Ich spiele nicht gern

Montagmorgen, 7 Uhr, der Mann ist leider schon auf dem Weg in die Agentur, aber das Hübchen und ich liegen noch gemütlich im Bett, nichts könnte schöner sein als ein solcher Wochenstart. Das große Baby kuschelt sich noch ein bisschen an, ich überlege kurz, welches Buch wir vor dem Aufstehen noch lesen könnten. Doch plötzlich springt das Kind auf, strahlt mich an, legt den Kopf schief und ruft: „Mama! Spielen?“. Andere Mütter würden jetzt vielleicht denken: 7 Uhr morgens, an einem Montag, na es gibt eben bessere Zeiten um mit dem Kind zu spielen. Mein Problem ist aber: Die Uhrzeit spielt keine Rolle. Denn ich spiele einfach nicht gern. Nicht um 7, nicht um 12, nicht um 16 und auch nicht um 20 Uhr.

Ich spiele eben nicht gern. Ich mag nicht mal Uno. Nicht mal Uno! Jeder mag Uno! Mein alter Freund M. zum Beispiel ist ganz verrückt nach Spielen und hat sogar mal sein Geld damit verdient, sich welche auszudenken. Ich erinnere mich gut an sein entgeistertes Gesicht, als er mir sagte: „Sophie! Alle lieben Spiele!“. Nein, ich nicht. Hier ist mein Geständnis: Ich habe mein inneres Kind verloren. Und das muss sehr lange her sein. Manchmal denke ich sogar, dass ich schon als Kind keine Spiele mochte.

Aber das stimmt natürlich nicht. Ich habe es geliebt, gegen nutzlose Erwachsene im Memory zu gewinnen. Und ich habe immer gern Mutter-Vater-Kind gespielt, mit meinem Kindergartenfreund F. Das Spiel ging so: Ich nahm morgens meine Handtasche und ging zur Arbeit. Freund F. blieb Zuhause bei unseren imaginären Kindern. Manchmal wollte F. aber auch nur der Hund sein, das war auch OK. Hauptsache, ich konnte die berufstätige Mutter sein. Vermutlich ließ ich meine Kinder dann allein mit dem Hund. Es war ein sehr kluger Hund. Sie kamen schon zurecht.

Die Mutter, die nicht spielt

Glücklicherweise habe ich heute keinen Hund, aber dafür eine Tagesmutter, die sich wirklich prima um mein Kind kümmert, während ich mit meinem Handtäschchen zur Arbeit gehe. Oft denke ich, mein Sohn wäre sehr viel schlechter dran, wenn er Tag für Tag allein mit mir verbringen müsste und nicht von Montag bis Freitag zu seiner Tagesmutter gehen könnte. Mit absoluter Sicherheit hat er dort nämlich deutlich mehr und gewilltere Spielpartner, als er sie Zuhause hätte.

Für ausdauerndes Kochen in der Spielküche, Verstecken oder Autos-hin-und-herfahren-lassen bin ich einfach nicht geeignet. Mir macht das keinen Spaß, ich langweile mich schnell und habe dann das Gefühl, meinem Kind wirklich gar nicht gerecht zu werden. Auch Draußen auf Spielplätzen bin ich die Mutter, die immer ein Buch oder eine Zeitung dabei hat und lesend auf der Parkbank sitzt, anstatt mit ihrem Sohn im Sandkasten zu buddeln. Wenn ich Eltern sehe, die ausdauernd mit ihren Kindern spielen, denke ich immer: Wie machen die das?

Früher durften doch selbst die Kinder nicht spielen!

Und wenn man mal einen kleinen Blick in die Vergangenheit wirft, dann wird einem auch bewusst, dass dieser Typ Eltern, der da Sandburgen baut und Rollenspiele spielt, noch ziemlich jung ist. Vor 100 Jahren malochten die älteren Kinder aus armen Familien in Bergwerken, während die aus reichen Familien sich zu benehmen hatten wie kleine Erwachsene. Jüngere Kinder spielten miteinander und nicht mit ihren Eltern oder anderen Erwachsenen. Und mit Sicherheit werden auch unsere Eltern nicht gerade davon berichten können, dass ihre Eltern besonders viel mit ihnen gespielt haben. Selbst in meiner Kindheit in den 90ern war es noch normal, dass nach der Schule eine meiner Freundinnen klingelte und fragte „Kommt die Sophie raus?“. Kinder spielten mit Kindern. Erwachsene gingen zur Arbeit oder machten den Haushalt.

