Herdprämie adé! Einmal echte Wahlfreiheit, bitte

Nun ist es also passiert: Karlsruhe hat das Betreuungsgeld gekippt. Was genau ging da vor sich? Das Verfassungsgericht hat im Grunde einfach beschlossen, dass es nicht Sache des Staates ist, etwas zu entscheiden, was eigentlich Sache der Länder ist. Da sich ein Land (Hamburg) beschwert hat, wurde nun also entschieden: Die Länder sollen selbst entscheiden dürfen, ob sie ein Betreuungsgeld zahlen wollen oder nicht. Ist das jetzt gut, oder schlecht?

Wie Juramama schreibt, bedeutet der jetzige Spruch aus Karlsruhe zunächst mal

„schlicht eine Kürzung der Geldleistungen, die maximal zwei Jahre lang direkt an Familien mit Kleinstkindern flossen. Mehr noch nicht.“

Denn das Geld kam ja vom Staat und das wird jetzt gestrichen. Ob der Staat dieses Geld nun wiederum dafür einsetzt, Familien auf andere Art und Weise zu unterstützen, ist noch völlig offen – und bleibt zunächst nur zu hoffen.

Eine Wertung hat Karlsruhe denn auch gar nicht erst ausgesprochen. Hier ging es zunächst mal überhaupt nicht darum, ob das Betreuungsgeld eine sinnvolle Leistung war oder nicht. Hier wurden erstmal nur Zuständigkeitsbereiche geklärt. Und die Ausschüttung eines Betreuungsgeldes ist, genau wie der Ausbau von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, Sache der Länder. Es lebe der Föderalismus.

Auf Zeit Online haben sich nun wieder jene 24 Wissenschaftler aus den Bereichen Erziehungswissenschaft, Medizin, Psychologie, Ökonomie, Rechtswissenschaft und Soziologie zu Wort gemeldet, die schon 2012 vor der Einführung des Betreuungsgeldes warnten. Sie befürchteten unter anderem folgende negative Auswirkungen:

„Mit einem Betreuungsgeld würden für Frauen im niedrigen Einkommensbereich Anreize gesetzt, nach dem Elterngeldbezug nicht in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Gerade für diese Frauen wäre aber eine kontinuierliche Erwerbsbiografie besonders wichtig. Ihre langfristige Einkommens- und Alterssicherung hängen wesentlich davon ab. In Skandinavien haben ähnliche Leistungen wie das Betreuungsgeld dazu geführt, dass neben der Erwerbsbeteiligung von Müttern auch die Nutzung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen zurückgegangen ist. Besonders in einkommensschwachen Familien wurde die Neigung bestärkt, kleinere Kinder ausschließlich in der Familie zu betreuen.“

Diese Punkte kann ich gut nachvollziehen. Der für mich wichtigste Punkt, der sich an meiner persönlichen Lebensrealität orientiert und weshalb ich stets gegen das Betreuungsgeld war, ist jedoch, dass mich vor allem der Aspekt der (angeblichen) Wahlfreiheit empörte, mit der CSU-Politiker und sonstige Befürworter des Betreuungsgeldes immer argumentieren. Wahlfreiheit bedeutet für mich nämlich auch, dass ich gegenüber den nicht-arbeitenden Betreuungsgeldbezieherinnenn bitte keinen Nachteil dadurch erleiden will, dass ich eben doch arbeiten gehe.

Finanzieller Nachteil für arbeitende Eltern

Mit Betreuungsgeld sieht es nämlich so aus: Wer nicht arbeitet, zahlt keine Steuern, erwirtschaftet keine Rente und bekommt für die Kinderbetreuung trotzdem Geld vom Staat. Wer trotz Kind arbeitet, zahlt Steuern, erwirtschaftet eine Rente und zahlt zwischen 150 und 1000 Euro (je nach Kommune und eigenem Einkommen) für die Kinderbetreuung.

Es geht nicht darum, dass ich anderen Eltern das Betreuungsgeld nicht gönne. Ich finde es nur einfach nicht gerecht, dass Kinderbetreuung bei Tagesmüttern oder durch Kitas teils wahnwitzig teuer ist, sodass sich Arbeiten gehen kaum lohnt, während ein Zuhausebleiben demgegenüber noch finanziell unterstützt wird. Ich hätte mich ebenfalls über eine Finanzspritze von monatlich 150 Euro gefreut. So hätte sich mein Arbeiten viel besser gelohnt, da die Betreuungskosten für meinen Sohn monatlich gut die Hälfte meines Nettoeinkommens auffressen.

