Intuitives Stillen oder: Scheißegal wann, wie, wo und warum!

Das Wachstum und die Entwicklung unseres Babys wollen ja gut dokumentiert werden, und deswegen rennen wir natürlich gerne zu den ständigen „U’s“, für die wir in unserer völlig überlasteten Kinderarztpraxis nur noch Termine in der Mittagspause bekommen. Aber ich will nicht meckern, dafür waren letzte Woche bei der U3 zumindest keine rotznasigen Halbwüchsigen anwesend (außer unseres eigenen) und wir kamen schnell dran. Unsere Kinderärztin mag ich auch wirklich gerne, nur manchmal stellt sie mir so komische Fragen wie diese: „Wie viele Male stillen Sie Ihr Baby pro Tag?“

Diese Vorsorgeuntersuchungen mit gut entwickeltem und gesundem Baby sind ja insgesamt immer in etwa so, als würde man mit einem frisch gekauften Neuwagen zum TÜV gehen. Bisschen sinnlos, aber dann auch wieder bisschen schön, weil man einfach mal gratis vorgeführt kriegt, was für ein perfektes Kind man da produziert hat. Wir haben aus der U3 direkt mal ein Familienhappening gemacht, weil das Hübchen prompt in der Nacht zuvor hohes Fieber bekommen hat und wir ihn so praktischerweise einmal mit durchchecken lassen konnten.

Jedenfalls war die Untersuchung sehr nett, das Hübchen guckte interessiert zu und durfte am Ende noch die Belohnungs-Gummibärchen vom Baby einheimsen, denn ohne Zähne keine Bärchen. Unser Kinderärztin ist auch im Allgemeinen recht entspannt und vertraut grundsätzlich auf die Kompetenzen der Eltern. Dass sie aber trotzdem zur alten Schule gehört, wurde mir wieder klar, als die Frage nach unserem Stillrhythmus fiel.

Stillrhythmus? Äh, keine Ahnung…?

Meine Antwort bewegte sich irgendwo zwischen „Äh“ und „Hmm“. Denn im Ernst: Ich habe keine Ahnung, wie oft täglich ich mein Mädchen stille. Die ehrliche Antwort wäre gewesen: Ich hänge das Baby an die Brust, sobald es anfängt zu schmatzen, zu quäken oder irgendwie unruhig zu werden. Und natürlich sowieso nach jedem Aufwachen, weil es dann eh nur Minuten dauern würde, bis sie ihre Mahlzeit einfordern würde.

Meine Kompromiss-Antwort lautete: „Alle drei Stunden, im Schnitt“. Und das ist ja nicht gelogen, weil „im Schnitt“ kann ja kaum gelogen sein. Manchmal schläft das Mädchen vier Stunden und will gar nicht gestillt werden. Und manchmal ist sie wach und will eine Stunde nach ihrem letzten Snack schon den nächsten Schluck haben.

Dass ich da nicht so ins Detail gegangen bin, war wohl gut, denn die Antwort der Ärztin lautete: „Alle drei Stunden klingt sehr gut! Alle zwei Stunden wäre kritisch, denn das macht Bauchschmerzen. Alle sechs Stunden wäre auch schlecht, denn das wäre Unterernährung“. Soso. Ich zwinkere heimlich dem Baby zu, das mich prompt angrinst. Keine Sorge, meine Süße, denke ich. Mein Milchstrom versiegt nie für dich – du darfst an die Brust, wann immer es dir beliebt!

Ich pfeife auf die Uhr!

Ich höre das Baby förmlich erleichtert aufatmen. Denn meine Kleinste kennt die Uhr doch noch nicht! Woher soll sie wissen, dass die ärztlich verordneten drei Stunden noch lange nicht rum sind, wo es doch genau jetzt im Magen zwickt? Wenn es im Magen zwickt, dann braucht man sofort eine Pfannkuchentorte, das wusste schon der Kater Findus aus den schönen schwedischen Kinderbüchern. Und wenn man ein Baby ist, dann darf es gerne Milch sein.

