Die „Ich-will-alles-und-zwar-sofort!“-Falle

Mann-oh-Mann, war das eine Woche! Das Hübchen krank, das Räupchen dann auch noch. Und dazwischen eine Mutter, die doch so gerne mal irgendetwas für sich tun würde. Arbeiten zum Beispiel. Einen Blogartikel schreiben. Oder endlich dieses tolle Buch auslesen. Stattdessen habe ich mich den Großteil der Woche vorbildlich verhalten: Das MacBook zugeklappt gelassen. Das Handy aufs oberste Regalbrett gelegt. Und mich von morgens bis abends meinen Kindern gewidmet.

Wie ich mich am Ende eines solchen Tages gefühlt habe, beschreibt ein Wort ganz gut: Rammdösig! Keine Ahnung, woher dieses Wort kommt, oder wie ich seine Bedeutung genau beschreiben würde. Aber allein die Onomatopoesie dieses wunderbaren Begriffs sagt eigentlich schon alles aus. Nach einem ganzen Tag voller Stillen, Wickeln, Malen, Basteln, Zuhören und immer wieder Zugucken, Hinschauen, Dasein war ich einfach völlig rammdösig in der Birne. Da war nix mehr. Alles watte, alles weich, alles weg.

Dummerweise hatte der Mann genau diese Woche jede Menge Deadlines, Kundentermine, Stress – war entsprechend viel aus dem Haus und abends erst spät da. Teils erst, als die Kinder schon schliefen. Ich war dann nur noch reif für die Couch. Arbeiten? Bloggen? Irgendwas sinnvolles tun? Haha! Es ist, wie es bleibt und bleibt, wie es ist: Volle Tage mit meinen Kindern machen mich gefühlt reif für die Klappse.

Ich wünschte, es wäre anders

Oft wünschte ich mir sehr, es wäre anders. Und vor des Räupchens Geburt hatte ich gehofft, ich wäre beim zweiten entspannter. Aber pünktlich nach 6 Monaten hibbelt es in meinen Beinen, vor allem aber in meinem Kopf. Beim Hübchen war ich damals heilfroh, mein Studienabschlusspraktikum als perfekte „Ausrede“ zu haben, nach 6 Monaten meine Elternzeit beenden zu können. Diesmal habe ich meine Selbstständigkeit, die mir immer mal wieder Arbeit reinspült, und natürlich meinen Blog inklusive Social Media Kanälen, der mich wach und aktiv hält. Und auch diesmal bin ich heilfroh, diesen Ausgleich zur Mutterrolle zu haben.

Vor dem zweiten Baby hatte ich tatsächlich gedacht, nun entspannter in die Arbeitspause gehen zu können. Diesmal wüsste ich ja, dass alles ein Ende hat. Und ein bisschen stimmt das auch: Beim zweiten Kind ist die Ungeduld nicht so groß. Die Zeit hat eine andere Dimension, ich schaffe es viel besser, den Moment zu genießen und positiv nach vorne zu schauen. Mir ist total klar: Bald, ganz bald werde ich dies, das und jenes wieder tun können!

Und dann schnappt die Falle wieder zu

Aber manchmal passe ich nicht auf und dann schnappt die Falle zu: Die „Ich-will-alles-und-zwar-sofort!“-Falle. Dann werde ich ärgerlich, weil ich schon wieder zu nichts gekommen bin. Weil das Baby den ganzen Tag an mir klebt. Weil das Hübchen dauerhafte Aufmerksamkeit fordert. Weil ich tausend Dinge und Ideen im Kopf habe, mit denen ich mich jetzt lieber beschäftigen würde.

Ich will ja mit meinen Kindern zusammensein! Ich liebe die Nähe zum Räupchen! Und nein, ich will auch ganz bestimmt noch nicht abstillen. Aber die kleine garstige Stimme in meinem Kopf sagt auch: Du willst viel lieber arbeiten! Du würdest so gerne in die Agentur fahren! Gib’s zu, dir fehlt doch der Austausch mit Kolleg*innen! Du hast erst vier von 19 Onlinecoachings geschafft, die du dir vorgenommen hast! Überhaupt verblödest du hier doch völlig und ein Glas Wein wäre auch mal wieder nett!