Ich bin froh, dass mein Kind nicht in ein paar Jahren unter Tage fahren muss und ich möchte meinen kleinen Sohn auch nicht zu einem braven Kind mit Erwachsenen-Manieren erziehen. Mein Kind soll Kind sein dürfen und so viel und so lange spielen, wie es will. Nur mir fehlt leider das Talent, dabei immer mitzumachen. Ich finde es super, wenn andere Erwachsene gerne und ausdauernd mit meinem Sohn spielen, aber ich habe einfach keine Lust, das immer selbst zu tun.

Ich bin die Vorlese-Mama, und das ist ganz OK so

Ich bin die Vorlese-Mama, die Geschichten-erzähl-Mama, die Puzzle-Mama, die Kuschel-Mama und die Bade-Mama, ich bin die, die Yoga-Übungen vorturnt und zu Oldschool-Hip-Hop tanzt. Ich bin die Mutter, die gerne kocht (und gut, sagt der Mann) und ihren Putzplan einhält. Und ich finde, das muss reichen. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass ich einfach nicht gerne spiele – nicht mal mit meinem eigenen Kind.

Das schlechte Gewissen meldet sich noch hin und wieder, aber dann denke ich einfach an folgenden Fakt: Wenn ich mich weiter vor dem Spielen drücke, verringert sich die Chance deutlich, später andauernd haushoch im Memory zu verlieren. Denn im Memory kann man als Erwachsener einfach nur verlieren. Kinder spielen nämlich einfach zu gerne – und zu gut.

13 Kommentare zu „Ich spiele nicht gern

  1. Anonyme

    Vielen Dank für die ehrlichen Worte. Hat mir geholfen.

    • Steffen

      Mir geht es leider genauso 🙁 und fühle mich sehr schlecht dabei

      • Wie alt ist denn dein Kind? Aus heutiger Sicht kann ich sagen: Das schlechte Gewissen ist kaum mehr gerechtfertigt sobald das Kind älter wird.

        Das Hübchen ist jetzt 4 und verabredet sich mit seinen Freunden. Da muss man als Elternteil dann nur manchmal schlichten oder wenn es ganz mies läuft, Spielideen geben. Meistens sind die Jungs aber total kreativ und spielen zufrieden miteinander. Genau so hatte ich mir das immer gewünscht!

        Und beim Räupchen hoffe ich ja, dass der große Bruder sich engagiert zeigt. Noch freut er sich jedenfalls darauf, wenn die kleine Schwester endlich mal mehr kann als liegen und zappeln. ?

  2. Stephanie

    Danke für diesen Artikel! Dachte schon ich bin die einzige die nicht gern spielt. Weder mit Erwachsenen noch mit meinem Kind (fast 3). Ich lese tausendmal lieber vor als zum hundertsten Mal hintereinander mit dem Feuerwehrauto das gleiche Feuer zu löschen. Habe da auch immer ein schlechtes Gewissen, hoffe aber das die Zeit für mich arbeitet und spielen mit Mama immer weniger wichtig wird und das Spiel mit anderen Kindern an Bedeutung gewinnt

  3. Fanie

    Ganz toller Artikel. Danke dafür! Ich dachte, ich wäre die einzige. Habe immer wieder mit meinem Gewissen zu kämpfen, aber vll sollte ich einfach akzeptieren, dass ich so bin 🙂

  4. Laura

    Danke für den tollen Artikel. Mir gehts genau so… Ich kann mit meinen Kindern (5 und 2) malen, singen, lesen, puzzeln. Nur bitte nicht spielen, auf dem Boden robbend irgendwelche Trecker von A nach B bewegen etc. Aber wie bringe ich das den Mäusen bei ohne das bei einem von uns schlechte Laune vorherrscht?
    Zum Glück verabredet sich der Große fast jeden Tag. Dann sind wir alle glücklich?.

  5. Ich spiele auch nicht gerne und habe auch keine Motivation beim spielen zu gewinnen. Leider macht sich das bei denen bemerkbar,
    die mich zum spielen überredet haben. Mir ist es egal ob ich Punkte bei dem Spiel erreichen kann, mir ist es wichtig möglichst schnell mit dem Spiel fertig zu werden. Aber ich bin wenigstens so fair, das ich dieses vor dem Spiel ankündige.