Ich habe keine Ahnung woher diese tief verankerte ärztliche Angst vor zu häufigem Stillen kommt. Selbst wenn es tatsächlich vereinzelt einen Zusammenhang zwischen Baby-Bauchschmerzen und häufigem Trinken geben sollte – man kann daraus doch keine Allgemeingültigkeit ziehen! Das Mädchen, und genauso das Hübchen damals, haben von Muttermilch jedenfalls noch nie auch nur eine winzige Spur von Bauchschmerzen gezeigt. Beim Hübchen fing die unruhige Verdauung erst mit der Beikost an, weshalb wir die dann immer weiter nach hinten geschoben haben – was wir vor der Kinderärztin natürlich auch nicht erwähnten.

Ein paar Geheimnisse bewahrt man erfahrungsgemäß besser, wenn man mit Kinderärzten im Gespräch ist. Dazu gehört zum Beispiel auch der Fakt, dass das Mädchen mit in unserem Bett schläft. Und – Gott bewahre! – manchmal sogar auf dem Bauch!

Beim zweiten Kind weiß ich es besser!

Das Stillen ist jedenfalls immer wieder ein ganz besonderes Thema zwischen Eltern und Ärzten, aber auch zwischen Frauen und Müttern (oder noch schlimmer: Schwiegermüttern). Das tolle am zweiten Kind ist jedoch, dass man sich viel leichter von all den Mythen und Besserwissereien befreit und manchmal wunderbarerweise dahin kommt, einfach auf alle guten Ratschläge zu pfeifen und das Baby so zu stillen, wie es für Mutter und Kind am besten passt.

Meine Hebamme hat dazu sogar den passenden Begriff parat: Intuitives Stillen. Ich nenne es einfach: Scheißegal wann, wie, wo und warum. Dass mein Baby die Intuition im Blut hat, hat es mir direkt nach der Geburt gezeigt: Da robbte es ganz von allein hoch zu meiner Brust und saugte sich direkt mal ordentlich fest. Schon erstaunlich, diese Kompetenz nach gerade mal 15 Minuten Luft in den Lungen!

Ich lerne, die Intuition zuzulassen

Als Mutter muss man es dummerweise manchmal erst lernen, die Intuition zuzulassen. Ratschläge und Pseudo-Wissen anderer Menschen sind leider häufig ein bisschen zu laut, um nur auf die eigene innere Stimme und die noch lautlose Stimme des Babys zu vertrauen. Was an sich so schade ist, weil es so einfach sein kann, wenn man sie zulässt!

Beim Hübchen habe ich damals auch noch viel zu oft auf die Uhr geguckt, versucht, die Stillpausen zu verlängern und war immer richtig stolz, wenn es tatsächlich mal gelang, mehr als zwei Stunden zwischen den einzelnen Stillphasen zu warten. Im Nachhinein denke ich: So ein riesengroßer Quatsch! Jeder Gedanke, denn man an den Stillrhythmus verschwendet, ist meines Erachtens ein unnötiger Gedanke, dessen Energie man doch besser für was anderes nutzen kann.

Wenn das Baby Hunger hat, muss es an die Brust!

Und genauso wenig wie ich heute auch nur einen Gedanken an die Stillabstände verschwende, mache ich mir Sorgen über den Ort oder den Grund zum Stillen. Mein Baby trinkt nicht immer nur, weil es großen Hunger hat, sondern manchmal auch nur drei Schlucke zum Einschlafen. Oder, weil sie an meiner Brust Ruhe und Geborgenheit sucht. Weil sie ein ziemlich großes Saugbedürfnis hat, geben wir ihr übrigens zusätzlich einen Schnuller. Damit haben wir beim Hübchen gute Erfahrungen gemacht und für meine armen Brüste ist es gerade nachts eine ziemliche Erleichterung.

Tja, und beim Thema „wo Stillen“ bin ich mittlerweile ohnehin maximal schmerzfrei. Denn wenn das Baby Hunger hat, dann muss es an die Brust – und zwar sofort! Niemals käme ich auf die Idee, ein vor Hunger schreiendes Kind erst nach Hause zu befördern, um es dann dort zu stillen. Wenn mein Mädchen danach verlangt, suche ich mir schnell einen Sitzplatz und dann geht’s los. Zum Glück ist gerade Sommer und auch Parkbänke oder Treppenstufen an Hauseingängen eignen sich bestens für eine kleine Rast.