Wir haben beide recht

Und wir haben beide recht. Ich, die treusorgende Mutter, und das kleine Garstel in meinem Kopf, das immerfort schreit „DAS BIST DOCH NICHT DUUUU!“.

Wie immer liegt die Lösung wohl in der Mitte. Jetzt, nach dem zweiten Kind, wird es Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und zuzugeben: Ich kann das einfach nicht! Mich beinahe 24/7 meinen Kindern zu widmen, liegt nicht in meiner Natur. Anstatt mir jetzt Vorwürfe zu machen, muss ich vernünftige Wege finden, um für meine Kinder dasein zu können und mich dabei selbst nicht zu verlieren.

Dass das nicht immer einfach ist, ist klar. Das Räupchen sollte zum Beispiel ab dieser Woche in eine Kita eingewöhnt werden. Nun ist sie krank geworden und wir verschieben das erstmal. Aber der Plan steht fest: Mit knapp sieben Monaten geht es für mein Baby in die Betreuung (nein, nicht Fremdbetreuung 😉 ). Es ist eine sehr kleine Einrichtung mit einem guten Ruf und dem besten Personalschlüssel, den man in unserer Stadt finden kann (4 Erzieherinnen auf 11 Kinder zwischen 0 und 3 Jahren). Die Eingewöhnung wird sehr sanft nach dem Münchner Modell geschehen. Solange das Räupchen noch ein Baby ist und ich sie noch stille, wird sie außerdem höchstens 3 Stunden täglich dort verbringen.

Der Kopf sagt: Toll! – Der Bauch zwickt trotzdem

Für meinen Kopf klingt das alles total vernünftig. Und die garstige Stimme in meinem Kopf wird plötzlich total nett und freut sich aufrichtig auf mehr Zeit für wirklich konzentriertes Arbeiten. Was ich alles in zwei bis drei Stunden täglich wegschaffen könnte! Oh himmlische Aussichten! Mein Kopf schaut auch das Räupchen an, das genau wie ihr großer Bruder die Abwechslung liebt und sich mit ziemlicher Sicherheit über neue Vertrauenspersonen und den Kontakt zu anderen Kindern freuen wird.

Im Bauch, da zwickt es trotzdem. Was vermutlich ganz natürlich ist. Das Räupchen ist eben mein Baby und durchs Stillen leben wir ohnehin noch in einer ziemlichen Symbiose. Mein Bauch zwickt aber auch gehörig, wenn ich nachmittags nur noch genervt bin und das Hübchen meine schlechte Laune abkriegt, die daher rührt, dass ich schon vormittags keine fünf Minuten für mich hatte. Mein Bauch hat außerdem ein gutes Gefühl mit der Räupchen-Kita. Und mein Bauch warnt mich ganz klar davor, meine eigenen Bedürfnisse noch länger ganz hintenanzustellen.

In Gedanken lese ich trotzdem schon die verständnislosen Kommentare unter diesem Text: Es ist doch nur für eine kurze Zeit! Du musst dich mehr aufopfern! Hast du mal deine Kinder gefragt, wie die sich fühlen?

Ja, gerade letzteres tue ich in einer ständigen Schleife. Mit dem Hübchen ist das leicht: Sein Gebrüll am Frühstückstisch war diese Woche kaum misszuverstehen: „Ich wiiiill aber in die Kiiiitaaaa! Bitte, Mama, nur ausnahmsweise!“. Er vermisst seine Freunde. Er vermisst seinen gewohnten Alltag. Er hasst es, krank Zuhause bleiben zu müssen. Mit dem Räupchen ist das zugegebenermaßen schwieriger, aber als Elternteil haben wir alle ja das beste Gespür dafür, wann es unseren Kindern gut geht, und wann nicht. Und für mich versteht es sich von selbst, schlechte Gefühle nicht zu ignorieren, sondern zu handeln.

Warum rechtfertige ich mich überhaupt?

Ach ach ach, ich habe es wirklich wieder schwer. Oder, was der Wahrheit näher kommt: Ich mache es mir mal wieder schwer! Wenn ich meinen Text noch mal durchlese, klingt er rückblickend wie eine endlose Rechtfertigung. Ich will ja eine gute Mutter sein, ABER… Ich hänge ja an meinen Kindern, ABER… Eigentlich bin ich ja glücklich, ABER… Würde irgendein Vater einen solchen Text schreiben? Müsste ein Mann Angst vor gemeinen Kommentaren anderer Super-Daddys haben, die ihn dafür verurteilen, neben den Kindern noch anderen sinnstiftenden Aufgaben nachgehen zu wollen? Nein, vermutlich nicht.

