken, die zeigen, dass Väter sogar mehr arbeiten als kinderlose Männer. Klar, irgendwoher muss das Geld ja kommen und unsere Männer sind leider dazu erzogen worden, erstklassige Ernährer zu werden. Schade um die ganzen erstklassigen Väter, die sie ansonsten hätten abgeben können.

Das Selbstverständnis der Männer

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Kein Mann würde sich so was fragen! Männer leben ja ohnehin in den meisten Fällen einfach das Leben weiter, das sie vor den Kindern hatten. Allein in letzter Zeit hatte ich ein paar Begegnungen, die mich mit offenem Mund zurück gelassen haben. Väter, die wahnsinnig zeitaufwändigen Hobbys nachgehen, etwa. Woher sie die Zeit dafür nehmen? „Och, meine Frau hält mir dafür den Rücken frei“, sagt der eine. Na, immerhin ist er ehrlich, denke ich mir. Besser macht es das in meinen Augen aber nicht.

Genauso wenig wie den Umstand, den ich in anderen Familien beobachte, in denen sofortiges Chaos und Endzeitstimmung eintreten, sobald Mama mal für ein paar Tage nicht Zuhause ist. Ob das jetzt tatsächlich wegen einer beruflichen Fortbildung ist oder wegen eines Kurzurlaubs mit Freundinnen, ist ja egal. Fakt ist: Papa kriegt das alles alleine nicht auf die Reihe. Denn: er macht ja schon Karriere, da schafft er es wirklich nicht auch noch zusätzlich, den Kindern ein vollwertiges Mahl zu kochen und im Anschluss noch die Spülmaschine zu befüllen.

Was ich sagen will: Männer verfolgen in den meisten Fällen völlig selbstverständlich ihre eigenen Wünsche und Ziele. Im Beruf oder in der Freizeit: Sie nehmen sich, was sie wollen. Rücksichtnahme? Das Gefühl, nicht genug zum Familienleben beizutragen? Ach was, immerhin geht er doch jeden Samstag mit dem Sohn zum Fußballspiel!

Frauen fragen sich: Ist das eigentlich noch drin?

Im Gegensatz dazu stellen sich Mütter ständig die Frage danach, ob ihr Hobby, ob ihr beruflicher Ehrgeiz eigentlich noch drin ist, zwischen all der Organisiererei, zwischen Haushalt und Kinderkleidung, Kochen und Elternbeirat. Aber warum nur tun sie das, während ihre Männer fröhlich pfeifend auf dem Weg zur Kneipe sind? Die plausibelste Antwort langweilt mich mittlerweile selbst, ist aber dummerweise immer noch wahr: Die vermaledeite Sozialisierung ist Schuld. Ich weiß das so gut, weil auch ich ihr immer wieder zum Opfer falle.

Zum Beispiel dann, wenn ich, selbstständig, einen Haufen voll Arbeit vor mir habe und trotzdem meinen Mann frage: „Kannst du dich echt heute ums kranke Kind kümmern?“. Weil: Ich bin ja Zuhause, haha. Und darüber hinaus bin ich eine liebende Ehefrau und sorgende Mutter. Dabei weiß ich, dass ich einen Mann habe, der seinerseits weiß, dass ihm als Arbeitnehmer zehn Kind-krank-Tage zustehen – und der mehr als bereit ist, diese auch zu nutzen.

Ich erwische mich auch nach wie vor dabei, wie ich es vermeide, zu viele Abende pro Woche außer Haus zu sein. Deshalb gehe ich z.B. oft Samstagmorgens zum Yoga statt unter der Woche abends. Dabei hat der Liebste seinerseits zwei feste abendliche Sporttermine pro Woche, die ich ihm niemals in Abrede stellen würde.

