Kita-Betreuungszeiten: An der Lebensrealität vorbei

Gestern wurde in einer Facebook-Gruppe für Blogger nach Texten über Kinderbetreuung gefragt. Da hatte ich natürlich einiges beizusteuern – schließlich gibt es hier in meinem Blog eine ganze Kategorie mit dem Titel „Kinderbetreuung“. Denn klar, für eine Frau wie mich, die sich ohne Job und eigenes Geld zu verdienen einfach nicht ganz komplett fühlen würde, ist Kinderbetreuung ein unerlässlicher Faktor im Familienleben. Und da dachte ich, dass es mal Zeit für ein persönliches Update zum Thema Kinderbetreuung ist. Denn aktuell spüren wir mal wieder, dass die Politik auf diesem Gebiet noch sehr, sehr viel zu tun hat.

Vorab sei gesagt: Wir sind insgesamt ziemlich glücklich mit unserer Kita. Das Hübchen fühlt sich total wohl und hat in Windeseile viele tolle Freund*innen gefunden. Am Wochenende kriegen wir vom Sohn tatsächlich oft die Frage gestellt: „Wann ist endlich wieder Kita-Zeit?“. Das kann jetzt einerseits heißen, dass wir als Eltern echt einen miesen und langweiligen Job machen. Das kann aber andererseits auch heißen, dass das Hübchen seine Kita einfach ziemlich super findet. Ich glaube fest an zweiteres. 😉

Warum man als hyperkritischer Elternteil nicht unbedingt seine eigenen Ansprüche aufs Kind übertragen sollte, habe ich hier schon mal beschrieben. Denn auch wenn uns an der Kita so einiges nicht zu 100% gefällt (das Essen zum Beispiel), hat das Kind vielleicht ganz andere Ansprüche, die dafür absolut erfüllt werden. In unserem Fall ist es beispielsweise so, dass des Hübchens Lieblingserzieherin nicht nur die in meinen Augen strengste der insgesamt drei Frauen in seiner Gruppe ist, sondern auch noch die einzige ohne pädagogische Fachausbildung. Was für mich also erst mal mies klingt, ist dem Hübchen total egal – er mag sie einfach extrem gerne!

Betreuungszeit: 7 bis 14 Uhr. Ähm, tja…

Vom Kita-Alltag her ist also alles in Butter. Das einzige Manko sind und bleiben die Betreuungszeiten. Denn eine 35-Stunden-Betreuung bedeutet in unserer Kita eine tägliche Betreuungszeit von 7 bis 14 Uhr. Und das geht einfach mal völlig an unserer Lebensrealität vorbei – und wie die Erfahrung zeigt, auch an der der meisten anderen Eltern. An Tagen, an denen der Mann und ich in die Agentur fahren oder sonstige Termine haben, passiert es schon mal, dass wir das Hübchen gegen 8 Uhr (oder ganz, ganz selten auch schon mal noch früher) hinbringen. Die Kita ist dann leer. Erst ab 8.30 Uhr füllt es sich stetig und ein nicht unbeträchtlicher Teil der Eltern schafft es gerade noch so zu 9 Uhr, kurz bevor die Kita zum Morgenkreis die Türen verschließt.

Nachmittags sieht die Lage dann wieder ganz anders aus: Aktuell stehen rund 15 der insgesamt ca. 50 in der Kita betreuten Kinder auf der Warteliste für einen 45-Stunden-Platz. Damit dürfen die Kinder dann bis 16 Uhr in der Kita bleiben. In diesen Genuss kommen aktuell jedoch nur 8 Kinder, die zwischen 14 und 16 Uhr von zwei der insgesamt fünf Erzieherinnen betreut werden. Zum Sommer hat die Stadt 4 weitere Plätze bewilligt, sodass ab August 12 Ganztagsplätze zur Verfügung stehen werden.

Schlechte Betreuungszeiten verhageln berufliche Chancen

Das bedeutet: Vier glückliche Familien rücken nach und gehen ab Sommer in die Ganztagsbetreuung (wobei eine Betreuung bis 16 Uhr für die meisten Eltern immer noch die Vereinbarkeit von Vollzeitarbeit und Kind ausschließen dürfte). 11 andere stehen jedoch weiterhin auf der Warteliste, können ihre Arbeitszeiten nicht aufstocken, sich nicht auf attraktiv klingende Jobs bewerben oder als Selbstständige mehr Aufträge annehmen. Ganz zu schweigen von den neuen Kindern, die im Sommer aufgenommen werden und die natürlich erst gar keine Chance auf einen 45-Stunden-Platz haben.

Ich brauche an dieser Stelle natürlich nicht erwähnen, dass es ausnahmslos die Mütter sind, welche wegen der unzureichenden Betreuungszeiten nicht oder nur wenig arbeiten? Seit es wieder wärmer wird, sitze ich nach Kitaschluss noch häufig mit anderen Müttern zusammen auf dem Hof, weil unsere Kinder auch nach 14 Uhr noch weiter zusammen spielen wollen. Ich habe in dieser Zeit viele Klagen darüber gehört, dass die kurze Betreuungszeit einfach nicht ausreicht.

Da ist die Mutter, die sich aktuell auf gut Glück auf 30-Stunden-Stellen bewirbt, in der Hoffnung, dass ihre Tochter im Sommer endlich auf einen Ganztagsplatz nachrückt. Da ist die andere Mutter, die zwischen dem ersten und zweiten Kind erst gar nicht wieder in den Job eingestiegen ist, weil es sich bei den Betreuungszeiten für Kind 1 eh nicht gelohnt hätte. Und da bin ich, die ich als Freiberuflerin aktuell Abend- und Wochenend-Schichten einlege, weil ich in den paar Stunden täglich, die ich ohne Kind habe, einfach nicht alles schaffe.

