Von Kindern und Freundschaften

„Jetzt wehr dich endlich! Los, schlag zurück!“ – reichlich fassungslos stehe ich neben der anderen Mutter, die ihren Sohn gerade dazu auffordert, meinen Sohn zu schlagen, der ihn zuvor angeblich geärgert hat. Und in meinem Kopf ist mal wieder diese eine Frage: Was zur Hölle mache ich hier eigentlich?

Ein bis zwei mal täglich stehe ich mit anderen Müttern (Väter sieht man hier leider kaum) zur Abholzeit vor der Kita. Und ich muss ehrlich sagen: freiwillig mache ich das nicht. Denn auch wenn die Kinder sich größtenteils untereinander verstehen – mit den meisten Müttern würde ich nicht unbedingt befreundet sein wollen. Da sind die, die aus Prinzip nie grüßen. Die, die ihre Töchter von oben bis unten in rosa-pink kleiden. Und da sind eben die, die ihre Söhne zu knallharten Kerlen erziehen wollen, gewalttätige „Konfliktlösung“ inklusive.

Früher dachte ich ja mal völlig naiv, dass es leichter sein müsste, unter anderen Müttern Freundinnen zu finden. Aber das war einfach ein totaler Trugschluss. Denn ein Kind ist ja leider kein Hobby. Das heißt: Wenn ich in einen Fußballverein eintrete, weiß ich immerhin, dass mich mit den anderen Mitgliedern meine Leidenschaft für Fußball verbindet. Das gleiche gilt für den Reitsportverein. Und selbst wer im Schützenverein ist, weiß, dass er auf gleichgesinnte Suffköppe stoßen wird. Man findet also immerhin einen gemeinsamen Nenner, ein tiptoppes Gesprächsthema, eine lupenreine Gemeinsamkeit.

Das Interesse „Kind“ reicht als Gemeinsamkeit nicht aus

Mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner „Kind“ verhält es sich dummerweise anders. Das gemeinsame Interesse Kind ist nämlich so global, dass Gemeinsamkeiten oft erst mit der Lupe gesucht werden müssen – und in vielen Fällen auch schlicht gar nicht vorhanden sind. Mit einer Mutter, die für ihre drei Kinder mittlerweile acht Jahre aus dem Job ausgestiegen ist und nichts besseres zu tun hat, als eine halbe Stunde vor Abholzeit vor der Kita rumzulungern, nur damit sie die erste (und damit auch die in ihren Augen beste) Mutter ist, verbindet mich ungefähr so viel: 0.

Nun ist es großartig, dass der bloße Umstand, selbst Kinder zu haben, mich zu einem deutlich toleranteren Menschen gemacht hat. Manchmal wundere ich mich mittlerweile echt über mich selbst, aber ich kann aus heutiger Sicht viel besser verstehen, wenn Frauen sich z.B. dazu entscheiden, über Jahre und Jahre Zuhause zu bleiben und die Kinder zu hüten. Das bedeutet für diese Frauen nämlich offenbar wirklich deutlich weniger Stress und stattdessen eine große Erfüllung. Für mich wär‘ das nix, aber ich habe gelernt, den anderen Standpunkt nachzuvollziehen. (Was ich im Gegensatz nach wie vor nicht nachvollziehen kann, ist, wie man sich auf lange Sicht finanziell komplett von einem Mann und, was die Rente betrifft, der Ehe abhängig machen kann. Aber das ist ein anderes Thema.)

Oft ist es also gar nicht schlimm, wie anders die anderen Mütter sind, wie unterschiedlich unsere Lebenskonzepte aussehen. Solange alle freundlich zueinander sind, ist oberflächlich alles in Butter. Dass es an der Freundlichkeit leider manchmal hapert, nun, das passiert halt. Am Ende war es für mich jedoch eine viel größere Enttäuschung, dass es so oft bei dieser Oberflächlichkeit bleibt. Mein Fazit ist also: Auch mit Kindern findet man nicht leichter Freunde, als ohne.

Kinder stellen bestehende Freundschaften auf die Probe

Ganz im Gegenteil stellen sie sich entwickelnde oder schon lange bestehende Freundschaften erst recht auf die Probe. Da sind erstens die Freundschaften mit kinderlosen Freund*innen, die es so gar nicht verstehen können, wenn man nicht mehr so spontan und flexibel ist wie früher. Die im schlimmsten Fall gar keinen Draht zu Kindern jedweder Art haben und schlicht keine Lust, sich mit einem zu treffen, wenn die Kinder dabei sind, oder die das Thema Kind grundsätzlich in allen Gesprächssituationen aussparen.

