Kita: Qualität vor Quantität!

Aktuell bin ich nicht die einzige Schwangere in meinem Umfeld. Irgendwie scheint es, als sei ein sehr fruchtbarer Sommer angebrochen, denn etliche meiner Freundinnen und Bekannten erwarten auch gerade Nachwuchs. Für viele ist es das erste Kind und neben den anderen üblichen Themen (Bauchumfang, Geburtserwartungen, Babykleidung, Tragehilfen…) sprechen wir vor allem über eines: Kinderbetreuung.

Ich finde es selber blöd, aber die Realität ist nun mal folgende: Für uns beruflich ambitionierte werdende Mütter ist der Kita-Platz ein Thema, das uns schon Monate vor Geburtstermin schlaflose Nächte bereitet. Und das nicht ohne Grund: In fast allen Städten deutschlandweit fehlen Betreuungsplätze. Zuletzt verblüffte ein Artikel mit der Schlagzeile: „Polizeieinsatz wegen Elternschlange“. In Leipzig hatten rund 450 Eltern eine Kreuzung lahmgelegt, weil sie beim Tag der offenen Tür einer neuen Kita anstanden.

Am solchen Beispielen sieht man, wie verzweifelt wir Eltern vielerorts sind. Denn das Dilemma, in dem ich und meine schwangeren Freundinnen uns befinden, ist: Viele von uns wollen (oder müssen) bald nach der Geburt in den Job zurück. Und dazu brauchen wir eine vernünftige Kinderbetreuung.

Sinkende Ansprüche wegen akuter Verzweiflung

Das Problem mit dieser Verzweiflung ist nur leider folgendes: Oftmals sinken unsere Ansprüche an die Kinderbetreuung dadurch gefährlich nach unten. Je mehr Kitas wir auf unserer Liste durchstreichen müssen, da sie zum Beispiel unzureichende Betreuungszeiten anbieten, desto mehr Kompromisse sind wir bereit, einzugehen. Kein frisches Essen? Egal! Hauptsache die Kita hat bis 18 Uhr geöffnet! Personalmangel? Wird schon nicht so schlimm sein. Hauptsache die Ferienzeiten sind nicht so lang. Die Erzieherinnen scheinen überfordert? Ach was. Sie haben heute vielleicht einfach einen schlechten Tag.

Ich habe in letzter Zeit leider einige Gespräche mit werdenden Erstmüttern geführt, die ihre Bereitschaft zu Kompromissen ganz offen kommunizierten: „Wir haben keine hohen Ansprüche“, höre ich immer öfter, „wichtig ist nur, dass wir überhaupt schnell einen Platz bekommen. Und, dass es ein Vollzeitplatz ist!“.

Mit meiner Erfahrung im Rücken versuche ich dann meist, vorsichtig einzuhaken. Oft schildere ich, wie es uns in der Vergangenheit ergangen ist. Und schließe damit, dass ich immer (immer, immer!) aufs Bauchgefühl vertrauen würde. Denn einerseits verstehe ich die Verzweiflung gut: Auch wir haben vor mehr als zwei Jahren den fundamentalen Fehler gemacht, eine Kinderbetreuung vor allem aus pragmatischen Gründen auszuwählen: Nah am Wohnort, lange Betreuungszeiten, schöne Räumlichkeiten. Das Problem waren leider die wenig liebevollen Tagesmütter, die zudem durch Unzuverlässigkeit und generelle Unlust auffielen.

Eine schlechte Kinderbetreuung ist eine Katastrophe

Und dieses Problem gibt es nicht nur bei Tagesmüttern! Auch unter Kitas trennt sich die Spreu vom Weizen oft gefährlich scharf. Es gibt supertolle Einrichtungen und richtig, richtig miese. Was für eine Katastrophe es sein kann, wenn in einer Kita richtig viel schief läuft, geht aktuell wieder durch die Medien: In Berlin Prenzlauer Berg sollen in einer Kita mehrere Kinder von mindestens einer Erzieherin misshandelt worden sein.

Mit unseren Tagesmüttern damals war es glücklicherweise nicht so schlimm. Misshandelt wurde dort sicher kein Kind. Eine baby- und kleinkindadäquate Betreuung war dennoch nicht geboten. Der Mann und ich waren nicht die einzigen, die das bemerkten, aber die ersten, die es ansprachen. Und ich bemerkte damals ein Phänomen, das der Blogger Leitmedium in seinem Artikel zum Thema so treffend beschreibt:

Was ich gelernt habe: Wer in einer Kita die Idylle durchbricht und offen Probleme anspricht, wird oft gemieden. Die meisten Eltern wollen das nicht hören. Sie haben Angst davor, dass ihr heiß erkämpfter Kitaplatz gefährdet ist, sie wollen nicht wahrhaben, vielleicht ihr Kind tagein tagaus einem Drangsal auszusetzen, sie wollen nicht glauben, dass es TäterInnen gibt und Menschen, die dulden und schweigen.