Scheißegal wann, wie, wo und warum

Ja, je länger ich darüber nachdenke, desto besser passt das Motto „Scheißegal wann, wie, wo und warum“ zu meiner Einstellung zum Stillen. Es ist mir nämlich tatsächlich scheißegal. Und am scheißegalsten ist mir, was andere sagen, selbst wenn sie 10 Jahre lang Medizin studiert haben. Denn mein Baby hat zwar nicht studiert, weiß aber hundertprozentig trotzdem am besten, wann, wie, wo und warum es gestillt werden möchte. Und alles was mir dann noch übrig bleibt, ist, darauf zu hören und meinem Mädchen zu vertrauen.

Mein glückliches Zweitkind! Zum Glück ist deine Mutter jetzt schlauer als beim ersten Mal. Aber wenn ich ehrlich bin, hat das Hübchen damals seine Mahlzeiten derart lautstark eingefordert, dass mir auch da sehr schnell gar nix anderes übrig blieb, als mich nach den Wünschen meines Babys zu richten. Denn wer wäre ich, ein verzweifeltes Babyweinen zu ignorieren?

Wenn das Baby Hunger hat, braucht es eben Milch! Zumindest so lange, bis es endlich Pfannkuchen gibt!

5 Kommentare zu „Intuitives Stillen oder: Scheißegal wann, wie, wo und warum!

  1. mixmax

    haha, genau so ist es. und ich behaupte auch, dass man sich beim zweiten weniger gedanken drum macht, weil einfach andere dinge im kopf sind. beim ersten, ohne geschwisterkind, das rumhüpft, hat man ja noch zeit, über alles nachzudenken, beim zweiten hab zumindest ich entweder gechillt ein buch gelesen oder im bett die zeit von kind 1 im kindergarten genossen, oder eben nachmittags kind 1 da gehabt, aber mir wäre nicht in den sinn gekommen, abstände zu notieren oder so. auch sowas wie „welche brustseite ist dran“ oder so, da hab ich irgendwie nicht mehr drüber nachgedacht, die die voller war war zuerst dran (war eh immer so viel da), fertig. herrlich! bei vielen dingen mit dem zweiten setzt sich das so fort (nicht mehr so viel gedanken über die erste rotznase, die ersten roten pickelchen irgendwo, die ersten zähne die kommen oder nicht, zeitpunkte, wann es was schon oder noch nicht kann…), das ist so viel entspannter! die zweite elternzeit war die entspannteste zeit ever bisher. wunderbarer sommer, ich daheim mit baby (auch zugegebenermaßen sehr pflegeleicht), großes kind auch zufrieden weil baby und mama zufrieden…herrlich! genießt es!

    • Kann ich alles genau so unterschreiben! 🙂 Besonders das mit den Brüsten: Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich in der Öffentlichkeit meine Brüste betaste, um zu schauen, welche nun dran ist. Sieht für Fremde bestimmt komisch aus. 😀

      • Olga

        ? ich denke mir such immer, was macht die denn da?!

  2. Melanie

    Bin mit dem Stillen zum Glück schon beim ersten Kind entspannt und mache es genau so 🙂

  3. Katharina

    Ich wünschte ich wäre beim ersten schon so entspannt gewesen. Da habe ich tatsächlich nur im Kämmerlein gestillt, sogar wenn wir Besuch hatten bin ich ins Kinderzimmer. Das hat mich so gestresst dass ich nach vier Monaten aufgegeben habe.
    Bei Nummer zwei war ich nach anfänglichen Problemen mit Zufüttern und Pumpen so glücklich dass wir es doch noch zum Vollstillen geschafft haben, dass ich dann doch eine gesunde Scheißegal-Einstellung entwickelt habe. Den habe ich wirklich überall gestillt, sogar beim schicken Essen im Restaurant mit meinen Onkeln und Tanten. Sie haben es nicht einmal bemerkt.
    Gestern war sein erster Geburtstag und ich genieße das Stillen immer noch so dass noch nicht wirklich ein Ende in Sicht ist.
    Du machst es also mMn genau richtig.
    Es ist wirklich schön wenn es so gut läuft.

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