Feminismuskritik von privilegierten Frauen? Bitte nicht! Ein offener Brief an Zeit-Redakteurin Cathrin Gilbert

Was feministische Themen angeht, rege ich mich mittlerweile ja kaum noch auf. Ich freue mich über gute Artikel und Meinungen und schüttel einfach den Kopf über die dummen Ansichten. Aber eines schaffe ich einfach nicht: Antifeministische Statements von hyper-privilegierten Erfolgsfrauen zu ignorieren. Jüngst erschien so ein Unfug mal wieder in der Zeit. Und ich kann nicht anders als einen bitterbösen Antwortbrief zu schreiben. Macht Spaß, wirkt befreiend und wer weiß, vielleicht kommt ja sogar was an.

Liebe privilegierte Frau Gilbert,

in der aktuellen Zeit schreiben Sie unter dem Titel „Arme Frau? Armer Mann!“ darüber, wie blöd Sie die feministischen Anwandlungen Ihrer 50+ Kolleginnen finden. Der Inhalt Ihres Textes ist so kurz wie kurzsichtig: Frauen wie Sie, um die 30, bräuchten keine Ratschläge von Ihren älteren Feministinnen-Kolleginnen. Denn Ihnen geht es doch super! Jung, schön und erfolgreich haben Sie alles und kriegen sie alles. Ganz im Gegensatz zu Ihren männlichen Kollegen. Die Ärmsten kommen nämlich gar nicht mehr an gegen so viel geballte Woman-Power. Feminismus? Ist was für die ewig gestrigen! Das haben Sie doch nicht mehr nötig!

Wie gerne würde ich ihre Meinung zu feministischen Themen noch einmal lesen, wenn Sie

a) eines Tages nicht mehr klug, attraktiv und erfolgreich sind, sondern vielleicht sogar dick, faltig und hässlich

und/oder

b) Mutter eines oder mehrerer Kinder geworden sind.

Ihre Stellungnahme im “Z”-Teil der Zeit ist nämlich genau deswegen so fies, weil Sie sie aus einer wahnsinnig privilegierten Position heraus schreiben. Dabei brüsten Sie sich noch damit, dass Frauen Ihrer Generation ja angeblich alle zusammenstehen würden. Moderne Frauen sagen “wir”, anstatt ich. Haben Sie aber mal an das große “Wir” gedacht? An all die schwächeren Frauen, vielleicht (Gott bewahre!) sogar an die unattraktiven, nicht-selbst-optimierten? An die Mütter? An all die Frauen, die in Berufen sind, die weniger frauenfreundlich sind als die Ihrer Medienbranche?

Frauen und Mütter werden eben doch benachteiligt!

Glauben Sie mir, ich habe deutlich mehr Frauen als Männer kennengelernt, die gegen eine mehr als meterdicke gläserne Decke gestoßen sind. Ich habe in meinen wenigen Jahren Berufserfahrung gesehen, wie junge Männer jungen Frauen (Gefahr: in gebärfähigem Alter!) die Jobs weggeschnappt haben. Wie junge Mütter zwar in Teilzeit zurückkommen durften, aber ab da weit entfernt von ihren vorigen Positionen und Qualifikationen arbeiteten.

Ich kenne junge Familien, in denen beide Elternteile gerne nach Erfolg streben würden, aber es geht einfach nicht. Weil die Männer in derart familienunfreundlichen Strukturen arbeiten, dass sie sich nicht mal trauen, in Elternzeit zu gehen. Obwohl sie es gerne würden. Und die Frauen verdienen zu schlecht, in typischen Frauenberufen zum Beispiel.

Sind die Frauen daran immer selbst schuld? Müssten sie nur ein bisschen attraktiver und klüger sein? Zielstrebiger? In etwa so wie Sie, Frau Gilbert? Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Und ich hätte Ihnen ein bisschen mehr Reflexion für Ihren Artikel gewünscht. Und ein bisschen mehr Recherche. Schauen Sie demnächst doch mal über den Tellerrand Ihres privilegierten und frauenfreundlichen Umfelds – das würde Ihre Überheblichkeit vermutlich deutlich ausbremsen.