  6. Maria

    Ich bin froh um diesen Artikel! Mir geht es auch so. Solange die Kinder klein waren, saß ich auch mit ihnen auf dem Boden und wir haben zusammen gespielt. Ich habe das gerne gemacht und ich glaube, bis zu einem gewissen Alter ist das für die kindliche Entwicklung auch förderlich. Ich habe aufgehört zu mitspielen, als meine Kinder ins Rollenspiel- Alter kamen und mir meine ältere Tochter ständig vorgab, was ich zu tun habe, was ich sagen müsse und wie ich das Figürchen zu bewegen habe. Da bin ich irgendwann ausgestiegen, weil mir das, ehrlich gesagt zu blöd wurde.

    Sie sind zu zweit, es sind nur zwei Jahre Altersunterschied und sie können gut miteinander spielen. Da braucht es mich nicht. Aber mich plagt auch gelegentlich das schlechte Gewissen. Und das ist doch das eigentlich Problematische daran.

  7. Anke

    Kann das alles nachvollziehen, aber da der kleinen, aus Gründen, zuhause ist, bin ich trotzdem dumm dran.
    Er lässt sich für NICHTS motivieren, was ich will. Und umgekehrt.
    Er ist Einzelkind. Doof das Ganze.

  8. Bira

    Ich liebe mich und mein Benehmen.
    Ich kann dank meinen Kindern, 4 und 7 Jahre jung, auch nochmal Kind sein. Ich liebe es alles zu machen, was meine Kinder glücklich macht.
    Wenn ich den ganzen Tag spielen soll, dann tue ich das. Wir malen, basteln, tanzen, lernen, toben, und viele hundert Sachen mehr und alles macht mir Spaß. Ich könnte jetzt schon heulen, wenn ich daran denke, das sie älter werden. Ich vermisse sie jetzt schon obwohl wir noch vieles vorhaben. Ich möchte unbedingt noch 1-2 Kinder.
    Kinder sind das beste auf dieser Welt. Unglaublich wie viel Kraft, Liebe, Hoffnung und lachen sie einem schenken können.
    Ich weiß ihr liebt alle eure Kinder.
    Trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, wie man seinem Kind diese Moment nicht schenken kann.
    Irgendwann kommt der Tag und ihr werdet euch danach sehnen.

    • Liebe Bira, hast du den Text gelesen? Außerdem möchte ich dich noch auf eines hinweisen: das hier ist kein „wer ist die tollste Mutter“ Wettbewerb! Wir alle sind verschieden und ich bin mir sehr sicher, dass jede von uns die bestmögliche Mutter für ihre Kinder ist.

    • Bira

      Liebe Sophie,
      aber selbst verständlich habe ich den Text gelesen.
      Ich wollte und habe nie behauptet, das hier irgendwer eine schlechte Mutter sei. Ich habe nur meine Sicht sowie meine bisherige Erfahrung mitgeteilt.
      Wettbewerb ?
      Wofür, wer am besten auf dem Boden spielt ?
      Wäre das hier ein Wettbewerb, könnte ich mir kaum das du Teilnehmer hier sein würdest. Bitte verstehe es nicht falsch… aber ich finde, zu Kinder haben, gehört es nun mal auch auf dem Boden zu kriechen. Wie du schon sagst wir sind alle unterschiedlich habe nur geschrieben wie ich mich fühle und ich denke.
      Im übrigen ich hasse auch spiele vor allem uno nur eben mit den Kindern spiele ich wahnsinnig gern.
      Die Zeit mit den kleinen geht mir einfach zu schnell vorbei
      Lg

  9. EineAlleinerziehendeMama

    Mir geht es genau so!
    Und ich Hab immer ein schlechtes Gewissen einerseits und anderer Seite weiß ich das der kleine (3) gut selbst spielen kann. Wir „spielen“ dafür Haushalt. Wenn ich putze mit dem Besen darf er mit dem kleinen Handfeger helfen, wenn ich staubsauge macht er mit, beim kochen darf er Gurke schneiden mit seinem Messer.
    Und das allein macht mich teils fix und fertig…..
    Klar geh ich auch mal auf den Spielplatz und spiele an der rutsche oder Schaukel mit ihm oder lese ein buch.
    Bin ich trozdem eine gute Mama?

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