Und vielleicht ist es genau diese Erkenntnis, die ich gebraucht habe. Es ist doch alles total OK so. Ich darf das fühlen. Ich darf doch so sein! Meinen Kindern geht es gut. Mir soll es auch gut gehen.

Für den Moment haben wir übrigens auch die (Elternzeit-) Arbeitstage des Mannes umstrukturiert. Aus drei vollen Tagen und einem halben wurden nun zwei volle Tage und drei halbe. Das entlastet mich an drei Nachmittagen die Woche, gibt mir Zeit zum durchatmen oder zum arbeiten. Und wisst ihr was? Ich liebe diesen Mann so sehr dafür, dass er mit mir gemeinsam nach Wegen sucht, unsere Elternrollen zu synchronisieren. Der wusste nämlich, wen er sich da einkauft. Elternzeit heißt nun mal auch bewusst „Elternzeit“ und nicht „Mamazeit“. Und unterm Strich finde ich es auch ganz cool, dass wir das so bedacht durchziehen.

Mama mag nämlich keine Rammdösigkeit. Allein schon, wie das klingt! Nee, einfach nee. 😉

7 Kommentare zu „Die „Ich-will-alles-und-zwar-sofort!“-Falle

  1. Danke für diesen Text, ich habe mich darin voll wiedergefunden. Ich bin auch total gerne Mutter – aber eben auch eine Mutter, die gerne arbeitet, schreibt, liest, Sport macht… Und auch ich tappe immer wieder in die Rechtfertigungsfalle. Da hilft der von dir beschriebene Perspektivwechsel in die Männerwelt. 🙂

    • Das ist leider echt so ein Mütterding. Ich erlebe es so oft, dass die Väter z.B. völlig selbstverständlich nach der Arbeit noch zum Sport gehen – weil sie brauchen das echt als Ausgleich! Ihre Frauen überlegen jeden Mittwoch, wenn der Pilates Kurs anstünde, hingegen stundenlang, ob das denn jetzt auch wirklich geht, weil das Baby hatte doch heute irgendwie schlechte Laune. Und der Große klang heute auch ein bisschen heiser… Ich ertappe mich aktuell selbst dabei, dass ich oft überlege, ob das jetzt wirklich geht. Zum Glück habe ich dann immer den Mann, der mir mal ein paar Takte dazu sagt, dass er ja schließlich auch ein Elternteil ist und weiß, wie’s geht. 😉

  2. Gis

    Ich finde das toll, dass Du die Dinge so klar siehst und formulierst. Ganz klar – ich mag mich noch nicht vom Babykind (14 Monate) trennen, aber ich war jetzt nach 2 Wochen Weihnachtsferien doch froh als die großen Brüder wieder in Schule und Kita entschwunden sind 🙂 Und ich freu mich auch drauf, wenn ich wieder mehr Zeit für mich haben werde! Mir ist mit Hausbau und dem Drumherum aber auch echt nicht langweilig…
    Du und Deine Familie geht Euren Weg,so wie er für Euch gut ist! Und so und nicht anders soll es sein! Alles Gute!

    • Danke dir! Oh ja, Ferien sind hier auch immer echt anstrengend. Mittlerweile hat das Hübchen zum Glück ein Alter, in dem er sich auch in den Ferien schon mal mit Freunden verabreden kann. Dem fehlt sonst echt der soziale Austausch!