Teure Kinderbetreuung = Keine echte Wahlfreiheit

Ideal wäre natürlich, wenn es kostenlose Betreuungsplätze für die Kinder von Eltern gäbe, die arbeiten wollen UND ebenfalls ein Betreuungsgeld als Ausgleich für jene Eltern, die Erziehungsarbeit leisten. Solange das aber noch reine Utopie ist, finde ich es nicht richtig, ein Betreuungsgeld zu zahlen, anstatt erst mal für den nötigen Betreuungsausbau zu sorgen. Denn eine echte Wahlfreiheit besteht für Eltern kaum, wenn es ausschließlich teure und oftmals von den Betreuungszeiten nicht ausreichende Angebote gibt – und davon auch noch viel zu wenig.

Man kann es nicht oft genug sagen: Der Ausbau der Kinderbetreuung (und damit meine ich Quantität UND Qualität) ist bitter nötig! Wir brauchen mehr Betreuungseinrichtungen, die die Arbeitszeiten der Eltern auch vernünftig abdecken und dabei bitte nicht sämtliche finanzielle Kapazitäten der Familien sprengen.

Was ich immer wieder wichtig finde, zu betonen, ist: Niemand MUSS ein umfassendes Betreuungsangebot annehmen, wenn er oder sie das nicht will. Kein Staat kann Eltern zwingen, ihre womöglich noch unter dreijährigen Kinder in eine 45-Stunden-Betreuung zu geben. Es ist aber trotzdem wichtig, dass es diese Möglichkeit für Eltern gibt, die darauf angewiesen sind.

Kinderbetreuung muss sich an die Lebensrealitäten anpassen

So wie in meinem konkreten Fall: Ein Volontariat ist in meinem Berufsfeld sehr gern gesehen bis Standard. In Teil- oder Dreiviertelzeit wird es aber so gut wie nie angeboten. Da es als Ausbildung gilt und dementsprechend mickrig bezahlt ist, sind wir gleichzeitig auf den Vollzeitjob des Mannes angewiesen. Wir brauchen also zumindest für die Zeit meines Volontariats eine 45-Stunden-Betreuung für unser Kind, auch wenn es uns oftmals lieber wäre, weniger zu arbeiten und selbst mehr Zeit für die Kinderbetreuung zu haben.

Die Lebensrealitäten von Eltern sind nicht immer schön, aber sie sind eben, wie sie sind. Aus demselben Grund benötigen manche Eltern theoretisch sogar 24-Stunden-Kitas. Ich kenne selbst ein Paar, das aufgrund mangelnder Lösungen für die Kinderbetreuung ihre Berufswege verändern musste. Da beide vor der Geburt ihrer Tochter im Schichtdienst arbeiteten, entschied sich die Mutter nach der Geburt dazu, ihren Beruf aufzugeben und eine Ausbildung in einem völlig anderen Beruf zu beginnen. Zwei Mal Schichtdienst war für die beiden ohne Großeltern und sonstige Umsonst-Unterstützung einfach nicht zu stemmen.

Kinderbetreuung ist für die meisten Familien elementar wichtig und muss sich an die Lebensrealitäten der Eltern anpassen. Eine Kita, die um 16 Uhr schließt, ist oft keine große Hilfe. Auch eine Kita, die um 17 Uhr schließt, hilft vielen Familien und insbesondere vollzeitberufstätigen Alleinerziehenden nicht groß weiter.

Schlecht verdienende Frauen werden an den Herd gedrängt

Oft habe ich mich gefragt, wie viele Mütter (denn fast immer sind es Frauen, die schlechter bezahlte Jobs haben und die das Betreuungsgeld beantragen) nur deswegen mit ihren unter Dreijährigen Kindern zuhause bleiben, weil sich das Arbeiten bei den horrenden Betreuungskosten einfach nicht lohnt. Ich hadere auch täglich damit, für ein paar Hundert Euro im Monat meinen Sohn tägliche neun Stunden fremdbetreuen zu lassen. Das Geld wiegt hier überhaupt nichts auf. Der Grund, warum ich nicht einfach kündige, ist (neben dem Spaß an der Arbeit) die Aussicht auf deutlich besser bezahlte Jobs nach meiner Ausbildung.

Frauen, die jedoch dauerhaft in schlecht bezahlten Branchen arbeiten (Friseurinnen, Verkäuferinnen, Pflegepersonal etc.) haben diese Aussicht nicht und da kann ich es völlig verstehen, wenn sie sich gegen den Job und für ihr Kind und das Betreuungsgeld entscheiden. Dass ein Betreuungsgeld so nur dazu führt, Frauen aus dem Arbeitsleben zu entfernen, sollte klar sein. Solange die Kinderbetreuung nicht deutlich günstiger oder am besten kostenlos wird, hat meiner Meinung nach auch ein Betreuungsgeld keine Daseinsberechtigung. Denn dann gibt es keine echte Wahlfreiheit, sondern viele schlecht verdienende Frauen werden tatsächlich hinter den Herd gedrängt. Und eine Herdprämie kann doch wirklich keiner wollen.

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