Was ich aktuell in Gesprächen mit anderen schwangeren Frauen erlebe, ist genau dasselbe Phänomen, nur etwas vorgelagert: Hier werden die Augen schon verschlossen, bevor das Kind überhaupt in die Betreuung kommt. Die Sorge, am Ende vielleicht gar keinen Betreuungsplatz zu finden, übertrumpft alle anderen Zweifel. Unterm Strich steht leider oft: „Es muss ja nichts besonderes sein, Hauptsache das Kind ist betreut“.

Ich schreibe das wirklich vollends ohne darüber zu urteilen. Denn ich selbst habe vor wenigen Jahren noch genauso dachte. Damals konnte ich mir auch schlicht nicht vorstellen, wie viel bei einer Kinderbetreuung im Argen liegen kann. Da kann doch nicht so viel dabei sein, dachte ich mir. Um dann andere Erfahrungen zu machen.

Qualität vor Quantität – oder: Hört auf euer Bauchgefühl!

Denn doch, es ist wirklich wahnsinnig wichtig, dass nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität stimmt! Heute würde ich nie wieder mein Bauchgefühl verleugnen, wenn es um die Auswahl der Kinderbetreuung geht. Ohne Umschweife mache ich jetzt lieber Kompromisse, was Betreuungszeit oder Anfahrtsweg angeht, solange ich von den Erzieherinnen und der Atmosphäre in der Kita überzeugt bin.

Denn es macht in der Tat einen riesigen Unterschied, ob man sein Kind jeden Morgen mit schlechtem Gewissen in der Betreuung abgibt oder ob man mit guter Laune aufschlägt und weiß, dass man sein Kind nachmittags mit ebensolcher auch wieder abholen wird.

Ich weiß, dass das alles ein Riesenproblem ist, an dem vor allem eine Familienpolitik Schuld ist, die viel zu lange davon ausgegangen ist, dass Mütter wohl lieber daheim bei ihren Kindern hocken als ihre teure und langjährige (akademische) Ausbildung auch beruflich nutzen zu wollen. Und ich verstehe wirklich jede einzelne Familie, die verzweifelt nach überhaupt nur irgendeinem Betreuungsplatz sucht.

Und trotzdem lautet mein Appell, der aus meiner persönlichen Erfahrung gewachsen ist: Hört auf euer Bauchgefühl und wählt die Kinderbetreuung nach wichtigeren Kriterien aus als nur nach der Anzahl der Betreuungsstunden oder dem bloßen Fakt, überhaupt irgendeinen Platz ergattert zu haben!

Letztlich soll es in einer Familie ja allen Beteiligten gut gehen. Den Eltern, die beide arbeiten gehen können, aber auch dem Kind, das in seiner Kita möglichst einen sicheren und schönen Ort finden soll, der das kleine Leben bereichert – und nicht einen, der unglücklich macht.

Übrigens: Dieser Text soll nicht bedeuten, dass wir alle uns mal schön mit faulen Kompromissen zufrieden geben sollen. Ich z.B. sehe gar nicht ein, mich dauerhaft mit einer lächerlichen Betreuungszeit von 7 – 14 Uhr zufrieden zu geben, sondern plane, mich aktiv bei der Stadt zu beschweren und dazu möglichst noch andere betroffene Eltern ins Boot zu holen. Denn so oder so sind wir Familien die Leidtragenden, wenn die Betreuung nicht stimmt. Letztlich sagt mir meine Erfahrung jedoch: Unsere Kinder sollten am allerwenigstens Leid ertragen müssen. 

4 Kommentare zu „Kita: Qualität vor Quantität!

  1. H.

    7-14 Uhr ist nicht mit einer Vollzeittätigkeit vereinbar.
    In der Großstadt in der ich lebe gibt es im Umkreis kaum eine Krippe, die mit meinen Arbeitszeiten konform geht. Ich muss möglichst bald wieder arbeiten (und möchte das auch, ganz nebenbei bemerkt). Der Vater des Kindes (das auch erst noch das Licht der Welt erblicken muss…) ebenso. Ein Kompromiss in unserer Stadt sieht so aus dass man die Hälfte seines Gehalts in eine sündhaft teure private Krippe investiert- ich persönlich kenne keinen, der in den letzten 3 Jahren einen städtischen Kitaplatz bekommen hat… gleich welcher Qualität (die sich ja auch erst mit der Zeit zeigen muss) oder mit welchem Bauchgefühl (auf das ich eher vertrauen würde).
    Bin schwer deprimiert, aber seit der Unterzeichnung des Kitavertrags mit o.g. schweineteuren privaten Krippe bereitet mir das Betreuungsthema zumindest nicht schlimmere schlaflose Nächte als die Geburt 😉

  2. Ich finde, dass die Politik in unserem Lande noch sehr viel Handlungsspielraum hat, was die ordentliche Organisation von Kitaplätzen anbetrifft. Kurzgesagt: Gerade in Großstädten reicht das Angebot oftmals einfach nicht aus!

    Wenn man um einen Platz schon regelrecht kämpfen muss, dann läuft hier definitiv etwas schief. Hier besteht doch offensichtlich ein hoher Bedarf, ich denke, dass ggf. die Ausbildung zu Erzieher, Kinderbetreuung und Co. noch besser entlohnt werden sollte. Schließlich ist das kein leichter Job, ganz im Gegenteil, man trägt unglaublich viel Verantwortung.

    Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag,
    Cindy

  3. Daniela

    Warum muss unser Staat für die Kinderbetreuung und Kinderpflege aufkommen? Wir sind die Eltern und nur wir sind dafür zuständig! Wir setzen ein Kind in die Welt, aber investieren in seine Zukunft möchten wir nicht, das soll schön der Staat übernehmen! Klar! Wenn wir uns ein Auto kaufen, zahlt dann das Reifenwechsel oder die Inspektion auch der Staat? Oder wenn wir uns ein Haus kaufen, streicht dann der Staat die Fassade und macht uns neue Heizung rein?
    Mein Kind ist mit 4 Monaten in einer „schweineteueren privaten Einrichtung “ für ca. 1000€ im Monat, aber das, was dort geboten wird, bekäme das Kind nicht, wenn ich zu Hause bliebe, dafür müsste ich mich mindestens 4 Mal klonen! 4 Mal am Tag frisches, gesundes Essen( sogar Brötchen werden selbst gebacken und das Kind wird gefragt, wie es sein Ei möchte), zum Mittagessen wird schöne Musik eingeschaltet und eine Serviette auf den Schoss gelegt, es ist Alltag und die Kinder wachsen einfach damit auf ohne Stress! In der Krippe auf 10 Kinder 4-5 Betreuer, im Kindergarten auf 20 Kinder 5-6 Betreuer, Englische Sprache im Alltag( die Muttersprache von mind. 50% Betreuer), jede Woche gibt es einen Ausflug ( Schwimmen, Markt, Bibliothek…), Windel inklusive, Balletunterricht, Klavierunterricht, Turnen, Kampfsportanfänge vor Ort, sogar ein Friseur kommt ins Haus! Die Kinder werden für die Schule vorbereitet und, und, und… Alles spielerisch und ohne Zwang!!! Dem Kind wird alles frei gestellt und für die Alternativen gesorgt, wenn es manche Aktivitäten nicht in Anspruch nehmen möchte! Weil es genügend Betreuung gibt, die durch Springer ersetzt wird, wenn mal einer fehlt; weil Betreuer ausreichend bezahlt werden, entspannte, familiäre Atmosphäre auf der Arbeit haben und gerne ihre Atbeit machen! Ich habe keinen einzigen Tag schlechtes Bauchgefühl gehabt, als ich mein Kind in der Einrichtung abgegeben oder abgeholt habe! Mein Kind geht gerne in diese Einrichtung und verbindet nur positive Emotionen damit! Sie ist auch gerne mit uns an den Wochenenden unterwegs! Wir sind am Abend oder an den Wochenenden entspannt, weil wir in Ruhe während der Woche unserer Arbeit nachgehen können und uns soviel abgenommen wird! Wir gestalten unsere Freizeit komplett nach den Bedürfnissen von unserem Kind! Es ist die Nr.1 im umserem Leben ! Absolut!!!! Es soll die schönste Kindheit haben und ganz viele Möglichkeiten bekommen sich zu entfalten! Unser Kind fragt Sonntag abends, ob es morgen in den Kindergarten geht und sagt: „Cool, dann sehe ich ja morgen alle meine Freunde wieder und dann holst du mich ab und wir machen uns noch einen schönen Abend!“ Es ist kein Märchen, daa gibt es wirklich und es funktioniert, aber es kostet einfach Geld! Hört endlich auf zu jammern, geht weniger essen, kauft eich weniger Zeug, schraubt eure Ansprüche runter und investiert endlich das Geld in eure Familie! Wenn ihr arbeiten gehen wollt, dann ist es euer Bedürfnis, das macht euch glücklich. Hoffe ich, bei meinem Partner und mir ist es zumindest so. Dann muss das Kind in der Zeit, als ihr arbeiten geht, auch glücklich und bestens versorgt sein! Das ist doch ganz einfach! Was hat bitte unser Staat damit zu tun? Wir sind Familie und sind für einander da! Oder ist hier jemand mit dem Staat verheiratet? ;-)))

    • Ich freue mich für euch, dass ihr euch die schweineteure private Einrichtung leisten könnt. Aber machst du dir manchmal Gedanken darüber, wie das Leben für Menschen aussieht, die dieses Geld nicht haben, aber trotzdem eine gute Kinderbetreuung brauchen? Weil sie nämlich arbeiten gehen müssen, um über die Runden zu kommen. Weil sie außerdem ein wertvoller Teil der Gesellschaft sind und sein wollen, Steuern zahlen und an allem teilhaben?

      Vielleicht ist meine Antwort sinnlos, weil dein Kommentar satirisch gemeint war? Ich bin mir da gerade nicht so sicher. Denn eigentlich kann so eine Meinung doch kaum ernst gemeint sein. Oder sie zeugt von extrem viel Ignoranz und Unkenntnis, gerade was gesellschaftliche Schichten betrifft, die zum Beispiel zum Mindestlohn arbeiten. Diesen Menschen zu empfehlen, „in die Familie zu investieren“ ist absolut höhnisch.

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