      Dir und deiner Familie auch alles Gute! Und viel Erfolg mit dem Hausbau! 😉

  3. Momo

    Ach ich verstehe dich so gut! Ich bin gerade mit dem dritten Kind (6 wochen alt) zu hause und genieße die Babyzeit, die wahrscheinlich die letzte sein wird, in vollen Zügen. Aus der Erfahrung der anderen beiden Kinder kann ich aber sagen: so ab 7, 8 Monaten freue ich mich schon, wieder Teilzeit arbeiten zu gehen! Meine Große wurde mit 8 Monaten eingewöhnt, im Nachhinein für dieses Kind zu früh, aber für mich damals einfach richtig, weil mir allein zu Hause die Decke auf den Kopf fiel. Die Zweite wurde wegen äußerer Umstände nicht wie geplant mit 1 Jahr sondern erst mit 1,5 eingewöhnt, in einer schwierigen Phase, da wäre früher besser gewesen. Und ich habe bei beiden jedesmal gemerkt: Ich bin eine bessere Mama nachmittags, wenn ich vormittags arbeite, sprich, was für mich mache. Ohne Kinder um mich herum. Habe auch lange damit gehadert, dass sich das gut anfühlt und ob ich eine Rabenmutter bin weil ich die Kinder betreuen lasse, aber für mich ist seit der zweiten Tochter glasklar: Ich bin eine bessere Mutter, gerade WEIL ich vormittags bis früher nachmittag arbeiten gehe. Danach freue ich mich auf die Kinder, bin energiegeladener, maule weniger rum und bin einfach netter. Und vormittags sind sie in der besten Betreuung, die man sich wünschen kann, treffen ihre Freunde, die sie in den Ferien total vermissen und machen Sachen, die ich mit ihnen nicht mache. WIn WIn situation für alle! Also: Nicht jede Mama kann eine Vollzeitmama sein, manche sind besser, wenn sie Teilzeitmama sind 🙂 Wobei, man ist ja trotzdem immer Mama, Vollzeit, nur die Anwesenheit variiert…Aber ich habe auch viel Vertrauen in unsere pädagogischen Fachkräfte, das hilft eben auch. Ich würde sagen: Nicht viel nachdenken, schlechtes Gewissen löschen, machen, was sich gut anfühlt, die bessere Laune kommt den Kindern zugute!

    • Ganz genau so geht es mir auch. Was die Betreuung angeht, habe ich glaube ich zwei sehr dankbare Kinder. Das Räupchen macht aktuell auf mich denselben Eindruck, wie das Hübchen damals: Je mehr um sie rum los ist, desto zufriedener ist sie. Insofern mache ich mir wegen der Eingewöhnung eigentlich keine Sorgen. Und wenn ich die Eingewöhnung von 1 bis 2-jährigen Kindern um mich rum mitbekommen habe, hatte ich immer Mitleid – das ist echt ungleich schwieriger als mit einem Baby! Also wenn die Betreuung gut ist, dann spricht m.E. echt nichts gegen eine frühe Eingewöhnung. Vor allem finde ich es gut, dass das Räupchen dann jetzt erst mal lernt, stundenweise da zu bleiben. Würde ich sie mit über einem Jahr eingewöhnen und unter dem Druck, dass ich wieder arbeiten will (muss), dann müsste sie innerhalb weniger Wochen schon >5 Stunden täglich in der Betreuung bleiben. Da finde ich es so, wie wir es jetzt machen können, deutlich sanfter. 🙂

  4. Hannah

    Ich finde es gut, wie ihr das macht. Und das mit dem schlechten Gewissen ist wirklich seeehr Gesellschafts-abhängig. Damit meine ich, wie man „Mutterschaft“ ansieht kommt sehr darauf an, wo man aufgewachsen ist! In Frankreich beispielsweise (da bin ich aufgewachsen, allerdings mit einer deutschen Hausfrau-Mama) fangen viele Frauen schon nach dem Mutterschutz mit der Arbeit wieder an, und zwar vollzeit. Ausnahmen werden oft als „weich“ belächelt. Die Kinder kommen ganz selbstverständlich in eine Krippe oder werden von der Tagesmutter betreut (und später in die Ganztagsschule, und soweit ich beurteilen kann sind sie sowohl als Kinder als auch später nicht unausgeglichener als Deutsche!) Von meinen französischen Freunden höre ich also sehr häufig: und, wann fängst du wieder an? 😉
    Wir machen so ein Zwischending: ab dem 6. Monat arbeite ich wieder zu 80% und mein Freund hat dann voll Elternzeit. Mit einem Jahr kommt die Kleine in die Kita und ihr Papa holt sie dann nachmittags ab. Das erste halbe Jahr ist nun bald rum und klar, fühlt sich komisch an, aber ich freue mich auf die Arbeit. Und das Kind werde ich ja trotzdem noch sehen! Das Einzige, was mich noch ratlos macht, ist wie wir dann mit dem Stillen umgehen…

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