Und schreiben Sie nicht über Dinge, von denen Sie keine Ahnung haben. Ich bin selbst Mutter und berufstätig. Und ich kann nur müde lächeln, wenn Sie als kinderlose Karrierefrau behaupten, sie fühlten sich „vorbereitet“ auf das, was kommen wird, wenn Sie eines Tages Kind und Beruf vereinbaren müssen. Ich freue mich auf Ihre Artikel in einigen Jahren, wenn Sie vielleicht doch Mutter geworden sind. Vorausgesetzt, Sie haben Ihre Eizellen einfrieren lassen. Denn Ihre Karriere geht ja bestimmt gerade vor, nehme ich an. Solange Sie noch so gut aussehen wie jetzt, sollten Sie das auch ausnutzen!

Ihr Egozentrismus macht mich krank

Meinungen wie Ihre machen mich wütend, ich schätze, das haben Sie jetzt gemerkt. Denn obwohl ich mittlerweile selbst zu den privilegierten Frauen gehöre: Jung, manche sagen attraktiv, studiert, berufstätig – und das ganze sogar noch mit Kind, schaue ich nicht nur auf mich. Ja, ich selbst kriege mein Leben gerade ziemlich gut hin. Übrigens auch, und das dürfte Ihnen gefallen, weil ich einen Mann habe, der mein Familienmodell einer gleichberechtigten Partnerschaft teilt. Aber der Egozentrismus einer ganzen Generation macht mich krank.

Ich denke nicht nur an mich oder an meine Ärztinnen-, angehende Professorinnen- und Unternehmensberaterinnen-Freundinnen. Ich denke stattdessen auch an die Arzthelferinnen, Erzieherinnen und Sekretärinnen. Oder an die Situation, in die all die Ärztinnen und Professorinnen kommen werden, wenn sie eines Tages Kinder in ihren erfolgreichen Berufsalltag integrieren müssen. Ohne irgendeine Form von Schwäche zu zeigen, natürlich.

Irgendwann wird auch für Sie nicht mehr alles so einfach sein wie jetzt, Frau Gilbert. Und ich hoffe, dann schämen Sie sich für Ihren Text. Ich, als Frau Ihrer Generation, schäme mich bereits jetzt stellvertretend für eine derart arrogante Position.

4 Kommentare zu „Feminismuskritik von privilegierten Frauen? Bitte nicht! Ein offener Brief an Zeit-Redakteurin Cathrin Gilbert

    • Ich habe den Kommentar freigeschaltet, weil er keine beleidigenden Inhalte o.ä. enthält. Ich möchte trotzdem betonen, dass ich kein Verständnis für Väterrechtler habe und grundsätzlich der Meinung bin, dass jede Familie, auch getrennt lebende, zu einer individuellen Lösung kommen muss, die möglichst wenig durch politische oder andere Zwänge beeinflusst werden darf.

      Die Zeit lese ich übrigens gerne und schätze die Arbeit vieler für dieses Medium tätigen Journalisten.

  1. Geehrte Sophie,

    ich bin weder Väterrechtler noch Softie. Ich bin einfach nur Volkswirt und Vater.
    Als Volkswirt mit entwickeltem Gerechtigkeitsempfinden grimmt es mich einfach, das viele, der mir bekannten sogenannten Alleinerziehenden grund- und substanzlos benachteiligt werden (Gehalt, Rente etc.). Das ist für mich pure institutionelle Diskriminierung!
    Als Vater zweier toller Töchter wünsche ich diesen Mißstand abgeschafft! Das Grundgesetz gilt für alle. Ausnahmslos!

    PS: Die ZEIT habe ich mir, wie viele meiner akademischen Freunde auch mit dem ‚Weggang‘ von Frau Gaschke ‚abgewöhnt‘. Nur noch substanzlos.

    • Susi

      2 Töchter? Seid wann ? Gerechtigkeit liebend ? Lachhaft!

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