Das Gefühl steckt tief in mir

Ich weiß selbst nicht, warum ich so handle. Ich habe einen Mann an meiner Seite, der ein exzellenter Vater ist und ein besserer Hausmann, als ich es jemals sein könnte. Und trotzdem steckt es irgendwie tief in mir, dieses Gefühl, als Mutter so viel wie möglich anwesend sein zu müssen. Ich kann nur vermuten, dass es auch an den Vorbildern liegt, die ich als Kind eben nicht hatte.

Meine eigene Mutter war den Großteil meiner Kindheit und Jugend nicht berufstätig und stattdessen für Haushalt und Kinder verantwortlich. Und auch sonst sehe ich da sehr viele nicht arbeitende Mütter in meiner Erinnerung, höchstens ein paar Teilzeit-Muttis, die trotz Arbeit pünktlich um zwei das Mittagessen auf den Tisch zauberten. So war das eben in den 90ern in Westdeutschland. Ohne OGS oder Hort-Betreuung.

Die Zeiten haben sich geändert

Heute ist es mit der Kinderbetreuung zum Glück besser (wenn auch immer noch nicht auf dem Stand, auf dem es sein sollte, in einem Staat, in dem jede und jeder auf eigenen finanziellen Beinen stehen soll, unabhängig von Kindern und Eheschließung). Und auch der Anspruch an Männer/Väter hat sich mittlerweile ein bisschen geändert: Heute ist es sogar ganz cool, als Vater Elternzeit zu nehmen. Es sollen sogar ein paar Teilzeit arbeitende Väter gesichtet worden sein (in meiner näheren Umgebung weniger, aber ich will mal den Medien vertrauen).

Jedenfalls fühle ich mich heute durchaus in der Lage, Mutter zu sein und meine beruflichen Ziele trotzdem (?!?) zu verfolgen. Und zwar nicht nur aus dem Antrieb heraus, Erfolg haben oder eigenes Geld verdienen zu wollen. Sondern auch aus dem Gedanken heraus, meiner Tochter (und auch meinem Sohn) jetzt eben ein besseres Vorbild sein zu wollen, als meine Mutter es mir sein konnte.

Vorbild sein und die eigenen Wünsche verfolgen

Ich finde, gerade als Mutter sollte ich mir NICHT die Frage stellen, ob ich berufliche Ziele verfolgen darf. Und ich sollte sie mir nicht mal nur nicht stellen – ich DARF sie mir geradezu nicht stellen. Denn insbesondere als Mutter sehe ich mich in der Pflicht, meinen Kindern ein Vorbild zu sein. Und als solches will ich ihnen zeigen, dass meine Pläne, meine Ziele, mein Ehrgeiz und auch meine Gefühle ganz genauso schwer wiegen wie die vom Papa.

Warum sollte mein Mann beruflich weiterkommen, sich entwickeln, vielleicht sogar nach und nach mehr Geld verdienen – und ich nicht? Genau: Dafür gibt es wirklich keinen Grund, der Sinn machen würde. Zumindest dann nicht, wenn auch ich mir ein eigenständiges Leben inklusive beruflichem Fortkommen wünsche. Und deswegen sollten Texte wie „Darf man sich als Mutter noch Ziele setzen?“ besser umbenannt werden in „Wie verfolge ich als Mutter meine Ziele?“. Denn das „ob“ sollte wirklich keine Frage darstellen! Viel interessanter ist doch das „wie“. Und dabei können wir uns alle sicher gut mit unseren Erfahrungen unterstützen!

7 Kommentare zu „Als Mutter berufliche Ziele verfolgen? Wo kommen wir denn da hin?!

  1. MaMadame

    Danke, danke, danke für diesen Text.

    Ich finde mich oft in dem wieder, was du schreibst, aber genau diese Thematik beschäftigt mich derzeit schwer; Das Ende der Elternzeit gerät langsam in Sichtweite und ich muss überlegen, wo die berufliche Reise hingeht, bzw hingehen soll. Da kommen die bestärkenden Worte gerade recht und ich bin nicht nur voller Dankbarkeit, sondern auch Bewunderung dafür, wie du das, was du da zu sagen hast, rüberbringst.