Die Stadt müsste mehr Gelder rausrücken

Im Gespräch mit der Kita-Leitung wird das ganze Dilemma sichtbar: Die Stadt wisse von dem Bedarf, aber es würden einfach nicht mehr Ganztagsplätze bewilligt. Die Kita-Leiterin erzählt mir, dass unsere Kita gar eine der letzten in der ganzen Stadt war, in der die „Mittagspause“ abgeschafft wurde. Sie selbst habe damals bei der Stadt vorgesprochen, dass eine in zwei Teile gespaltene Betreuungszeit von 7 bis 12 Uhr und dann erst wieder von 14 bis 16 Uhr wirklich nicht mehr der Lebensrealität der Familien (bzw. der Frauen, [hier sarkastisches Lachen einfügen]) entspreche. Irgendwann wurden die Bitten endlich erhört und die durchgehende Betreuung wurde eingeführt.

Aber auch bei unseren aktuellen Betreuungszeiten und den paar Ganztagsplätzen, die es in unserer Kita gibt, frage ich mich: Meint die Politik es wirklich ernst, wenn sie immer davon spricht, wie wichtig der Ausbau der Kinderbetreuung sei? Klar kriege ich mit, wie auch in unserer Stadt ständig neue Kitas gebaut werden, aber ich frage mich gleichzeitig: Warum schaut man sich nicht auch mal die Kitas an, die es schon seit Jahrzehnten gibt? Ist in diesen Einrichtungen der Betreuungsbedarf überhaupt gedeckt? Müssten nicht auch in den bestehenden Einrichtungen quantitative und qualitative Veränderungen angegangen werden?

Und das nicht vielleicht sogar, bevor immer neue Kitas gegründet werden? Die zwei Erzieherinnen der Nachmittagsschicht dürften rein rechtlich weitaus mehr als 8 bzw. ab Sommer dann 12 Kinder betreuen. Warum wird hier nicht aufgestockt, da das Personal doch eh schon vor Ort ist? Was zur Hölle hindert die Stadt, das Nachmittagsangebot in einer bestehenden und gut funktionierenden Einrichtung aufzustocken? Ich bin wirklich ratlos – und die Kita-Leitung scheint kaum weniger konsterniert. Oder noch viel schlimmer: Es scheint fast, als hätte sie den Kampf schon aufgegeben.

Eltern und Kitas sind immer nur Bittsteller

Denn nicht nur als Eltern, auch als Kita ist man immer wieder gezwungen, als Bittsteller aufzutreten. Am Ende entscheidet die Stadt darüber, welche Gelder welche Einrichtungen erreichen. Und in der Öffentlichkeit macht es sich vermutlich einfach besser, wenn berichtet werden kann, dass im letzten Jahr 3 neue Kitas gebaut wurden. Dass 10 bereits existierende Kitas vielleicht auch deswegen ihr bestehendes Angebot nicht verbessern konnten, wird dabei verschwiegen.

In unserer Stadt wie auf Bundesebene gilt politisch wohl: Wenn Kind versorgt, dann versorgt. Hauptsache, es gibt Kita-Plätze für alle! Dabei scheint es völlig egal, ob die Versorgung auch dem individuellen Bedürfnis der Eltern und des Kindes entspricht. Ich rede da ja noch nicht mal von speziellen Wünschen nach Ganztagskitas oder Wochenendbetreuung, sondern wirklich nur von stinknormalen Betreuungszeiten. Uns würden aktuell tatsächlich die 7 bis 16 Uhr völlig ausreichen. Oder eher sogar: 8 bis 16 Uhr, denn die frühen Zeiten nutzen wir höchst selten.

Ein Kitawechsel kommt jetzt, da das Hübchen sich super eingelebt hat, für uns natürlich nicht mehr in Frage. Er wird auf jeden Fall bleiben. Und wir können nur hoffen, dass wir vielleicht 2018 auf einen Ganztagsplatz nachrutschen. Ich habe mir für dieses Jahr jedenfalls schon mal vorgenommen, Stimmen aus unserer Kita zu sammeln und die Bedürfnisse der Eltern nochmal ans Jugendamt und die städtischen Entscheider heranzutragen. Dass 15 Familien in einer bestehenden Kita auf einen Ganztagsplatz warten, kann ja kein Dauerzustand bleiben. Vielleicht lässt sich mit etwas Engagement ja doch was bewegen. Die nächste Kommunalwahl kommt bestimmt. 😉

Passend zum Thema empfehle ich euch übrigens diesen Zeit-Artikel. Darin wird auch sehr treffend beschrieben, wie absurd es eigentlich ist, dass Eltern heutzutage um Kita-Plätze kämpfen müssen und als der ewige Bittsteller auftreten – obwohl es sich dabei doch eigentlich um eine Selbstverständlichkeit handeln sollte.

2 Kommentare zu „Kita-Betreuungszeiten: An der Lebensrealität vorbei

  1. Danke für diesen ausführlichen Text.
    Ich wollte gern noch etwas beisteuern: Unsere Kita macht regelmäßige Umfragen. Die Betreuungszeit 7-14h wird IMMER als Wunsch angegeben. Bis heute verstehe ich nicht, wieso?!?

    Jemand eine Idee? Ob bei uns nur die Eltern angemeldet sind, die diese Zeiten bräuchten? Nein! Im Gegenteil…

    Also liebe Eltern, bitte immer großzügig sein, bei solchen Umfragen! 🙂

  2. Fee

    Aber was können wir dagegen tun? Jede Mutter regt sich darüber auf aber wenn das Kind in die Schule geht ist wieder alles vergessen. Die nächsten haben das gleiche Problem.

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