Da sind aber auch zweitens die Freund*innen, die zwar selbst Kinder haben, doch zwischen den eigenen und den Freundeskindern stimmt die Chemie mal so gar nicht. Diesen Fall erleben wir im Moment konkret und manchmal bin ich wirklich ratlos, weil wir Erwachsenen uns so gut verstehen, aber die Kinder auf völlig unterschiedlichen Wellen surfen.

Und da sind drittens die Freund*innen, deren Erziehungsansätze so völlig anders sind als die eigenen. Mich persönlich machen zum Beispiel jegliche Extreme wahnsinnig: Eltern, die am Autoritätsstil der Vorgeneration hängengeblieben zu sein scheinen und in einer Tour ihre Kinder zurechtweisen – für Dinge, die in meinen Augen nicht ansatzweise zurechtweisungswürdig sind. Aber ebenso Eltern, die ihren Kindern überhaupt keine Grenzen setzen und durch die ich dann bei einem gemeinsamen Essen dazu gezwungen bin, mit wild tobenden, schmatzenden, unkontrolliert kreischenden Kindern (wir sprechen hier von Kindern im Vorschulalter, nicht von Kleinkindern) an einem Tisch zu sitzen.

Aber dann gibt es diese magischen Momente

Kinder können also eine echte Probe für Freundschaften sein – und erleichtern es auch nicht unbedingt, neue Freundschaften zu schließen. Aber dann gibt es ja auch immer diese magischen Tage, diese zauberhaften Momente, in denen es überhaupt erst die Kinder sind, die eine Verbindung zu einer besonderen Verbindung machen. Wenn die kinderlose Freundin das neue Baby zum ersten Mal auf dem Arm hat – und ich ganz genau sehe, dass sie bald soweit ist, sich auch eins zu wünschen.

Wenn die großen Kinder plötzlich so groß sind, dass sie bei Gartenpartys stundenlang zusammen durch den Garten toben, nur gelegentlich was zu trinken oder essen einfahren – und wir Erwachsenen plötzlich in Ruhe Bier trinken und quatschen können. Und vor allem, wenn Freundschaften durch die Kinder eine ganz neue, tiefere Ebene bekommen – weil es ganz viel Vertrauen braucht, um sich über Sorgen und Erziehungsprobleme auszutauschen.

Letztlich helfen mir meine Kinder vielleicht sogar dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen. Manche Freundschaften sind versandet, seit ich Kinder habe. Manche habe ich sogar mehr oder weniger aktiv beendet, weil ich unter ihnen gelitten habe. Einige Freundschaften sind dann eben doch erst durch die Kinder entstanden, was ich aus heutiger Sicht als glückliche Zufälle sehe, denn gemocht hätten wir uns sicher auch schon vorher in kinderlosem Zustand – nur gekannt eben nicht! Und manche Freundschaften sind mit der Zeit enger und intensiver geworden.

Wenn durch die Kinder neue Kontakte entstehen, sich vielleicht sogar neue Freundschaften bilden, kann ich mich heute über diese glücklichen Fügungen freuen. Trotzdem ist mir völlig klar: Durch Kinder ergibt sich nicht automatisch eine Verbindung. Das erlebe ich täglich an der Kita und in vielen anderen Kontexten. Aber was soll’s? Wichtig ist am Ende, dass man sich mit den Menschen umgibt, die man von Herzen mag und die einem gut tun – und genau das ist es auch, was ich meinen Kindern vorleben will!

2 Kommentare zu „Von Kindern und Freundschaften

  1. Tristia

    Bei den pink rosa Kindern gibt es gaanz viele die es total nervt, dass ihre Töchter am liebsten alles in rosa pink anziehen!
    Ich war nie so und hatte echt gehofft, dass meine Kleine gar nicht erst in die rosa Prinzessin Einhorn Phase kommt…aber…kannste nix machen. (-:

    • Ich weiß, ich war selbst so ein Mädchen, allerdings gab es damals noch nicht so viel in pink und rosa wie heute, daher musste es für mich immer lila sein! Meine Mama war auch echt begeistert – nicht. ?

      In meinem Text meinte ich aber tatsächlich Mütter, die ihre Töchter total absichtlich so „auf Mädchen“ polen wollen und das ohnehin existierende Extrem noch befeuern. Die gibt es nämlich leider auch. Konkrete Situation in der Kita: Tochter wird von ihrer Mutter dafür gescholten, dass sie zum Spielzeugtag ein Feuerwehrauto mitgenommen hat – wo doch alle anderen Mädchen ihre Puppenwagen mitgebracht haben. ?

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