    • Danke DIR für dieses große Lob! Ich wünsche dir alles Gute für deinen Weg. Für mich selbst bin ich überzeugt, dass meine Kinder und auch die Elternzeit mir und meiner (zukünftigen) Karriere bzw. beruflichen Entscheidungen sehr gut getan haben. Ich weiß einfach viel besser, was ich will und was nicht. Wenn es dir auch so geht, wirst du bestimmt gute Entscheidungen treffen!

  2. Katha

    Ich bin voll und ganz bei dir. Häufig werde ich von anderen Frauen beneidet wenn ich erzähle dass mein Mann und ich eine 50/50 Aufgabenteilung haben. Dabei sind es doch genauso seine Kinder wie meine.
    Je nach Schicht meines Mannes bringt einer die Kinder zum Kindergarten, der andere holt sie ab. In den Spätschichtwochen ist mein Mann zuständig für Einkauf, Haushalt, Kochen, kranke Kinder, etc., in den Frühschichtwochen mache ich das alles.
    Dafür wird mein Mann übrigens sehr gelobt und bewundert, von mir wird es erwartet.
    Wie oft höre ich von Freundinnen dass sie abends nicht weg können da der Mann ja nicht so lange mit den Kindern alleine sein kann.
    Ich war 12 Wochen auf Lehrgang und nur am Wochenende zu Hause. Ja der Trennungsschmerz war auf allen Seiten riesig, aber meine drei sind auch ohne mich zu Hause klargekommen.
    Sie haben eine ganz tolle Bindung zu ihrem Papa. Weil der genau so präsent ist wie ich. Weil es keine Männer- oder Frauenaufgaben bei uns gibt.
    Was mir aber schon öfters aufgefallen ist, ist dass manche Mütter schlecht damit umgehen können wie andere Personen Dinge erledigen.
    In der Krabbelgruppe erzählte eine Mutter dass sie ihrem Mann Anleitungen schreibt wenn sie mal außer Haus muss, sonst macht der ja alles falsch mit dem armen Kind…
    Uns ist es wichtig unseren Söhnen vorzuleben dass es egal ist ob Mann oder Frau, jeder hat bei uns die gleichen Rechte und Pflichten.

    • Oh ja, ich kenne solche Geschichten auch zur Genüge. Am Anfang habe ich mich noch gewundert, mittlerweile wundere ich mich kaum mehr. Aber merkwürdig bleibt es.

      Mit meinem Text will ich auch gar keine Schuldfrage stellen, sonst landen wir wieder nur bei Maternal Gatekeeping vs. egostische Ärsche. ? Und das führt irgendwie nirgendwohin. Aber sich zu fragen, woher ein solches Verhalten denn eigentlich kommt (Stichwort Sozialisierung) kann ja so falsch nicht sein, oder?

      Das Phänomen von den gelobten Männern, das du beschreibst, ist ja auch allzu bekannt. Da ist einfach noch seeehhhr viel zu tun, bevor wir hier von tatsächlicher Gleichberechtigung sprechen können.

      Danke an deinen Mann, dass er da so toll dran mitarbeitet!! ? SCHERZ! ???

  3. Liebe Sophie, ich bin ein wenig fassungslos über deinen Artikel. Das Bild, dass du von Männern zeichnest, ist gefüllt mit Vorurteilen. Ganz ehrlich: So einen Mann habe ich nicht und kenne auch keinen in meinem Umkreis. Dass man sich als Mutter (und auch als Vater!!!) die Frage stellt, ob man das noch darf und kann, scheint mir im Gegensatz zu dir gerade zu logisch, denn da sind kleine Kinder, für die wir die Verantwortung tragen und es gilt mehr abzuwägen als „ob Mutter oder Vater gerade Bock darauf hat.“ Das Große ganze sollte stimmen und das geht weder ,wenn Männer in den Kneipen hängen (wie du schreibst), noch wenn Mütter die komplette Schuld für alle Probleme an Männer abgeben und sagen: Wegen dir ist mein Leben kaputt. NEIN, dann haben sie schlicht den falschen Partner gewählt und knebeln sich selbst.

    • Liebe Sabrina, danke für deine Antwort!

      Wie ich dir schon unter deinem Artikel schrieb, kannte ich deinen Blog bisher nicht, daher hatte ich, anders als vermutlich viele andere Leser*innen, das Hintergrundwissen über euer Familienleben nicht. So wie du es beschreibst, klingt es toll! Aus meinem Text kannst du ja entnehmen, dass es bei uns ähnlich ist. Also, dass wir ebenfalls gemeinsame Entscheidungen treffen und dabei das Wohl aller Familienmitglieder beachten, insbesondere natürlich das der kleinsten. 😉

      Da du vermutlich auch meinen Blog nicht kennst, will ich dir nur kurz schreiben, dass ich meine Texte gerne auch mal überspitzt schreibe oder mit ironischen Elementen spicke. Daher kommt z.B. so ein Satz mit der Kneipe zustande. 😉

      Die Reaktionen anderer Leserinnen auf meinen Text zeigen mir jedenfalls leider, dass doch sehr viel Wahres an meinem Empfinden ist. Wir beide können vielleicht einfach sehr glücklich sein, Männer gefunden zu haben, die unsere Lebensentwürfe gerne mittragen. Es scheint nur leider mehr als ein Vorurteil zu sein, dass viele Frauen erst nach der Geburt der gemeinsamen Kinder merken, dass ihr Mann irgendwie nicht ganz so engagiert ist, wie sie es sich erhofft haben.

      Ich will da gar keine Schuldfrage stellen – weder an den Mann noch an die Frau. Mir geht es genau um das, was ja auch in meinem Text steht: Die gesellschaftliche Frage. Wie sind wir selbst geprägt? Welche Vorbilder haben wir gehabt? Und welches Vorbild sind wir unseren Kindern?

      Ich hoffe, jetzt wird es etwas klarer, was ich mit meinem Text ausdrücken wollte. Jedenfalls wollte ich dich, deinen Mann oder andere Männer keinesfalls angreifen. Ich habe einfach nur den Titel deines Textes als Aufhänger für einen eigenen Text genommen. Tut mir leid, wenn dich das geärgert hat. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß beim Bloggen und schaue jetzt mal, dass ich dich in den Social Media finde. Dann kann ich dir für die Zukunft folgen! Viele Grüße, Sophie

  4. Huhu

    Hey 🙂
    Du sprichst mir wirklich von der Seele! Immer dieses schlechte Gewissen, wenn mein Freund unsere Tochter mal etwas länger allein betreut als vorgesehen – dabei tut er es ja gern und selbstverständlich.
    Trotz eines sehr guten Gleichgewichts zwischen uns beiden fühle ich mich aber überlastet durch die aktuelle Kombi aus Familienleben und Beruf… und überlege sogar ob ich mich umorientieren soll in etwas „psychisch weniger anspruchsvolleres“. Auch wenn ich vor der Mutterschaft schon viele Ideen zu beruflichen Plan B’s hatte, hätte ich damals nie gedacht, dass ich eine konkrete Entscheidung aufgrund von Überlastung treffen wollen würde. Habe da noch gedacht: „Was jammern die alle so rum. Kann doch kein Hexenwerk sein, Familie und Beruf zu meistern“. Auch war ich fest davon überzeugt, ich würde niemals weniger als 80% arbeiten wollen. Wozu gibt es denn KiTas? Und siehe da – ich sehne mich, mit meinen 70%, nach 60%. Und frage mich, warum ich nicht schon vorher weniger gearbeitet habe. Und frage mich, wo denn mein Feminismus geblieben ist. Und frage mich dann wiederum, ob dieser in allen seinen Formen denn wichtiger sein kann als die Freiheit, sein Leben und seine Familie in vollen Zügen zu genießen.

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